Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Englische Musik. stärkere Mittel als auf dem Kviitiiient. Wir finde", daß in den großen Zei¬ Zu den Zeiten der (juovn IZoss galt England für das musiklustigste Land Englische Musik. stärkere Mittel als auf dem Kviitiiient. Wir finde», daß in den großen Zei¬ Zu den Zeiten der (juovn IZoss galt England für das musiklustigste Land <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0534" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196634"/> <fw type="header" place="top"> Englische Musik.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2038" prev="#ID_2037"> stärkere Mittel als auf dem Kviitiiient. Wir finde», daß in den großen Zei¬<lb/> tungen ein einzelnes Konzert fünf- bis achtmal hinter einander auf derselben<lb/> Spalte in kleinen Variationen aunoncirt wird, ja die Namen der großen Vir¬<lb/> tuosen werden von Dienstmännern auf Tafeln durch die Straßen getragen —<lb/> man neunt diese Auuvneeumminer Sandwiches. Aber an Zartgefühl und Takt<lb/> in diesem Rellamewesen sind wir den Euglnndcru seit der Einführung der Konzert-<lb/> agentnrcn in Deutschland sicher nicht mehr voraus.</p><lb/> <p xml:id="ID_2039" next="#ID_2040"> Zu den Zeiten der (juovn IZoss galt England für das musiklustigste Land<lb/> der Erde, Mit Neid sprach mau auswärts von der großen Zahl der dort<lb/> befindlichen Nirginals (Klaviere). Auch heute noch wird in den englischen<lb/> Häusern sehr viel gespielt und gesungen — nur das Wie und das Was siud<lb/> etwas zweifelhafter Natur. Über letzteres orientirt mau sich schnell, aber wenig<lb/> befriedigend, durch einen Blick in die Verlagsverzcichuisse und in die Schau¬<lb/> fenster der Mnstkladcn — Leihinstitute für Musik giebt es in England nicht.<lb/> Am deutlichsten aber zeigt sich die außerordentliche, große Liebe des englischen<lb/> Volkes zur Musik in der Rolle, welche die Straßeumusik in England spielt.<lb/> Es giebt Zeiten und Orte, wo mau, soweit Häuser stehen, kaum ein ruhiges<lb/> Plätzchen findet. Da lost eine Bande die andre ab, eine größere eine kleinere,<lb/> eine bessere eine schlechtere. Da, wo eben ein Sänger stand, zieht jetzt ein<lb/> Klavierdreher auf — gewöhnlich sind es jene entsetzliche», jetzt much schon in<lb/> Deutschland auftauchenden Leierklavierc; daß eins mit den Händen und noch<lb/> dazu mit geübten musikalischen Händen gespielt wird, ist in der Straßeumusik<lb/> höchst selten. Wunderliche Emsembles begegnen uns: hier ist ein Qnintett<lb/> von vier Trompeten und einem Bombardon, ein Vater mit seinen vier Knaben<lb/> besetzt es, ein kleines dreijähriges Töchterchen schlägt den Triangel dazu; bald<lb/> darauf treffen wir ein Trio von Trompete, Violine und Harmonium in Thätig¬<lb/> keit. Badeorte siud am meisten heimgesucht. Da hört mau ab und zu zwei<lb/> Orchester zu gleicher Zeit spielen, womöglich das eine in in-, das andre in<lb/> L«-clnr, und beide in der Regel mit vielen falschen Tönen. Man trifft unter<lb/> diesen herumziehende» Banden gute, die Mehrzahl ist aber herzlich schlecht.<lb/> Bläser von Mittelstimmen, die ein ganzes Stück hindurch bequcmlichst auf ein<lb/> und demselben Tone bleiben, sind eine häufige Erscheinung. Sie scheinen weder<lb/> die Sicherheit ihrer Mitspieler noch die Geduld des zuhörenden Publikums er¬<lb/> schüttern zu können. Die Mehrzahl dieser Banden kommt ans Deutschland<lb/> oder behauptet dies wenigstens. Als ich einmal den Führer einer solchen<lb/> Kapelle — sie nannte sich Müns-lZiMÄ — wegen des schlechten Spiels intcr-<lb/> Pellirte, erhielt ich als Antwort: „Ja, wir haben so viele Engländer bei uus!"<lb/> Das Allerunerträglichste bei dieser Bandcnmusik ist die Frechheit, mit welcher<lb/> sie die Origiualiuftrumeutirung bekannter Werke ändern. Ob Hochzeitsmarsch<lb/> aus dem Sommernachtstraum, ob ein Hcchdnsches Andante — was es anch<lb/> sei, ohne die Picevlvflöte thun sie es nicht. Dieses vandalische Verhalten gegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0534]
Englische Musik.
