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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Vor Notstand des Privatkapitals.

horse.") Auch hier jedoch würde, wie auf dem Sachgütermarkte, die Befriedigung
der Nachfrage und des Angebotes vom Zufalle abhängen, auch hier würde der
(Miet-) Preis des Geldes, der Zins, wegen des zufälligen Überwiegeus der
einen oder der andern Partei deu größten und verderblichsten Schwankungen
unterliegen und jeder Stetigkeit entbehren, wenn die Spekulation nicht dazwischen¬
träte, d, h. wenn es nicht eine Klasse von Vörsenbesnchcrn gäbe, die an und
für sich weder verleihen noch entlehnen wollen, aber zu beidem bereit sind, wenn
sich dazu eine günstige Gelegenheit bietet: zum Darleihen, wenn die Nachfrage
nach Kapital, zum Entlehnen, wenn das Angebot überwiegt. Auch diese Speku¬
lanten sind demnach, wie ans dem Sachgütermarkte, ein nützliches, notwendiges,
ja unentbehrliches Element, so lange sie nur das wirkliche Angebot und die
wirkliche Nachfrage zum Gegenstände ihrer Operationen machen. Ein schädlicher,
verwerflicher Auswuchs werden sie erst dann, wenn sie unter sich und ohne
Rücksicht auf die wirklich an der Börse Verwendung suchenden oder zur Ver¬
wendung gesuchten Kapitalien handeln. Transaktionen der letztern Art ent¬
behren der positiven Grundlage, sind also nur Spiel, Wette, reine Differenz¬
geschäfte und als solche ein Krebsschaden der Kapitalbörse.

Mau wird bemerken, daß bis hierher Sachgütermarkt und Geldbörse ein
vollkommen analoges Verhalten zeigen.*")

Allein an der Geldbörse begegnen wir noch einer weiteren Klasse von Be¬
suchern. Es sind in der Regel vornehme Herren; mit Orden und Titeln ge¬
schmückt, kommen sie in eleganter Equipage angefahren, halten sich im Vörfeu-
saale in vornehmer Entfernung von dem Gewühle der Handelnden; scheinbar
teilnahmlose Zuschauer, sind sie gleichwohl die eigentlichen Beherrscher der Börse.
Diese großen Herren, die wir als Geldfürsten bezeichnen können und die sich
selbst die Imuto llirMev nennen, machen zwar auch aus eignem Bedarf oder im
Auftrage ihrer Kunden gelegentlich wirkliche Kaufgeschäfte oder spekuliren auf
die natürlichen Schwankungen des Marktes; sie enthalten sich aber des Spiels
und der Differenzgcschäfte, obwohl viele unter ihnen eben hierdurch empor¬
gekommen sind. Ihr Streben ist vielmehr nur auf Beherrschung der Börse ge¬
richtet, ans Ausbeutung des gesamten Volkskapitals, das an die Börse kommt,
als dessen Häupter und absolute Herren sie sich betrachten. Es ist nötig, daß
wir ihre Stellung, ihr Verhalten und Verfahren, das unsrer Zeit ihr eigent¬
liches wirtschaftliches Gepräge giebt, einer näheren Betrachtung unterwerfen.




Die Börse hat zwar mich noch andre Funktionen, z. B. die Vermittlung von
Zahlungen; diese können aber für unsre Zwecke außer Betracht bleiben.
Auch hier könnte mau den Unfug gewahren lassen, wenn er sich außerhalb der
Börse vollzöge und damit der Einfluß auf die allgemeine Preisbildung verhindert wiirde.
Vielleicht ist dies der eigentliche Grund, warum in Puris die reinen Spiel- und Welt'
geschNftc (im Prinzip) in die sogenannte Coulisse und auf das Trottoir vor der Börse ver¬
wiesen sind.
Vor Notstand des Privatkapitals.

horse.") Auch hier jedoch würde, wie auf dem Sachgütermarkte, die Befriedigung
der Nachfrage und des Angebotes vom Zufalle abhängen, auch hier würde der
(Miet-) Preis des Geldes, der Zins, wegen des zufälligen Überwiegeus der
einen oder der andern Partei deu größten und verderblichsten Schwankungen
unterliegen und jeder Stetigkeit entbehren, wenn die Spekulation nicht dazwischen¬
träte, d, h. wenn es nicht eine Klasse von Vörsenbesnchcrn gäbe, die an und
für sich weder verleihen noch entlehnen wollen, aber zu beidem bereit sind, wenn
sich dazu eine günstige Gelegenheit bietet: zum Darleihen, wenn die Nachfrage
nach Kapital, zum Entlehnen, wenn das Angebot überwiegt. Auch diese Speku¬
lanten sind demnach, wie ans dem Sachgütermarkte, ein nützliches, notwendiges,
ja unentbehrliches Element, so lange sie nur das wirkliche Angebot und die
wirkliche Nachfrage zum Gegenstände ihrer Operationen machen. Ein schädlicher,
verwerflicher Auswuchs werden sie erst dann, wenn sie unter sich und ohne
Rücksicht auf die wirklich an der Börse Verwendung suchenden oder zur Ver¬
wendung gesuchten Kapitalien handeln. Transaktionen der letztern Art ent¬
behren der positiven Grundlage, sind also nur Spiel, Wette, reine Differenz¬
geschäfte und als solche ein Krebsschaden der Kapitalbörse.

