Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Unpolitische Briefe aus Wien.

ganz mitteilen, am wenigsten. Sein Bild des Exministers Schmerling z. B.
enthüllt doch nichts von dem eigentlichen geistigen Kern dieses Mannes, wie er
in den bedeutendsten Momenten seiner öffentlichen Thätigkeit zutage getreten ist;
das ist nicht der kühle Politiker, der -- wie Laube sich einmal ausdrückte --
"von konservativer Schärfe starrte," der der Opposition das berühmte "Wir
können warten" entgegenwnrf, es ist der liebenswürdige Gesellschafter, die
Zierde des Salons: auf seinem Antlitz liegt kein milder, kein energischer Zug,
der Vlick ist fast weich, um die Lippen spielt ein leises verbindliches Lächeln.
Wir wollen damit nicht sagen, daß das Bild schlecht getroffen sei, die Ähnlich¬
keit ist außerordentlich, die Ausführung von großer Feinheit, aber das innerste
Wesen des Mannes spricht aus diesen Zügen nicht. Ganz besonders gelingen
Amerling eben harmlose, offenherzige, gemütsfrohe Menschen, die leicht und leb¬
haft empfinden und ihre Empfindung auch gleich ausdrücken; portrcitirt er einen
solchen, so kann man mit dem Dichter sagen: "Dein Bild hat keine Seele mehr
zu fordern." Lieblingsvorwürfe sind ihm denn auch schöne junge Frcinen und
Mädchen, die er fast immer in jener zarten, holden Bewegung darstellt, die seiner
berühmten "Lautenschlägeriu" eiuen so unaussprechlichen Reiz verleiht.

Amerling hat sich aber niemals auf das enge Gebiet beschränkt, auf dem er so
große Triumphe feierte, auch im Genre (Fischender Knabe, Italienisches Mädchen,
Schlafende Kinder), ja sogar im religiösen Bild (Apostel Paulus) hat er sich
mit Erfolg bethätigt, und wenn er auch niemals Landschaften ausgestellt hat,
so hat er es doch auch in dieser Richtung nicht an Bemühungen fehlen lassen;
wir fanden ihn vor zwei Jahren in seinem Atelier gerade an einer Waldszenerie
malend. Während aber im Porträt alle unsre heutigen Berühmtheiten, Canon
vielleicht ausgenommen, von ihm vielfach angeregt worden sind und viel von
ihm gelernt haben, auch seine Bildnisse uus heute durchaus nicht veraltet, sondern
ganz frisch und modern anmuten, so steht er doch mit seinen übrigen Schöpfungen
den neuen Richtungen fremd gegenüber. Nicht als ob er diese nicht gelten ließe,
aber in seiner Anerkennung liegt die Bitterkeit des Greises, der sich überholt
sieht. "Ich bin ein alter Mann -- sagte er uns, als wir das Gespräch auf einige
künstlerische Berühmtheiten des Tages lenkten -- und verstehe diese jungen Leute
"icht mehr. Sie machen sehr schöne Sachen, zu meiner Zeit hatte man keine
Ahnung von einer solchen Malerei, aber ich kann jetzt nichts mehr lernen.
Drum ists mir auch am liebsten, wenn ich garnichts davon höre, wenn sie mich
ganz in Ruhe lassen."

Neben Amerling stand L'Allemant, der namentlich in der Darstellung
markiger militärischer Gestalten seine Stärke fand. Wenn man seine Bilder
betrachtet, leben einem die Offiziere der alten österreichischen Armee wieder auf.
Aber auch in ältere Zeiten wußte er zurückzugreifen, die Heldengestalten, die sich
um den Thron Maria Theresias und Franz des Ersten schaarten, treu nach der
Überlieferung, kraftvoll und glänzend den Enkeln vorzuführen.


