Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Der Notstand des ^"rivatkapitals. die weniger bemittelten noch unzählige andre Anstalten, Kassen, Genossen¬ Mag nun dies Miteigentum noch so ungleich verteilt sein, so bleibt es Der Notstand des ^»rivatkapitals. die weniger bemittelten noch unzählige andre Anstalten, Kassen, Genossen¬ Mag nun dies Miteigentum noch so ungleich verteilt sein, so bleibt es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196654"/> <fw type="header" place="top"> Der Notstand des ^»rivatkapitals.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2097" prev="#ID_2096"> die weniger bemittelten noch unzählige andre Anstalten, Kassen, Genossen¬<lb/> schaften, Verbindungen bestehen, welche kleinere Beiträge zu den verschieden¬<lb/> artigsten Zwecken sammeln und als Kapitalien ausleihen, und endlich daß von<lb/> den 40 Millionen Menschen, die das fragliche Gebiet bewohnen, ein Dritten<lb/> .Kinder unter vierzehn Jahren sind, von welchen man keine Ersparnisse zu er¬<lb/> warten hat, so wird man zugeben müssen, daß mehr oder weniger doch beinahe<lb/> das ganze Volk oder doch dessen sehr große Mehrzahl bei der Kapitalbildnng<lb/> beteiligt ist, also nicht bloß als Nutznießer, sondern anch als Miteigentümer des<lb/> Nationalkapitals zu gelten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2098" next="#ID_2099"> Mag nun dies Miteigentum noch so ungleich verteilt sein, so bleibt es<lb/> doch unleugbar, daß alle mitleiden, wenn die Bedingungen, unter welchen das<lb/> Kapital steht, ungünstig, und ebenso, daß alle Vorteil haben, wenn diese Be¬<lb/> dingungen günstig sind, und daß deshalb ein Interessenkampf, der gegen die<lb/> Kapitalisten als Klasse gerichtet wird, durchaus ungerechtfertigt und wider¬<lb/> sinnig ist, daß daher diejenigen, welche solchen Kampf führen, nur etwa den<lb/> absolut Besitzlosen möglicherweise und jedenfalls nur vorübergehend nutzen können,<lb/> allen andern aber notwendig schaden müssen. Mag immerhin das Streben der<lb/> kleinsten Kapitalisten dahin gerichtet sein, dnrch irgendwelche Mittel uns Kosten<lb/> der größern Kapitalisten einen erhöhten Anteil an dem Gesamtkapital zu er¬<lb/> langen, so bleibt es doch gleichsam ein Streit innerhalb der Familie, welche<lb/> alle Kapitalisten umfaßt und deren gemeinsames Interesse es ist, daß Kapital<lb/> unter günstigen Verhältnissen bestehe, d, h. daß es Sicherheit und angemessenes<lb/> Erträgnis genieße. Diejenigen, welche dagegen einen wahren Interessenkampf<lb/> zwischen Arbeit und Kapital für einen naturgemäßen Zustand, ja anch nur<lb/> grundsätzlich für berechtigt halten, sind in dem Irrtume befangen, daß Arbeiter<lb/> und Kapitalisten zwei getrennte, sich einander ausschließende Klassen seien; sie<lb/> übersehen, daß fast jeder Arbeiter ein Kapitalist, wenigstens an einem Kapital<lb/> beteiligt und jeder Kapitalist zugleich ein Arbeiter ist, und sie übersehen, wie<lb/> wir schon bemerkten, daß die Unterscheidungen und Trennungen, die wir<lb/> vermöge der beschränkten Beschaffenheit unsers Begriffsvermögens bei wissen¬<lb/> schaftlichen Untersuchungen zu machen genötigt sind, indem wir die Erschei¬<lb/> nungen nach einander von ihren verschiednen Seiten betrachten — daß diese<lb/> Trennungen eben nur geistige Operationen sind und in Wirklichkeit nicht oder<lb/> doch nicht immer bestehen. In der That sind ja Arbeit und Kapital nur zwei<lb/> Seiten des wirtschaftlichen Lebens, von denen keine ohne die andre denkbar<lb/> ist. Das Kapital kann nicht ohne die Arbeit bestehen, welche allein es nutzbar<lb/> macht, die Arbeit nicht ohne das Kapital, welches ihr die Bedingungen ihrer<lb/> Möglichkeit liefert, Rohstoff, Werkzeug, Unterhalt. Auch ist ja das Ka¬<lb/> pital nichts andres als Frucht der Arbeit von gestern, und diese Frucht er¬<lb/> strebt jede gegenwärtige Arbeit, nämlich Überschuß ihres Erfolges über den<lb/> Aufwand. Das Kapital, der Arbeitserfolg der Vergangenheit, ist das Fuuda-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0554]
Der Notstand des ^»rivatkapitals.
