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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Notstand des Prwatkapitals.

werden. Wenn Peru oder Bolivia einige Millionen Dollars borgen wollen, oder
wenn eine jenseits der Felsengebirge Nordamerikas projektirte Eisenbahn, deren
Aktien noch nicht gezeichnet oder doch nicht eingezahlt sind, Bonds ausgeben will,
um ihr gewagtes Unternehmen auszuführen, so würden sie sich allerdings vergeblich
an die europäischen Kapitalisten wenden, wenn sie nicht einen Vermittler fänden,
der die schwachen Seiten des Kapitalisten so gut wie seinen eignen Vorteil kennt.

Es liegt mir ferne, die Intervention der Bankiers an und für sich ver¬
dammen zu wollen; denn es kann ja nicht geleugnet werden, daß bei sehr große"
Geschäfte" der Abschluß erleichtert werden kann, wenn eine das Vertrauen
beider Teile genießende Person dazwischen tritt. Man weiß, daß das Haus N. N.
nur solche Geschäfte an die Börse bringt, die es als solide erkannt hat, und
man ist überzeugt, daß es die Fähigkeit und die Mittel besitzt, sich solche
Kenntnis in zuverlässiger Weise zu verschaffen. Ein solches Haus leistet daher
unzweifelhaft beiden Teilen wirkliche Dienste und verdient dafür eine kaufmän¬
nische Provision. Allein in den meisten Fällen ist das Verhältnis durchaus
anders. Der Bankier pflegt sich weniger um das Interesse der Parteien
zu kümmern als um sein eignes, er verbindet die Parteien nicht, sondern er
trennt sie; er tritt dem Borger, den er von der Kapitalbörse fernhält, als
Darleiher gegenüber und beutet dabei seine günstige Lage und seine Macht
ohne Rücksicht aus. Dann erscheint er auf der Börse und bietet seine Waare,
die Partialscheine, aus, um nun bei den Kapitalisten zu verdienen. Dies ist
nicht wirtschaftliche Vermittlung, sondern Ausbeutung. Für das, was der Bankier
verdiente, hat er keinen Gegenwert geliefert, er nimmt es von der Substanz
des Kapitals, und um soviel er reicher geworden ist, um ebensoviel sind andre
ärmer geworden. Aber die Welt ist hieran gewöhnt. Das Großkapital hat
das Publikum zuerst mit großen Geschäften bekannt gemacht, und das Privat¬
kapital ahnt es kaum, in welcher Weise es ausgebeutet wird.

Der Jagd der Bankiers auf die unselbständigen Privatkapitalien kommt die
Zwangslage der letztern ans halbem Wege entgegen, weil sich infolge ununter¬
brochener Neubildung von Kapitalien, sowie durch die Rückzahlung aus ange¬
legten Kapitalien fortwährend baares Geld an der Börse häuft, welches Anlage
sucht und auf das Kvmmaudowort der Großen wartet.

Die Bande, in welchen die allmächtigen Geldfürsten den Kapitalmarkt, Nach¬
frage und Angebot gefesselt halten, sind so fest, daß es uur selten gelingt, sich
ihrer zu entledigen. Frankreich und England haben unter günstigen Konjunk¬
turen gelungene Versuche gemacht, Aulcheu mit Umgehung der Bankiers direkt
an die Börse zu bringen, und während ich dieses schreibe, werden die deutschen
Börsen, wie es heißt, in der That aber nicht diese, sondern die beiseite gelassenen
Bankiers überrascht und höchlichst verstimmt durch das Vorgehen der preußischen
Regierung, welche neue Z^prozentige Obligationen durch ihre Agenten ohne
sonstige Vermittlung an der Börse verkaufen läßt.


Der Notstand des Prwatkapitals.

werden. Wenn Peru oder Bolivia einige Millionen Dollars borgen wollen, oder
wenn eine jenseits der Felsengebirge Nordamerikas projektirte Eisenbahn, deren
Aktien noch nicht gezeichnet oder doch nicht eingezahlt sind, Bonds ausgeben will,
um ihr gewagtes Unternehmen auszuführen, so würden sie sich allerdings vergeblich
an die europäischen Kapitalisten wenden, wenn sie nicht einen Vermittler fänden,
der die schwachen Seiten des Kapitalisten so gut wie seinen eignen Vorteil kennt.

Es liegt mir ferne, die Intervention der Bankiers an und für sich ver¬
dammen zu wollen; denn es kann ja nicht geleugnet werden, daß bei sehr große»
Geschäfte« der Abschluß erleichtert werden kann, wenn eine das Vertrauen
beider Teile genießende Person dazwischen tritt. Man weiß, daß das Haus N. N.
nur solche Geschäfte an die Börse bringt, die es als solide erkannt hat, und
man ist überzeugt, daß es die Fähigkeit und die Mittel besitzt, sich solche
Kenntnis in zuverlässiger Weise zu verschaffen. Ein solches Haus leistet daher
unzweifelhaft beiden Teilen wirkliche Dienste und verdient dafür eine kaufmän¬
nische Provision. Allein in den meisten Fällen ist das Verhältnis durchaus
anders. Der Bankier pflegt sich weniger um das Interesse der Parteien
zu kümmern als um sein eignes, er verbindet die Parteien nicht, sondern er
trennt sie; er tritt dem Borger, den er von der Kapitalbörse fernhält, als
Darleiher gegenüber und beutet dabei seine günstige Lage und seine Macht
ohne Rücksicht aus. Dann erscheint er auf der Börse und bietet seine Waare,
die Partialscheine, aus, um nun bei den Kapitalisten zu verdienen. Dies ist
nicht wirtschaftliche Vermittlung, sondern Ausbeutung. Für das, was der Bankier
verdiente, hat er keinen Gegenwert geliefert, er nimmt es von der Substanz
des Kapitals, und um soviel er reicher geworden ist, um ebensoviel sind andre
ärmer geworden. Aber die Welt ist hieran gewöhnt. Das Großkapital hat
das Publikum zuerst mit großen Geschäften bekannt gemacht, und das Privat¬
kapital ahnt es kaum, in welcher Weise es ausgebeutet wird.