Unpolitische Briefe aus Wien.

ganz mitteilen, am wenigsten. Sein Bild des Exministers Schmerling z. B.
enthüllt doch nichts von dem eigentlichen geistigen Kern dieses Mannes, wie er
in den bedeutendsten Momenten seiner öffentlichen Thätigkeit zutage getreten ist;
das ist nicht der kühle Politiker, der — wie Laube sich einmal ausdrückte —
„von konservativer Schärfe starrte," der der Opposition das berühmte „Wir
können warten" entgegenwnrf, es ist der liebenswürdige Gesellschafter, die
Zierde des Salons: auf seinem Antlitz liegt kein milder, kein energischer Zug,
der Vlick ist fast weich, um die Lippen spielt ein leises verbindliches Lächeln.
Wir wollen damit nicht sagen, daß das Bild schlecht getroffen sei, die Ähnlich¬
keit ist außerordentlich, die Ausführung von großer Feinheit, aber das innerste
Wesen des Mannes spricht aus diesen Zügen nicht. Ganz besonders gelingen
Amerling eben harmlose, offenherzige, gemütsfrohe Menschen, die leicht und leb¬
haft empfinden und ihre Empfindung auch gleich ausdrücken; portrcitirt er einen
solchen, so kann man mit dem Dichter sagen: „Dein Bild hat keine Seele mehr
zu fordern." Lieblingsvorwürfe sind ihm denn auch schöne junge Frcinen und
Mädchen, die er fast immer in jener zarten, holden Bewegung darstellt, die seiner
berühmten „Lautenschlägeriu" eiuen so unaussprechlichen Reiz verleiht.

Amerling hat sich aber niemals auf das enge Gebiet beschränkt, auf dem er so
große Triumphe feierte, auch im Genre (Fischender Knabe, Italienisches Mädchen,
Schlafende Kinder), ja sogar im religiösen Bild (Apostel Paulus) hat er sich
mit Erfolg bethätigt, und wenn er auch niemals Landschaften ausgestellt hat,
so hat er es doch auch in dieser Richtung nicht an Bemühungen fehlen lassen;
wir fanden ihn vor zwei Jahren in seinem Atelier gerade an einer Waldszenerie
malend. Während aber im Porträt alle unsre heutigen Berühmtheiten, Canon
vielleicht ausgenommen, von ihm vielfach angeregt worden sind und viel von
ihm gelernt haben, auch seine Bildnisse uus heute durchaus nicht veraltet, sondern
ganz frisch und modern anmuten, so steht er doch mit seinen übrigen Schöpfungen
den neuen Richtungen fremd gegenüber. Nicht als ob er diese nicht gelten ließe,
aber in seiner Anerkennung liegt die Bitterkeit des Greises, der sich überholt
sieht. „Ich bin ein alter Mann — sagte er uns, als wir das Gespräch auf einige
künstlerische Berühmtheiten des Tages lenkten — und verstehe diese jungen Leute
«icht mehr. Sie machen sehr schöne Sachen, zu meiner Zeit hatte man keine
Ahnung von einer solchen Malerei, aber ich kann jetzt nichts mehr lernen.
Drum ists mir auch am liebsten, wenn ich garnichts davon höre, wenn sie mich
ganz in Ruhe lassen."