die weniger bemittelten noch unzählige andre Anstalten, Kassen, Genossen¬
schaften, Verbindungen bestehen, welche kleinere Beiträge zu den verschieden¬
artigsten Zwecken sammeln und als Kapitalien ausleihen, und endlich daß von
den 40 Millionen Menschen, die das fragliche Gebiet bewohnen, ein Dritten
.Kinder unter vierzehn Jahren sind, von welchen man keine Ersparnisse zu er¬
warten hat, so wird man zugeben müssen, daß mehr oder weniger doch beinahe
das ganze Volk oder doch dessen sehr große Mehrzahl bei der Kapitalbildnng
beteiligt ist, also nicht bloß als Nutznießer, sondern anch als Miteigentümer des
Nationalkapitals zu gelten hat.
Mag nun dies Miteigentum noch so ungleich verteilt sein, so bleibt es
doch unleugbar, daß alle mitleiden, wenn die Bedingungen, unter welchen das
Kapital steht, ungünstig, und ebenso, daß alle Vorteil haben, wenn diese Be¬
dingungen günstig sind, und daß deshalb ein Interessenkampf, der gegen die
Kapitalisten als Klasse gerichtet wird, durchaus ungerechtfertigt und wider¬
sinnig ist, daß daher diejenigen, welche solchen Kampf führen, nur etwa den
absolut Besitzlosen möglicherweise und jedenfalls nur vorübergehend nutzen können,
allen andern aber notwendig schaden müssen. Mag immerhin das Streben der
kleinsten Kapitalisten dahin gerichtet sein, dnrch irgendwelche Mittel uns Kosten
der größern Kapitalisten einen erhöhten Anteil an dem Gesamtkapital zu er¬
langen, so bleibt es doch gleichsam ein Streit innerhalb der Familie, welche
alle Kapitalisten umfaßt und deren gemeinsames Interesse es ist, daß Kapital
unter günstigen Verhältnissen bestehe, d, h. daß es Sicherheit und angemessenes
Erträgnis genieße. Diejenigen, welche dagegen einen wahren Interessenkampf
zwischen Arbeit und Kapital für einen naturgemäßen Zustand, ja anch nur
grundsätzlich für berechtigt halten, sind in dem Irrtume befangen, daß Arbeiter
und Kapitalisten zwei getrennte, sich einander ausschließende Klassen seien; sie
übersehen, daß fast jeder Arbeiter ein Kapitalist, wenigstens an einem Kapital
beteiligt und jeder Kapitalist zugleich ein Arbeiter ist, und sie übersehen, wie
wir schon bemerkten, daß die Unterscheidungen und Trennungen, die wir
vermöge der beschränkten Beschaffenheit unsers Begriffsvermögens bei wissen¬
schaftlichen Untersuchungen zu machen genötigt sind, indem wir die Erschei¬
nungen nach einander von ihren verschiednen Seiten betrachten — daß diese
Trennungen eben nur geistige Operationen sind und in Wirklichkeit nicht oder
doch nicht immer bestehen. In der That sind ja Arbeit und Kapital nur zwei
Seiten des wirtschaftlichen Lebens, von denen keine ohne die andre denkbar
ist. Das Kapital kann nicht ohne die Arbeit bestehen, welche allein es nutzbar
macht, die Arbeit nicht ohne das Kapital, welches ihr die Bedingungen ihrer
Möglichkeit liefert, Rohstoff, Werkzeug, Unterhalt. Auch ist ja das Ka¬
pital nichts andres als Frucht der Arbeit von gestern, und diese Frucht er¬
strebt jede gegenwärtige Arbeit, nämlich Überschuß ihres Erfolges über den
Aufwand. Das Kapital, der Arbeitserfolg der Vergangenheit, ist das Fuuda-
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