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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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bedrängten Hauptstadt zuführt. Die Ausführung war recht tüchtig, über den
patriotischen Inhalt konnte keine Frage sein; dennoch haben bis heute weder
Staat noch Stadt Miene gemacht, die beiden Gemälde an sich zu bringen.

Giebt es aber keine österreichische Staatsmalcrei im Sinne von Karl
Wnrzinger und Peter Kraft mehr, so besitzen dafür einzelne österreichische
Nationalitäten bedeutende Künstler, die ihre beste Kraft der Darstellung von
Momenten ihrer Stammesgeschichte widmen. Des gewaltigsten dieser nationalen
Maler können sich ohne Zweifel die Polen rühmen, es ist Jan Matejko, von
dessen Werken wir bloß zwei -- die "Schlacht bei Grünwald," in der die
deutschen Ordensritter im Zusammenstoß mit der polnischen Republik unterlagen,
und die "Huldigung des brandenburgischen Kurfürsten vor dem polnischen König
Sigmund" (1625) -- zu nennen brauche", um den Leser an die Tendenz seiner
Malerei zu erinnern. Hinter ihm steht eine ganze Schule von talentvollen
jungen Künstlern, die alle das historisch-patriotische Genre ganz besonders Pflegen;
wir sahen hier im Künstlerhanse Jan Stylas RA,ör Lönväicw, Ladislaus
Rvssowskis "Einzug der Königin Hedwig in Krakau." Josef Krzesz' "Schlacht
bei Orsza" (1507). Neben den Polen haben jetzt auch die Tschechen ihren
nationalen Maler: Vaelav Brozik, der in seinem "Huß vor dem Konzil zu
Konstanz" ein Thema behandelt hat, das der großen Mehrzahl seiner Stammes-
genossen immer noch für heilig gilt. Aber weder die Schule Mcitejkos noch
Vrozik, der noch zu jung ist, als daß er bereits hätte Schule machen können,
haben in Auffassung und Darstellung irgendetwas mit der ältern österreichischen
Schule gemein, sie haben sich durchaus an fremden Mustern, namentlich den
modernen Franzosen gebildet, wie denn auch Mnnkacsy, der bedeutendste unter
den ungarischen Malern der Gegenwart, wenn er auch eine Zeit lang zu Rahl
in die Schule gegangen ist, eigentlich nur in Düsseldorf und Paris wirklich
etwas gelernt hat. Wir haben aber hier keinen Anlaß, von diesen Künstlern
weiter zu berichten -- umso weniger, da sie alle nicht in Wien leben, ja nicht
einmal immer hier znerst ausstellen.

Auch auf dem Gebiete der objektiven Historienmalerei -- die, ohne eine
politische Tendenz zu verfolgen, in der Geschichte nur tragische oder gcnrehafte
Motive sucht -- hat Dentschösterrcich leinen nennenswerten Nachwuchs. Diese
traurige Wahrheit lehrte uns vor allem die internationale Ausstellung von 1882,
und alljährlich wird sie uns von den regelmäßigen Ausstellungen des Künstler¬
hauses wiederholt. Sind einmal wirklich Vorwürfe aus der Geschichte genommen,
so ist es dem Maler dabei immer nur um das Schlagwort zu thun, das be¬
queme Epigramm, den Prunk der Staatsaktionen, die prächtigen Kostüme ver¬
gangener Zeiten -- er treibt gleichsam nnr ein loses Maskenspiel mit historischen
Namen und Ereignissen. In diesem Sinne war dann freilich auch Makart ein
Historienmaler, weil er den "Einzug Karls V. in Antwerpen," weil er "Catarina
Cornaro" gemalt hat. Von den Professoren der Akademie, die das historische


bedrängten Hauptstadt zuführt. Die Ausführung war recht tüchtig, über den
patriotischen Inhalt konnte keine Frage sein; dennoch haben bis heute weder
Staat noch Stadt Miene gemacht, die beiden Gemälde an sich zu bringen.

Giebt es aber keine österreichische Staatsmalcrei im Sinne von Karl
Wnrzinger und Peter Kraft mehr, so besitzen dafür einzelne österreichische
Nationalitäten bedeutende Künstler, die ihre beste Kraft der Darstellung von
Momenten ihrer Stammesgeschichte widmen. Des gewaltigsten dieser nationalen
Maler können sich ohne Zweifel die Polen rühmen, es ist Jan Matejko, von
dessen Werken wir bloß zwei — die „Schlacht bei Grünwald," in der die
deutschen Ordensritter im Zusammenstoß mit der polnischen Republik unterlagen,
und die „Huldigung des brandenburgischen Kurfürsten vor dem polnischen König
Sigmund" (1625) — zu nennen brauche», um den Leser an die Tendenz seiner
Malerei zu erinnern. Hinter ihm steht eine ganze Schule von talentvollen
jungen Künstlern, die alle das historisch-patriotische Genre ganz besonders Pflegen;
wir sahen hier im Künstlerhanse Jan Stylas RA,ör Lönväicw, Ladislaus
Rvssowskis „Einzug der Königin Hedwig in Krakau." Josef Krzesz' „Schlacht
bei Orsza" (1507). Neben den Polen haben jetzt auch die Tschechen ihren
nationalen Maler: Vaelav Brozik, der in seinem „Huß vor dem Konzil zu
Konstanz" ein Thema behandelt hat, das der großen Mehrzahl seiner Stammes-
genossen immer noch für heilig gilt. Aber weder die Schule Mcitejkos noch
Vrozik, der noch zu jung ist, als daß er bereits hätte Schule machen können,
haben in Auffassung und Darstellung irgendetwas mit der ältern österreichischen
Schule gemein, sie haben sich durchaus an fremden Mustern, namentlich den
modernen Franzosen gebildet, wie denn auch Mnnkacsy, der bedeutendste unter
den ungarischen Malern der Gegenwart, wenn er auch eine Zeit lang zu Rahl
in die Schule gegangen ist, eigentlich nur in Düsseldorf und Paris wirklich
etwas gelernt hat. Wir haben aber hier keinen Anlaß, von diesen Künstlern
weiter zu berichten — umso weniger, da sie alle nicht in Wien leben, ja nicht
einmal immer hier znerst ausstellen.

Auch auf dem Gebiete der objektiven Historienmalerei — die, ohne eine
politische Tendenz zu verfolgen, in der Geschichte nur tragische oder gcnrehafte
Motive sucht — hat Dentschösterrcich leinen nennenswerten Nachwuchs. Diese
traurige Wahrheit lehrte uns vor allem die internationale Ausstellung von 1882,
und alljährlich wird sie uns von den regelmäßigen Ausstellungen des Künstler¬
hauses wiederholt. Sind einmal wirklich Vorwürfe aus der Geschichte genommen,
so ist es dem Maler dabei immer nur um das Schlagwort zu thun, das be¬
queme Epigramm, den Prunk der Staatsaktionen, die prächtigen Kostüme ver¬
gangener Zeiten — er treibt gleichsam nnr ein loses Maskenspiel mit historischen
Namen und Ereignissen. In diesem Sinne war dann freilich auch Makart ein
Historienmaler, weil er den „Einzug Karls V. in Antwerpen," weil er „Catarina
Cornaro" gemalt hat. Von den Professoren der Akademie, die das historische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/582>, abgerufen am 28.07.2024.