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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Kasse Ali nutzbringender Verwendung hingeleitet. Erst jetzt konnte Wohlstand
allgemein werden, und erst jetzt konnten zahlreiche großartige Unternehmungen
ausgeführt werden und dadurch solche Massen von Arbeitern beschäftigt werden,
wie es heute der Fall ist.

Es verdient indessen hervorgehoben zu werden, daß die Personen, welche
infolge der leichten Geldanlage Kapitalisten geworden sind oder werden können,
nicht alle so behäbige Leute sind wie der Vater des Dichters Pope mit seiner
Kasse von 400 000 Mark, und daß leichte Gelegenheit zur Geldanlage nicht ledig¬
lich der Kontrahirnng der Staatsschulden beizumessen ist.

Vor der Zeit, welche wir, um nus nicht auf Zahlen einlassen zu müssen,
die moderne nennen wollen, spielte der Tauschhandel auch im gewöhnlichen
Leben eine größere Rolle; eine unendliche Menge der bestehenden Verpflichtungen
wurde durch Lieferung von Wirtschaftsprodukten, durch persönliche Dienst- oder
andre Naturalleistungen ausgeglichen. Erst als die moderne Welt von der Na¬
turell- zur Geldwirtschaft überging, gewann das Geld als Repräsentant aller
Güter und Leistungen jene souveräne Bedeutung, die es heute hat. Geld ist
zum Betriebe jedes Geschäftes erforderlich und daher allgemein begehrt; die An¬
lage ist also ohne Schwierigkeit für den Kapitalisten, insofern nur sein Vorrat
groß genug ist. um den Zwecken eines Eutlehners zu entsprechen. Es ist nicht
möglich, ziffermäßig zu bestimmen, welche Größe eine Summe haben muß, um
als Kapital ausgeliehen zu werden. Es genügt zu sagen, daß kleine Beträge
so lange zusammengelegt werden müssen, bis sie anlngefähig werden. Mit diesem
Geschäfte des Zusammenlegens befassen sich die verschiedenartigsten Personen
und Anstalten. Wir wollen hier aber uur die Sparkassen ins Ange fassen,
weil sie die kleinsten Überschüsse sammeln und weil sie von bürgerlichen Kreisen
benutzt werden, in welchen man die Kapitalisten sonst nicht zu suchen pflegt.
Wir wählen diese Anstalten auch deshalb, weil ihr Betrieb ganz offen zutage liegt.

Ganz Deutschland, mit Ausnahme Baierns, hatte 1871 ("ach der Le-MMans
intörn^tionÄo, Rom, 1876) in seinen Sparkassen ein Kapital von 1553111 119
Mark liegen. Aber bereits 1884 betrug die Kapitalschuld der preußische"? Spar¬
kassen allein 1965 722 265 Mark und diejenige der tgi. sächsischen im Jahre 1881
rund 350 Millionen, beider Länder zusammen, Preußen und Sachsen, also
2365 Millionen Mark. Angenommen, der Zuwachs in den übrigen deutschen
Staaten habe in gleichem Maße stattgefunden, so würde das Sparkassenkapital
Gesamtdeutschlands (außer Baiern) etwa 3300 Millionen Mark gegen rund
1553 im Jahre 1871 betragen. Es würden demnach, wenn wir 200 Mark als
durchschnittliche Einlage annehmen, die Sparkassen von Deutschland, ohne Baiern,
von I61/2 Millionen Einlegern benutzt, auf eine Bevölkerung von 40 Millionen
Seelen!

Erwägt man nun, daß die höher im Wohlstande stehenden Klassen sich
nicht der Sparkassen zur Verwaltung ihrer Ersparnisse bediene", ferner daß für


Ärenzboten III. 1885. 6y

Kasse Ali nutzbringender Verwendung hingeleitet. Erst jetzt konnte Wohlstand
allgemein werden, und erst jetzt konnten zahlreiche großartige Unternehmungen
ausgeführt werden und dadurch solche Massen von Arbeitern beschäftigt werden,
wie es heute der Fall ist.

Es verdient indessen hervorgehoben zu werden, daß die Personen, welche
infolge der leichten Geldanlage Kapitalisten geworden sind oder werden können,
nicht alle so behäbige Leute sind wie der Vater des Dichters Pope mit seiner
Kasse von 400 000 Mark, und daß leichte Gelegenheit zur Geldanlage nicht ledig¬
lich der Kontrahirnng der Staatsschulden beizumessen ist.

Vor der Zeit, welche wir, um nus nicht auf Zahlen einlassen zu müssen,
die moderne nennen wollen, spielte der Tauschhandel auch im gewöhnlichen
Leben eine größere Rolle; eine unendliche Menge der bestehenden Verpflichtungen
wurde durch Lieferung von Wirtschaftsprodukten, durch persönliche Dienst- oder
andre Naturalleistungen ausgeglichen. Erst als die moderne Welt von der Na¬
turell- zur Geldwirtschaft überging, gewann das Geld als Repräsentant aller
Güter und Leistungen jene souveräne Bedeutung, die es heute hat. Geld ist
zum Betriebe jedes Geschäftes erforderlich und daher allgemein begehrt; die An¬
lage ist also ohne Schwierigkeit für den Kapitalisten, insofern nur sein Vorrat
groß genug ist. um den Zwecken eines Eutlehners zu entsprechen. Es ist nicht
möglich, ziffermäßig zu bestimmen, welche Größe eine Summe haben muß, um
als Kapital ausgeliehen zu werden. Es genügt zu sagen, daß kleine Beträge
so lange zusammengelegt werden müssen, bis sie anlngefähig werden. Mit diesem
Geschäfte des Zusammenlegens befassen sich die verschiedenartigsten Personen
und Anstalten. Wir wollen hier aber uur die Sparkassen ins Ange fassen,
weil sie die kleinsten Überschüsse sammeln und weil sie von bürgerlichen Kreisen
benutzt werden, in welchen man die Kapitalisten sonst nicht zu suchen pflegt.
Wir wählen diese Anstalten auch deshalb, weil ihr Betrieb ganz offen zutage liegt.

Ganz Deutschland, mit Ausnahme Baierns, hatte 1871 (»ach der Le-MMans
intörn^tionÄo, Rom, 1876) in seinen Sparkassen ein Kapital von 1553111 119
Mark liegen. Aber bereits 1884 betrug die Kapitalschuld der preußische«? Spar¬
kassen allein 1965 722 265 Mark und diejenige der tgi. sächsischen im Jahre 1881
rund 350 Millionen, beider Länder zusammen, Preußen und Sachsen, also
2365 Millionen Mark. Angenommen, der Zuwachs in den übrigen deutschen
Staaten habe in gleichem Maße stattgefunden, so würde das Sparkassenkapital
Gesamtdeutschlands (außer Baiern) etwa 3300 Millionen Mark gegen rund
1553 im Jahre 1871 betragen. Es würden demnach, wenn wir 200 Mark als
durchschnittliche Einlage annehmen, die Sparkassen von Deutschland, ohne Baiern,
von I61/2 Millionen Einlegern benutzt, auf eine Bevölkerung von 40 Millionen
Seelen!

Erwägt man nun, daß die höher im Wohlstande stehenden Klassen sich
nicht der Sparkassen zur Verwaltung ihrer Ersparnisse bediene«, ferner daß für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/553>, abgerufen am 25.11.2024.