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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentralasien.

können. Desgleichen ist der Heertveg am Herirud aufwärts mit und ohne Zal-
fikar jetzt vollständig in der Gewalt der Nüssen. Ans englischer Seite besitzt
niam, abgesehen von dem, waS in Afghanistan versprochen sein mag, Qucttah
und Pischin, und ist eifrig dariibcr her, eine provisorische Eisenbahn zur Be-
förderung von Truppen nach Norden zu bauen, welche den Bolanpaß, dnrch
den der nächste Weg sührt, wo aber eine Eisenbahn leicht zu verstopfen wäre,
umgehen soll. Jene Bahn sollte längst fertig "ud im Betriebe sein. Quettah
hat den Maugel, daß es uicht alle Pässe deS Gebirgszuges von Velndschistan
deckt. Keine Stellung entspricht diesem Zwecke als die von Kaudahnr, und so
war schon mehrfach davon die Rede, es sollte hier ein britisches Standlager von
10000 Mann errichtet werde". Wir halten dies für mindestens verfrüht; denn
Salisbury würde dann die Absicht habe", den Krieg mit Nußland zu beschleunigen,
"ud dies kauu er wenigstens uicht vor dem Ausgange der englische" Wahlen wagen.
Es scheint sich von selbst zu verstehen, daß Rußland sich zum Einrücken eines
britischen Heeres in die zweite Hauptstadt der Afghanen nicht gleichgiltig Ver¬
halten könnte. Selbst wenn dieses Ereignis nach friedlicher Beendigung der
jetzt schwebenden Verhandlungen über die Nvrdwesigreuze Afghanistans statt¬
fände, würde die unausbleibliche Folge sei", daß die Russen unverweilt nach
Herat marschirten nud es als Äquivalent für Kandahar in Besitz nähmen.
Kehren wir nach Qucttah zurück, so bietet es trotz jenes Mangels als vorge¬
schobner Posten ans der zum Indus führenden Linie große Vorteile. Man
beabsichtigt die Verbindnngsstraßen ans beiden Ufern des Indus weiter aus¬
zubauen und den Strom zu überbrücke"; die Wege zwischen Mullan und Lahore
sollen vermehrt und verbessert werden, auch die Dampfcrflvttc des Flusses wird
eine wesentliche Vermehrung erfahren. Alle diese Maßregeln werden deu in¬
dischen Finanzen schweres Geld kosten, aber sie sind bei weitem noch nicht alles,
was die Annäherung der Russen dringend verlangt. Man wird die eingeborne
Armee Indiens wesentlich verstärken müssen, und da dieselbe allein nicht genügt
und unzuverlässig werden kann, auch die Regimenter, die ans Europäern zu¬
sammengesetzt siud. Die indische Regierung wird hinfort, wenn sie wvhlgerüstet
sein will, eine beträchtliche, leicht bewegliche Streitkraft zwischen Karradschi am
Ausflüsse des Indus, Delhi und Pcschawcr ans den Beinen halten müssen, die
einen starken Vorposten ans den Bergen von Chelat an der nach Norden ge¬
richteten Spitze hat. Die Arsenale und Magazine müssen gefüllt werden und
gefüllt bleiben, man muß Pferde, Elephanten und Packochsen in hinreichender
Menge bereit halten, wenn mau einem Angriffe, der sehr bald und der über
Nacht erfolgen kann, wenn die Verhältnisse sich noch mehr gespannt haben, mit
Aussicht auf Erfolg zu begegnen imstande sein will.

Wie verschieden von dein einst nach außen hiu friedlichen Zustande In¬
diens sind die Verhältnisse, welche jetzt die Verwaltung des asiatischen Reiches
der Königin Viktoria umgeben! In der That, die Herren sind nicht ans Rosen


GrmMm til. 1S8Ü, V8
Die Russen in Zentralasien.

können. Desgleichen ist der Heertveg am Herirud aufwärts mit und ohne Zal-
fikar jetzt vollständig in der Gewalt der Nüssen. Ans englischer Seite besitzt
niam, abgesehen von dem, waS in Afghanistan versprochen sein mag, Qucttah
und Pischin, und ist eifrig dariibcr her, eine provisorische Eisenbahn zur Be-
förderung von Truppen nach Norden zu bauen, welche den Bolanpaß, dnrch
den der nächste Weg sührt, wo aber eine Eisenbahn leicht zu verstopfen wäre,
umgehen soll. Jene Bahn sollte längst fertig »ud im Betriebe sein. Quettah
hat den Maugel, daß es uicht alle Pässe deS Gebirgszuges von Velndschistan
deckt. Keine Stellung entspricht diesem Zwecke als die von Kaudahnr, und so
war schon mehrfach davon die Rede, es sollte hier ein britisches Standlager von
10000 Mann errichtet werde». Wir halten dies für mindestens verfrüht; denn
Salisbury würde dann die Absicht habe», den Krieg mit Nußland zu beschleunigen,
»ud dies kauu er wenigstens uicht vor dem Ausgange der englische» Wahlen wagen.
Es scheint sich von selbst zu verstehen, daß Rußland sich zum Einrücken eines
britischen Heeres in die zweite Hauptstadt der Afghanen nicht gleichgiltig Ver¬
halten könnte. Selbst wenn dieses Ereignis nach friedlicher Beendigung der
jetzt schwebenden Verhandlungen über die Nvrdwesigreuze Afghanistans statt¬
fände, würde die unausbleibliche Folge sei», daß die Russen unverweilt nach
Herat marschirten nud es als Äquivalent für Kandahar in Besitz nähmen.
Kehren wir nach Qucttah zurück, so bietet es trotz jenes Mangels als vorge¬
schobner Posten ans der zum Indus führenden Linie große Vorteile. Man
beabsichtigt die Verbindnngsstraßen ans beiden Ufern des Indus weiter aus¬
zubauen und den Strom zu überbrücke»; die Wege zwischen Mullan und Lahore
sollen vermehrt und verbessert werden, auch die Dampfcrflvttc des Flusses wird
eine wesentliche Vermehrung erfahren. Alle diese Maßregeln werden deu in¬
dischen Finanzen schweres Geld kosten, aber sie sind bei weitem noch nicht alles,
was die Annäherung der Russen dringend verlangt. Man wird die eingeborne
Armee Indiens wesentlich verstärken müssen, und da dieselbe allein nicht genügt
und unzuverlässig werden kann, auch die Regimenter, die ans Europäern zu¬
sammengesetzt siud. Die indische Regierung wird hinfort, wenn sie wvhlgerüstet
sein will, eine beträchtliche, leicht bewegliche Streitkraft zwischen Karradschi am
Ausflüsse des Indus, Delhi und Pcschawcr ans den Beinen halten müssen, die
einen starken Vorposten ans den Bergen von Chelat an der nach Norden ge¬
richteten Spitze hat. Die Arsenale und Magazine müssen gefüllt werden und
gefüllt bleiben, man muß Pferde, Elephanten und Packochsen in hinreichender
Menge bereit halten, wenn mau einem Angriffe, der sehr bald und der über
Nacht erfolgen kann, wenn die Verhältnisse sich noch mehr gespannt haben, mit
Aussicht auf Erfolg zu begegnen imstande sein will.

Wie verschieden von dein einst nach außen hiu friedlichen Zustande In¬
diens sind die Verhältnisse, welche jetzt die Verwaltung des asiatischen Reiches
der Königin Viktoria umgeben! In der That, die Herren sind nicht ans Rosen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/545>, abgerufen am 24.11.2024.