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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Unpolitische Briefe aus U?im.

storben ist und viele von der heute blühenden Künstlergeneration zu seineu
Schülern gezählt hat. Aber so wenig wie Führich, der eine Zeit lang eine fast
herrschende Stellung auf der Wiener Akademie einnahm, ist es Naht gelungen,
eigentlich Schule zu bilden, weder was die Auffassung, noch was die Sache
betrifft. Denn streng in der Zeichnung, sauber und elegant bis zur Peinlich¬
keit selbst in den kleinsten Details, kühl, zurückhaltend, mitunter nüchtern in der
Farbengebung, bewahrten diese älteren Maler auch in der Darstellung der Leiden¬
schaft eine gewisse Ruhe, bewegten sich immer nur auf einer beschränkten Ton¬
leiter von Empfindungen, stiegen niemals in die letzten Tiefen menschlichen
Wesens hinab. Es war eine Kunst, die keine nervösen Anwandlungen kannte,
der das Dämonische fremd war.

In der äußeren Darstellung folgte die Genremalerei der Zeit denselben
Prinzipien. Als Vorwürfe wählte sie besonders gern gemütliche Austritte und
vermied es, einen ironischen oder bittern Zug hineinzubringen, auch wenn dies
sehr nahe lag; so hat Danhäuser, der im Genre sein eigentliches Gebiet fand,
in seinem "Prasser" den Gegensatz zwischen dem schwelgenden Dickwanst und
dem Bettler, der Almosen heischend an der Schwelle erscheint, durchaus uicht
so energisch betont, wie dies ein moderner Maler unzweifelhaft thun würde.
Und selbst dort, wo der Gegenstand zu einer düstern, pessimistischen Behand¬
lung direkt auffordert, wird ihm eine freundliche Seite abgewonnen, so in
Ferdinand Waldmüllers "Klostcrsuppe": die Armen, die sich da um die Pforte
des Klosters drängen, um die kärgliche Nahrung in Empfang zu nehmen, machen
durchaus keinen unerquicklichen Eindruck, es sind lauter freundliche, zufriedne
Gesichter, Greise, alte Mütterchen, Frauen mit bausbcickigcn Kindern, die bald
in freudiger Erwartung, bald in behaglichem Genuß, bisweilen auch in einem
kleinen harmlosen Streit um das Gebotene dargestellt sind; nirgends aber ein
wüstes Drängen, ein gieriges Heischen, keine Spur von der Not und dem Elend,
die sich bei solcher Gelegenheit gewöhnlich offenbart. Es ist ein Bild, von dem
man heiteren Gemütes scheidet. Auch in der Ausführung ist es thpisch sür das
Genre der Zeit.

In der älteren Landschaftsmalerei, von der uns ein Gang durch die Samm¬
lung der hiesigen Akademie eine gedrängte Übersicht giebt, finden wir mehr
Nachdruck auf schwungvolle Linien als auf koloristischen Reiz gelegt, die Lichter
sind nie grell, Luft und Wasser meist nur leise bewegt, die Ferne klar und
duftig, das anmutige Laubwerk aufs eingehendste behandelt. Dabei sind diese
Landschaften, namentlich wenn der Vorwurf ein heimatlicher ist, nur selten von
akademischer Nüchternheit, meist sind sie von warmem Gefühl belebt. Frohe
Naturempfindung gehört ja zum Erbteil unsers Stammes.

Unstreitig das Bedeutendste hat aber die ältere österreichische Schule auf
dem Gebiet der Porträtmalerei geliefert. Und hier hat die Gegenwart noch
am meisten von der Vergangenheit übernommen, hier sind die alten Traditionen


Unpolitische Briefe aus U?im.

storben ist und viele von der heute blühenden Künstlergeneration zu seineu
Schülern gezählt hat. Aber so wenig wie Führich, der eine Zeit lang eine fast
herrschende Stellung auf der Wiener Akademie einnahm, ist es Naht gelungen,
eigentlich Schule zu bilden, weder was die Auffassung, noch was die Sache
betrifft. Denn streng in der Zeichnung, sauber und elegant bis zur Peinlich¬
keit selbst in den kleinsten Details, kühl, zurückhaltend, mitunter nüchtern in der
Farbengebung, bewahrten diese älteren Maler auch in der Darstellung der Leiden¬
schaft eine gewisse Ruhe, bewegten sich immer nur auf einer beschränkten Ton¬
leiter von Empfindungen, stiegen niemals in die letzten Tiefen menschlichen
Wesens hinab. Es war eine Kunst, die keine nervösen Anwandlungen kannte,
der das Dämonische fremd war.

In der äußeren Darstellung folgte die Genremalerei der Zeit denselben
Prinzipien. Als Vorwürfe wählte sie besonders gern gemütliche Austritte und
vermied es, einen ironischen oder bittern Zug hineinzubringen, auch wenn dies
sehr nahe lag; so hat Danhäuser, der im Genre sein eigentliches Gebiet fand,
in seinem „Prasser" den Gegensatz zwischen dem schwelgenden Dickwanst und
dem Bettler, der Almosen heischend an der Schwelle erscheint, durchaus uicht
so energisch betont, wie dies ein moderner Maler unzweifelhaft thun würde.
Und selbst dort, wo der Gegenstand zu einer düstern, pessimistischen Behand¬
lung direkt auffordert, wird ihm eine freundliche Seite abgewonnen, so in
Ferdinand Waldmüllers „Klostcrsuppe": die Armen, die sich da um die Pforte
des Klosters drängen, um die kärgliche Nahrung in Empfang zu nehmen, machen
durchaus keinen unerquicklichen Eindruck, es sind lauter freundliche, zufriedne
Gesichter, Greise, alte Mütterchen, Frauen mit bausbcickigcn Kindern, die bald
in freudiger Erwartung, bald in behaglichem Genuß, bisweilen auch in einem
kleinen harmlosen Streit um das Gebotene dargestellt sind; nirgends aber ein
wüstes Drängen, ein gieriges Heischen, keine Spur von der Not und dem Elend,
die sich bei solcher Gelegenheit gewöhnlich offenbart. Es ist ein Bild, von dem
man heiteren Gemütes scheidet. Auch in der Ausführung ist es thpisch sür das
Genre der Zeit.

In der älteren Landschaftsmalerei, von der uns ein Gang durch die Samm¬
lung der hiesigen Akademie eine gedrängte Übersicht giebt, finden wir mehr
Nachdruck auf schwungvolle Linien als auf koloristischen Reiz gelegt, die Lichter
sind nie grell, Luft und Wasser meist nur leise bewegt, die Ferne klar und
duftig, das anmutige Laubwerk aufs eingehendste behandelt. Dabei sind diese
Landschaften, namentlich wenn der Vorwurf ein heimatlicher ist, nur selten von
akademischer Nüchternheit, meist sind sie von warmem Gefühl belebt. Frohe
Naturempfindung gehört ja zum Erbteil unsers Stammes.

Unstreitig das Bedeutendste hat aber die ältere österreichische Schule auf
dem Gebiet der Porträtmalerei geliefert. Und hier hat die Gegenwart noch
am meisten von der Vergangenheit übernommen, hier sind die alten Traditionen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/578>, abgerufen am 25.11.2024.