Neben Amerling stand L'Allemant, der namentlich in der Darstellung
markiger militärischer Gestalten seine Stärke fand. Wenn man seine Bilder
betrachtet, leben einem die Offiziere der alten österreichischen Armee wieder auf.
Aber auch in ältere Zeiten wußte er zurückzugreifen, die Heldengestalten, die sich
um den Thron Maria Theresias und Franz des Ersten schaarten, treu nach der
Überlieferung, kraftvoll und glänzend den Enkeln vorzuführen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0580" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196680"/>
          <fw type="header" place="top"> Unpolitische Briefe aus Wien.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2190" prev="#ID_2189"> ganz mitteilen, am wenigsten. Sein Bild des Exministers Schmerling z. B.<lb/>
enthüllt doch nichts von dem eigentlichen geistigen Kern dieses Mannes, wie er<lb/>
in den bedeutendsten Momenten seiner öffentlichen Thätigkeit zutage getreten ist;<lb/>
das ist nicht der kühle Politiker, der &#x2014; wie Laube sich einmal ausdrückte &#x2014;<lb/>
&#x201E;von konservativer Schärfe starrte," der der Opposition das berühmte &#x201E;Wir<lb/>
können warten" entgegenwnrf, es ist der liebenswürdige Gesellschafter, die<lb/>
Zierde des Salons: auf seinem Antlitz liegt kein milder, kein energischer Zug,<lb/>
der Vlick ist fast weich, um die Lippen spielt ein leises verbindliches Lächeln.<lb/>
Wir wollen damit nicht sagen, daß das Bild schlecht getroffen sei, die Ähnlich¬<lb/>
keit ist außerordentlich, die Ausführung von großer Feinheit, aber das innerste<lb/>
Wesen des Mannes spricht aus diesen Zügen nicht. Ganz besonders gelingen<lb/>
Amerling eben harmlose, offenherzige, gemütsfrohe Menschen, die leicht und leb¬<lb/>
haft empfinden und ihre Empfindung auch gleich ausdrücken; portrcitirt er einen<lb/>
solchen, so kann man mit dem Dichter sagen: &#x201E;Dein Bild hat keine Seele mehr<lb/>
zu fordern." Lieblingsvorwürfe sind ihm denn auch schöne junge Frcinen und<lb/>
Mädchen, die er fast immer in jener zarten, holden Bewegung darstellt, die seiner<lb/>
berühmten &#x201E;Lautenschlägeriu" eiuen so unaussprechlichen Reiz verleiht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2191"> Amerling hat sich aber niemals auf das enge Gebiet beschränkt, auf dem er so<lb/>
große Triumphe feierte, auch im Genre (Fischender Knabe, Italienisches Mädchen,<lb/>
Schlafende Kinder), ja sogar im religiösen Bild (Apostel Paulus) hat er sich<lb/>
mit Erfolg bethätigt, und wenn er auch niemals Landschaften ausgestellt hat,<lb/>
so hat er es doch auch in dieser Richtung nicht an Bemühungen fehlen lassen;<lb/>
wir fanden ihn vor zwei Jahren in seinem Atelier gerade an einer Waldszenerie<lb/>
malend. Während aber im Porträt alle unsre heutigen Berühmtheiten, Canon<lb/>
vielleicht ausgenommen, von ihm vielfach angeregt worden sind und viel von<lb/>
ihm gelernt haben, auch seine Bildnisse uus heute durchaus nicht veraltet, sondern<lb/>
ganz frisch und modern anmuten, so steht er doch mit seinen übrigen Schöpfungen<lb/>
den neuen Richtungen fremd gegenüber. Nicht als ob er diese nicht gelten ließe,<lb/>
aber in seiner Anerkennung liegt die Bitterkeit des Greises, der sich überholt<lb/>
sieht. &#x201E;Ich bin ein alter Mann &#x2014; sagte er uns, als wir das Gespräch auf einige<lb/>
künstlerische Berühmtheiten des Tages lenkten &#x2014; und verstehe diese jungen Leute<lb/>
«icht mehr. Sie machen sehr schöne Sachen, zu meiner Zeit hatte man keine<lb/>
Ahnung von einer solchen Malerei, aber ich kann jetzt nichts mehr lernen.<lb/>
Drum ists mir auch am liebsten, wenn ich garnichts davon höre, wenn sie mich<lb/>
ganz in Ruhe lassen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2192"> Neben Amerling stand L'Allemant, der namentlich in der Darstellung<lb/>
