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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Notstand des Privatkapitals.

ein Betrag von 22 Millionen Mark, für welche in dieser neuen Periode
der Kapitalmarkt in Anspruch genommen wurde. Allein mich dieser Nest des
Kapitalbedarfes verschwindet und verwandelt sich in eine Rückgabe des Staates
an den Kapitalmarkt von jährlich 11 Millionen, wenn man in Betracht zieht,
daß nach dem Budget von 1884--85 der preußische Staat 19 108113 Mark
für Tilgung von Staatsschulden und 13 bis 14 Millionen für Amortisation
von Eisenbahuprioritätcu, zusammen 33 Millionen Mark an den Kapitalmarkt
zurückfließen ließ, während demselben in der Periode von 1847 bis 1879 jähr¬
lich 164^ Millionen für Eiseubahuzwecke entzogen wurden.

Dein Druck auf den Zinsfuß, welcher durch den Stillstand im Eisenbahnbau
veranlaßt worden ist -- woraus natürlich dem Staate keinerlei Vorwurf zu
macheu ist --, ist eine positive Einwirkung des Staates zur Seite gegangen,
welche vielleicht mehr als manches andre zum Sinken des Zinses beigetragen hat.
Wir meinen die Maßnahme der Regierung bei der Verfügung über die franzö¬
sische Kriegskontributiou. Soetbcers Schrift "Die fünf Milliarden" hat es über¬
zeugend nachgewiesen, daß durch die große Eile, mit welcher man die Entschä-
dignngsgclder durch Aufzählungen aller Art, durch Rückzahlung von Reichs- und
Staatsschulden, durch die Anlage der dem Jnvalidenfvnds überwiesenen 107 Mil¬
lionen Thaler u. s. w. verwendete, eine große und plötzliche Überflutung des Ka¬
pital- und Geldmarktes hervorgerufen wurde, auf welche man nicht vorbereitet
war und welche daher nicht anders als verderblich wirken konnte. Durch die
Heimzahlung der Staatsschulden wurden die betreffenden Summen frei und
mußten neue Anlage suchen, der Jnvalidcufvnds trat konknrrirend auf, die
großen Güter, welche ans den Dotationen (12 Millionen Mark) gekauft wurden,
brachten diese Summen in die Hände der Verkäufer, die sie irgendwie wieder
anlegen mußten und also andre Anlagen, in welche sie sich drängten, flüssig
machten, welche nun ihrerseits wieder Anlage begehrten u. s. w., kurz, die ent¬
standene Bewegung glich wie ein El dem andern jener vergeblichen Bemühung,
einen Haufen Erde in ein Loch zu werfen, das man erst graben mußte; das
Loch nahm den Haufen wohl auf, aber um das Loch herzustellen, hatte man
einen neuen Haufen aufheben müsse", der nun der Beseitigung harrte. Mau
kennt die Geschichte: soviel Löcher man anch grub, es blieb immer ein Haufen
übrig. Soviel Geld man auch anlegte, es wurde immer andres Geld frei,
welches aus seiner bisherigen Anlage verdrängt war, bis sich endlich ein Schlund
aufthut, der alles verschlang. Dieser Schlund, war jene fieberhafte Spekulation,
welche neue Anlagegelegenheiten erfand, welche das Kapital ins Ausland, vor¬
zugsweise ucich Österreich drängte, um dort für deutsche Rechnung ein Eldorado
von Gewinnsten zu begründen, das sich jedoch bald als ein Feuerwerk erwies,
welches in einem ungeheuer" Krach seinen Schlnßeffett fand. Soviel Kapital
auch in jener Zeit zerstört wurde, es blieb mehr übrig, als der Unternehmungs¬
geist des Volkes, der durch den Krach für lange Zeit gelähmt wurde, zu de-


Der Notstand des Privatkapitals.

ein Betrag von 22 Millionen Mark, für welche in dieser neuen Periode
der Kapitalmarkt in Anspruch genommen wurde. Allein mich dieser Nest des
Kapitalbedarfes verschwindet und verwandelt sich in eine Rückgabe des Staates
an den Kapitalmarkt von jährlich 11 Millionen, wenn man in Betracht zieht,
daß nach dem Budget von 1884—85 der preußische Staat 19 108113 Mark
für Tilgung von Staatsschulden und 13 bis 14 Millionen für Amortisation
von Eisenbahuprioritätcu, zusammen 33 Millionen Mark an den Kapitalmarkt
zurückfließen ließ, während demselben in der Periode von 1847 bis 1879 jähr¬
lich 164^ Millionen für Eiseubahuzwecke entzogen wurden.

Dein Druck auf den Zinsfuß, welcher durch den Stillstand im Eisenbahnbau
veranlaßt worden ist — woraus natürlich dem Staate keinerlei Vorwurf zu
macheu ist —, ist eine positive Einwirkung des Staates zur Seite gegangen,
welche vielleicht mehr als manches andre zum Sinken des Zinses beigetragen hat.
Wir meinen die Maßnahme der Regierung bei der Verfügung über die franzö¬
sische Kriegskontributiou. Soetbcers Schrift „Die fünf Milliarden" hat es über¬
zeugend nachgewiesen, daß durch die große Eile, mit welcher man die Entschä-
dignngsgclder durch Aufzählungen aller Art, durch Rückzahlung von Reichs- und
Staatsschulden, durch die Anlage der dem Jnvalidenfvnds überwiesenen 107 Mil¬
lionen Thaler u. s. w. verwendete, eine große und plötzliche Überflutung des Ka¬
pital- und Geldmarktes hervorgerufen wurde, auf welche man nicht vorbereitet
war und welche daher nicht anders als verderblich wirken konnte. Durch die
Heimzahlung der Staatsschulden wurden die betreffenden Summen frei und
mußten neue Anlage suchen, der Jnvalidcufvnds trat konknrrirend auf, die
großen Güter, welche ans den Dotationen (12 Millionen Mark) gekauft wurden,
brachten diese Summen in die Hände der Verkäufer, die sie irgendwie wieder
anlegen mußten und also andre Anlagen, in welche sie sich drängten, flüssig
machten, welche nun ihrerseits wieder Anlage begehrten u. s. w., kurz, die ent¬
standene Bewegung glich wie ein El dem andern jener vergeblichen Bemühung,
einen Haufen Erde in ein Loch zu werfen, das man erst graben mußte; das
Loch nahm den Haufen wohl auf, aber um das Loch herzustellen, hatte man
einen neuen Haufen aufheben müsse», der nun der Beseitigung harrte. Mau
kennt die Geschichte: soviel Löcher man anch grub, es blieb immer ein Haufen
übrig. Soviel Geld man auch anlegte, es wurde immer andres Geld frei,
welches aus seiner bisherigen Anlage verdrängt war, bis sich endlich ein Schlund
aufthut, der alles verschlang. Dieser Schlund, war jene fieberhafte Spekulation,
welche neue Anlagegelegenheiten erfand, welche das Kapital ins Ausland, vor¬
zugsweise ucich Österreich drängte, um dort für deutsche Rechnung ein Eldorado
von Gewinnsten zu begründen, das sich jedoch bald als ein Feuerwerk erwies,
welches in einem ungeheuer« Krach seinen Schlnßeffett fand. Soviel Kapital
auch in jener Zeit zerstört wurde, es blieb mehr übrig, als der Unternehmungs¬
geist des Volkes, der durch den Krach für lange Zeit gelähmt wurde, zu de-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/600>, abgerufen am 28.07.2024.