stärkere Mittel als auf dem Kviitiiient. Wir finde», daß in den großen Zei¬
tungen ein einzelnes Konzert fünf- bis achtmal hinter einander auf derselben
Spalte in kleinen Variationen aunoncirt wird, ja die Namen der großen Vir¬
tuosen werden von Dienstmännern auf Tafeln durch die Straßen getragen —
man neunt diese Auuvneeumminer Sandwiches. Aber an Zartgefühl und Takt
in diesem Rellamewesen sind wir den Euglnndcru seit der Einführung der Konzert-
agentnrcn in Deutschland sicher nicht mehr voraus.
Zu den Zeiten der (juovn IZoss galt England für das musiklustigste Land
der Erde, Mit Neid sprach mau auswärts von der großen Zahl der dort
befindlichen Nirginals (Klaviere). Auch heute noch wird in den englischen
Häusern sehr viel gespielt und gesungen — nur das Wie und das Was siud
etwas zweifelhafter Natur. Über letzteres orientirt mau sich schnell, aber wenig
befriedigend, durch einen Blick in die Verlagsverzcichuisse und in die Schau¬
fenster der Mnstkladcn — Leihinstitute für Musik giebt es in England nicht.
Am deutlichsten aber zeigt sich die außerordentliche, große Liebe des englischen
Volkes zur Musik in der Rolle, welche die Straßeumusik in England spielt.
Es giebt Zeiten und Orte, wo mau, soweit Häuser stehen, kaum ein ruhiges
Plätzchen findet. Da lost eine Bande die andre ab, eine größere eine kleinere,
eine bessere eine schlechtere. Da, wo eben ein Sänger stand, zieht jetzt ein
Klavierdreher auf — gewöhnlich sind es jene entsetzliche», jetzt much schon in
Deutschland auftauchenden Leierklavierc; daß eins mit den Händen und noch
dazu mit geübten musikalischen Händen gespielt wird, ist in der Straßeumusik
höchst selten. Wunderliche Emsembles begegnen uns: hier ist ein Qnintett
von vier Trompeten und einem Bombardon, ein Vater mit seinen vier Knaben
besetzt es, ein kleines dreijähriges Töchterchen schlägt den Triangel dazu; bald
darauf treffen wir ein Trio von Trompete, Violine und Harmonium in Thätig¬
keit. Badeorte siud am meisten heimgesucht. Da hört mau ab und zu zwei
Orchester zu gleicher Zeit spielen, womöglich das eine in in-, das andre in
L«-clnr, und beide in der Regel mit vielen falschen Tönen. Man trifft unter
diesen herumziehende» Banden gute, die Mehrzahl ist aber herzlich schlecht.
Bläser von Mittelstimmen, die ein ganzes Stück hindurch bequcmlichst auf ein
und demselben Tone bleiben, sind eine häufige Erscheinung. Sie scheinen weder
die Sicherheit ihrer Mitspieler noch die Geduld des zuhörenden Publikums er¬
schüttern zu können. Die Mehrzahl dieser Banden kommt ans Deutschland
oder behauptet dies wenigstens. Als ich einmal den Führer einer solchen
Kapelle — sie nannte sich Müns-lZiMÄ — wegen des schlechten Spiels intcr-
Pellirte, erhielt ich als Antwort: „Ja, wir haben so viele Engländer bei uus!"
Das Allerunerträglichste bei dieser Bandcnmusik ist die Frechheit, mit welcher
sie die Origiualiuftrumeutirung bekannter Werke ändern. Ob Hochzeitsmarsch
aus dem Sommernachtstraum, ob ein Hcchdnsches Andante — was es anch
sei, ohne die Picevlvflöte thun sie es nicht. Dieses vandalische Verhalten gegen
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