Der Jagd der Bankiers auf die unselbständigen Privatkapitalien kommt die
Zwangslage der letztern ans halbem Wege entgegen, weil sich infolge ununter¬
brochener Neubildung von Kapitalien, sowie durch die Rückzahlung aus ange¬
legten Kapitalien fortwährend baares Geld an der Börse häuft, welches Anlage
sucht und auf das Kvmmaudowort der Großen wartet.

Die Bande, in welchen die allmächtigen Geldfürsten den Kapitalmarkt, Nach¬
frage und Angebot gefesselt halten, sind so fest, daß es uur selten gelingt, sich
ihrer zu entledigen. Frankreich und England haben unter günstigen Konjunk¬
turen gelungene Versuche gemacht, Aulcheu mit Umgehung der Bankiers direkt
an die Börse zu bringen, und während ich dieses schreibe, werden die deutschen
Börsen, wie es heißt, in der That aber nicht diese, sondern die beiseite gelassenen
Bankiers überrascht und höchlichst verstimmt durch das Vorgehen der preußischen
Regierung, welche neue Z^prozentige Obligationen durch ihre Agenten ohne
sonstige Vermittlung an der Börse verkaufen läßt.


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[0564] Der Notstand des Prwatkapitals. werden. Wenn Peru oder Bolivia einige Millionen Dollars borgen wollen, oder wenn eine jenseits der Felsengebirge Nordamerikas projektirte Eisenbahn, deren Aktien noch nicht gezeichnet oder doch nicht eingezahlt sind, Bonds ausgeben will, um ihr gewagtes Unternehmen auszuführen, so würden sie sich allerdings vergeblich an die europäischen Kapitalisten wenden, wenn sie nicht einen Vermittler fänden, der die schwachen Seiten des Kapitalisten so gut wie seinen eignen Vorteil kennt. Es liegt mir ferne, die Intervention der Bankiers an und für sich ver¬ dammen zu wollen; denn es kann ja nicht geleugnet werden, daß bei sehr große» Geschäfte« der Abschluß erleichtert werden kann, wenn eine das Vertrauen beider Teile genießende Person dazwischen tritt. Man weiß, daß das Haus N. N. nur solche Geschäfte an die Börse bringt, die es als solide erkannt hat, und man ist überzeugt, daß es die Fähigkeit und die Mittel besitzt, sich solche Kenntnis in zuverlässiger Weise zu verschaffen. Ein solches Haus leistet daher unzweifelhaft beiden Teilen wirkliche Dienste und verdient dafür eine kaufmän¬ nische Provision. Allein in den meisten Fällen ist das Verhältnis durchaus anders. Der Bankier pflegt sich weniger um das Interesse der Parteien zu kümmern als um sein eignes, er verbindet die Parteien nicht, sondern er trennt sie; er tritt dem Borger, den er von der Kapitalbörse fernhält, als Darleiher gegenüber und beutet dabei seine günstige Lage und seine Macht ohne Rücksicht aus. Dann erscheint er auf der Börse und bietet seine Waare, die Partialscheine, aus, um nun bei den Kapitalisten zu verdienen. Dies ist nicht wirtschaftliche Vermittlung, sondern Ausbeutung. Für das, was der Bankier verdiente, hat er keinen Gegenwert geliefert, er nimmt es von der Substanz des Kapitals, und um soviel er reicher geworden ist, um ebensoviel sind andre ärmer geworden. Aber die Welt ist hieran gewöhnt. Das Großkapital hat das Publikum zuerst mit großen Geschäften bekannt gemacht, und das Privat¬ kapital ahnt es kaum, in welcher Weise es ausgebeutet wird. Der Jagd der Bankiers auf die unselbständigen Privatkapitalien kommt die Zwangslage der letztern ans halbem Wege entgegen, weil sich infolge ununter¬ brochener Neubildung von Kapitalien, sowie durch die Rückzahlung aus ange¬ legten Kapitalien fortwährend baares Geld an der Börse häuft, welches Anlage sucht und auf das Kvmmaudowort der Großen wartet. Die Bande, in welchen die allmächtigen Geldfürsten den Kapitalmarkt, Nach¬ frage und Angebot gefesselt halten, sind so fest, daß es uur selten gelingt, sich ihrer zu entledigen. Frankreich und England haben unter günstigen Konjunk¬ turen gelungene Versuche gemacht, Aulcheu mit Umgehung der Bankiers direkt an die Börse zu bringen, und während ich dieses schreibe, werden die deutschen Börsen, wie es heißt, in der That aber nicht diese, sondern die beiseite gelassenen Bankiers überrascht und höchlichst verstimmt durch das Vorgehen der preußischen Regierung, welche neue Z^prozentige Obligationen durch ihre Agenten ohne sonstige Vermittlung an der Börse verkaufen läßt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/564>, abgerufen am 28.07.2024.