Mau wird bemerken, daß bis hierher Sachgütermarkt und Geldbörse ein
vollkommen analoges Verhalten zeigen.*")

Allein an der Geldbörse begegnen wir noch einer weiteren Klasse von Be¬
suchern. Es sind in der Regel vornehme Herren; mit Orden und Titeln ge¬
schmückt, kommen sie in eleganter Equipage angefahren, halten sich im Vörfeu-
saale in vornehmer Entfernung von dem Gewühle der Handelnden; scheinbar
teilnahmlose Zuschauer, sind sie gleichwohl die eigentlichen Beherrscher der Börse.
Diese großen Herren, die wir als Geldfürsten bezeichnen können und die sich
selbst die Imuto llirMev nennen, machen zwar auch aus eignem Bedarf oder im
Auftrage ihrer Kunden gelegentlich wirkliche Kaufgeschäfte oder spekuliren auf
die natürlichen Schwankungen des Marktes; sie enthalten sich aber des Spiels
und der Differenzgcschäfte, obwohl viele unter ihnen eben hierdurch empor¬
gekommen sind. Ihr Streben ist vielmehr nur auf Beherrschung der Börse ge¬
richtet, ans Ausbeutung des gesamten Volkskapitals, das an die Börse kommt,
als dessen Häupter und absolute Herren sie sich betrachten. Es ist nötig, daß
wir ihre Stellung, ihr Verhalten und Verfahren, das unsrer Zeit ihr eigent¬
liches wirtschaftliches Gepräge giebt, einer näheren Betrachtung unterwerfen.




Die Börse hat zwar mich noch andre Funktionen, z. B. die Vermittlung von
Zahlungen; diese können aber für unsre Zwecke außer Betracht bleiben.
Auch hier könnte mau den Unfug gewahren lassen, wenn er sich außerhalb der
Börse vollzöge und damit der Einfluß auf die allgemeine Preisbildung verhindert wiirde.
Vielleicht ist dies der eigentliche Grund, warum in Puris die reinen Spiel- und Welt'
geschNftc (im Prinzip) in die sogenannte Coulisse und auf das Trottoir vor der Börse ver¬
wiesen sind.
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[0560] Vor Notstand des Privatkapitals. horse.") Auch hier jedoch würde, wie auf dem Sachgütermarkte, die Befriedigung der Nachfrage und des Angebotes vom Zufalle abhängen, auch hier würde der (Miet-) Preis des Geldes, der Zins, wegen des zufälligen Überwiegeus der einen oder der andern Partei deu größten und verderblichsten Schwankungen unterliegen und jeder Stetigkeit entbehren, wenn die Spekulation nicht dazwischen¬ träte, d, h. wenn es nicht eine Klasse von Vörsenbesnchcrn gäbe, die an und für sich weder verleihen noch entlehnen wollen, aber zu beidem bereit sind, wenn sich dazu eine günstige Gelegenheit bietet: zum Darleihen, wenn die Nachfrage nach Kapital, zum Entlehnen, wenn das Angebot überwiegt. Auch diese Speku¬ lanten sind demnach, wie ans dem Sachgütermarkte, ein nützliches, notwendiges, ja unentbehrliches Element, so lange sie nur das wirkliche Angebot und die wirkliche Nachfrage zum Gegenstände ihrer Operationen machen. Ein schädlicher, verwerflicher Auswuchs werden sie erst dann, wenn sie unter sich und ohne Rücksicht auf die wirklich an der Börse Verwendung suchenden oder zur Ver¬ wendung gesuchten Kapitalien handeln. Transaktionen der letztern Art ent¬ behren der positiven Grundlage, sind also nur Spiel, Wette, reine Differenz¬ geschäfte und als solche ein Krebsschaden der Kapitalbörse. Mau wird bemerken, daß bis hierher Sachgütermarkt und Geldbörse ein vollkommen analoges Verhalten zeigen.*") Allein an der Geldbörse begegnen wir noch einer weiteren Klasse von Be¬ suchern. Es sind in der Regel vornehme Herren; mit Orden und Titeln ge¬ schmückt, kommen sie in eleganter Equipage angefahren, halten sich im Vörfeu- saale in vornehmer Entfernung von dem Gewühle der Handelnden; scheinbar teilnahmlose Zuschauer, sind sie gleichwohl die eigentlichen Beherrscher der Börse. Diese großen Herren, die wir als Geldfürsten bezeichnen können und die sich selbst die Imuto llirMev nennen, machen zwar auch aus eignem Bedarf oder im Auftrage ihrer Kunden gelegentlich wirkliche Kaufgeschäfte oder spekuliren auf die natürlichen Schwankungen des Marktes; sie enthalten sich aber des Spiels und der Differenzgcschäfte, obwohl viele unter ihnen eben hierdurch empor¬ gekommen sind. Ihr Streben ist vielmehr nur auf Beherrschung der Börse ge¬ richtet, ans Ausbeutung des gesamten Volkskapitals, das an die Börse kommt, als dessen Häupter und absolute Herren sie sich betrachten. Es ist nötig, daß wir ihre Stellung, ihr Verhalten und Verfahren, das unsrer Zeit ihr eigent¬ liches wirtschaftliches Gepräge giebt, einer näheren Betrachtung unterwerfen. Die Börse hat zwar mich noch andre Funktionen, z. B. die Vermittlung von Zahlungen; diese können aber für unsre Zwecke außer Betracht bleiben. Auch hier könnte mau den Unfug gewahren lassen, wenn er sich außerhalb der Börse vollzöge und damit der Einfluß auf die allgemeine Preisbildung verhindert wiirde. Vielleicht ist dies der eigentliche Grund, warum in Puris die reinen Spiel- und Welt' geschNftc (im Prinzip) in die sogenannte Coulisse und auf das Trottoir vor der Börse ver¬ wiesen sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/560>, abgerufen am 28.07.2024.