markiger militärischer Gestalten seine Stärke fand. Wenn man seine Bilder<lb/>
betrachtet, leben einem die Offiziere der alten österreichischen Armee wieder auf.<lb/>
Aber auch in ältere Zeiten wußte er zurückzugreifen, die Heldengestalten, die sich<lb/>
um den Thron Maria Theresias und Franz des Ersten schaarten, treu nach der<lb/>
Überlieferung, kraftvoll und glänzend den Enkeln vorzuführen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0580] Unpolitische Briefe aus Wien. ganz mitteilen, am wenigsten. Sein Bild des Exministers Schmerling z. B. enthüllt doch nichts von dem eigentlichen geistigen Kern dieses Mannes, wie er in den bedeutendsten Momenten seiner öffentlichen Thätigkeit zutage getreten ist; das ist nicht der kühle Politiker, der — wie Laube sich einmal ausdrückte — „von konservativer Schärfe starrte," der der Opposition das berühmte „Wir können warten" entgegenwnrf, es ist der liebenswürdige Gesellschafter, die Zierde des Salons: auf seinem Antlitz liegt kein milder, kein energischer Zug, der Vlick ist fast weich, um die Lippen spielt ein leises verbindliches Lächeln. Wir wollen damit nicht sagen, daß das Bild schlecht getroffen sei, die Ähnlich¬ keit ist außerordentlich, die Ausführung von großer Feinheit, aber das innerste Wesen des Mannes spricht aus diesen Zügen nicht. Ganz besonders gelingen Amerling eben harmlose, offenherzige, gemütsfrohe Menschen, die leicht und leb¬ haft empfinden und ihre Empfindung auch gleich ausdrücken; portrcitirt er einen solchen, so kann man mit dem Dichter sagen: „Dein Bild hat keine Seele mehr zu fordern." Lieblingsvorwürfe sind ihm denn auch schöne junge Frcinen und Mädchen, die er fast immer in jener zarten, holden Bewegung darstellt, die seiner berühmten „Lautenschlägeriu" eiuen so unaussprechlichen Reiz verleiht. Amerling hat sich aber niemals auf das enge Gebiet beschränkt, auf dem er so große Triumphe feierte, auch im Genre (Fischender Knabe, Italienisches Mädchen, Schlafende Kinder), ja sogar im religiösen Bild (Apostel Paulus) hat er sich mit Erfolg bethätigt, und wenn er auch niemals Landschaften ausgestellt hat, so hat er es doch auch in dieser Richtung nicht an Bemühungen fehlen lassen; wir fanden ihn vor zwei Jahren in seinem Atelier gerade an einer Waldszenerie malend. Während aber im Porträt alle unsre heutigen Berühmtheiten, Canon vielleicht ausgenommen, von ihm vielfach angeregt worden sind und viel von ihm gelernt haben, auch seine Bildnisse uus heute durchaus nicht veraltet, sondern ganz frisch und modern anmuten, so steht er doch mit seinen übrigen Schöpfungen den neuen Richtungen fremd gegenüber. Nicht als ob er diese nicht gelten ließe, aber in seiner Anerkennung liegt die Bitterkeit des Greises, der sich überholt sieht. „Ich bin ein alter Mann — sagte er uns, als wir das Gespräch auf einige künstlerische Berühmtheiten des Tages lenkten — und verstehe diese jungen Leute «icht mehr. Sie machen sehr schöne Sachen, zu meiner Zeit hatte man keine Ahnung von einer solchen Malerei, aber ich kann jetzt nichts mehr lernen. Drum ists mir auch am liebsten, wenn ich garnichts davon höre, wenn sie mich ganz in Ruhe lassen." Neben Amerling stand L'Allemant, der namentlich in der Darstellung markiger militärischer Gestalten seine Stärke fand. Wenn man seine Bilder betrachtet, leben einem die Offiziere der alten österreichischen Armee wieder auf. Aber auch in ältere Zeiten wußte er zurückzugreifen, die Heldengestalten, die sich um den Thron Maria Theresias und Franz des Ersten schaarten, treu nach der Überlieferung, kraftvoll und glänzend den Enkeln vorzuführen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/580
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/580>, abgerufen am 28.07.2024.