Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. stimmt, das persönliche und Eigentumsrecht des Bauers geschützt. Ein neues Weniger anerkennend war die Stimmung im eignen Lande. Den An¬ Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. stimmt, das persönliche und Eigentumsrecht des Bauers geschützt. Ein neues Weniger anerkennend war die Stimmung im eignen Lande. Den An¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196623"/> <fw type="header" place="top"> Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2012" prev="#ID_2011"> stimmt, das persönliche und Eigentumsrecht des Bauers geschützt. Ein neues<lb/> Zivil- und Strafgesetzbuch ward erlassen, das Unterrichtswesen nach neuen Grund¬<lb/> sätzen geregelt, die deutsche Sprache als allgemeine Geschäftssprache eingeführt.<lb/> Am tiefgreifendsten waren jedoch die kirchlichen Reformen, unter denen das<lb/> Moetnin regiuM, das Tolercmzedikt, die Beschränkung der bischöflichen Gewalt<lb/> und die Aufhebung der Klöster obenan stehen. Schade nur, daß diese dringend<lb/> notwendigen Maßregeln zu rasch und gewaltthätig durchgeführt wurden, als<lb/> daß sie in einem Lande wie Österreich, in dem infolge der jahrhundertelangen<lb/> Mißwirtschaft fast alle gesunden Keime abgestorben waren, einen Anspruch auf<lb/> länger» Bestand hätten haben können. Dennoch blieben ihre segensreichen<lb/> Wirkungen nicht aus: wurden auch viele derselben von dem Thronnachfvlger<lb/> wieder aufgehoben, ja mußte sich Joseph selbst zur Zurücknahme mancher der¬<lb/> selben entschließen, so blieben andre doch auch späterhin noch bestehen, wie es<lb/> überhaupt gerade für das alte träge Österreich schon von unermeßlichen Werte<lb/> war, daß einmal von oben herab die Ausrottung der überkommenen Mißstände<lb/> energisch in die Hand genommen wurde. Die Wirkung der josephinischen Re¬<lb/> formen auf die tiefer Gebildeten seiner Zeit schildert uns Herder in den „Briefen<lb/> über die Humanität" in folgenden Worten: „Joseph hat viel, sehr viel und<lb/> weniges müßig gesehen und das Innere seiner Länder bis zum kleinsten Detail<lb/> kennen gelernt. Er wollte nur billiges, nützliches, gutes. Oft war, was er<lb/> wollte, uur die erste Pflicht der Vernunft und Humanität, der gesellschaftlichen<lb/> Rechte. Golden sind seine Grundsätze, die er in mehreren Befehlen äußert, er<lb/> kannte den Quell des Verderbens und nahm sich seiner bis auf den Grund an.<lb/> Jede Saite des menschlichen Elends hat er berührt. Er unterlag nicht der<lb/> Schwachheit der menschlichen Natur, sondern der von Kindheit auf genährten<lb/> Allgewalt des Selbstherrscheus. Nicht das Schicksal, die Natur der Dinge, der<lb/> Wille seiner Unterthanen hat ihn gebeugt. Seine Fehler hat er mit ins Grab<lb/> genommen; das Gute, das er gewollt, wird, obwohl einesteils in zerfallenden<lb/> Resten, bleiben und dereinst glücklicher an den Tag treten, denn es ist dem<lb/> größten Teile nach reines Gute zum Ertrage der Menschheit."</p><lb/> <p xml:id="ID_2013" next="#ID_2014"> Weniger anerkennend war die Stimmung im eignen Lande. Den An¬<lb/> hängern der Aufklärnngstheorien, die gerade damals fast in ganz Europa in<lb/> den Kreisen der Regierenden wie der Regierten tonangebend waren, erschienen<lb/> die josephinischen Reformen als eine Halbheit; der Katholizismus blieb nach<lb/> wie vor die Staatsreligion, der Protestantismus war nur geduldet, der Adel<lb/> noch immer zu sehr begünstigt, die Verwaltung zu scharf und willkürlich. Die<lb/> Anhänger der alten Ordnung wieder erblickten in den Reformen einen Eingriff<lb/> in das göttliche und menschliche Recht, die Vernichtung des Adels, die schranken¬<lb/> lose Freiheit und den Beginn der sozialen Revolution. Die Beamten empfanden<lb/> die gesteigerte Arbeit, die größere Verantwortlichkeit und die strengere Zucht<lb/> als eine Last; der Adel, die Geistlichkeit, die Städte murrten über den Verlust</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0523]
Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.
stimmt, das persönliche und Eigentumsrecht des Bauers geschützt. Ein neues
Zivil- und Strafgesetzbuch ward erlassen, das Unterrichtswesen nach neuen Grund¬
sätzen geregelt, die deutsche Sprache als allgemeine Geschäftssprache eingeführt.
Am tiefgreifendsten waren jedoch die kirchlichen Reformen, unter denen das
Moetnin regiuM, das Tolercmzedikt, die Beschränkung der bischöflichen Gewalt
und die Aufhebung der Klöster obenan stehen. Schade nur, daß diese dringend
notwendigen Maßregeln zu rasch und gewaltthätig durchgeführt wurden, als
daß sie in einem Lande wie Österreich, in dem infolge der jahrhundertelangen
Mißwirtschaft fast alle gesunden Keime abgestorben waren, einen Anspruch auf
länger» Bestand hätten haben können. Dennoch blieben ihre segensreichen
Wirkungen nicht aus: wurden auch viele derselben von dem Thronnachfvlger
wieder aufgehoben, ja mußte sich Joseph selbst zur Zurücknahme mancher der¬
selben entschließen, so blieben andre doch auch späterhin noch bestehen, wie es
überhaupt gerade für das alte träge Österreich schon von unermeßlichen Werte
war, daß einmal von oben herab die Ausrottung der überkommenen Mißstände
energisch in die Hand genommen wurde. Die Wirkung der josephinischen Re¬
formen auf die tiefer Gebildeten seiner Zeit schildert uns Herder in den „Briefen
über die Humanität" in folgenden Worten: „Joseph hat viel, sehr viel und
weniges müßig gesehen und das Innere seiner Länder bis zum kleinsten Detail
kennen gelernt. Er wollte nur billiges, nützliches, gutes. Oft war, was er
wollte, uur die erste Pflicht der Vernunft und Humanität, der gesellschaftlichen
Rechte. Golden sind seine Grundsätze, die er in mehreren Befehlen äußert, er
kannte den Quell des Verderbens und nahm sich seiner bis auf den Grund an.
Jede Saite des menschlichen Elends hat er berührt. Er unterlag nicht der
Schwachheit der menschlichen Natur, sondern der von Kindheit auf genährten
Allgewalt des Selbstherrscheus. Nicht das Schicksal, die Natur der Dinge, der
Wille seiner Unterthanen hat ihn gebeugt. Seine Fehler hat er mit ins Grab
genommen; das Gute, das er gewollt, wird, obwohl einesteils in zerfallenden
Resten, bleiben und dereinst glücklicher an den Tag treten, denn es ist dem
größten Teile nach reines Gute zum Ertrage der Menschheit."
Weniger anerkennend war die Stimmung im eignen Lande. Den An¬
hängern der Aufklärnngstheorien, die gerade damals fast in ganz Europa in
den Kreisen der Regierenden wie der Regierten tonangebend waren, erschienen
die josephinischen Reformen als eine Halbheit; der Katholizismus blieb nach
wie vor die Staatsreligion, der Protestantismus war nur geduldet, der Adel
noch immer zu sehr begünstigt, die Verwaltung zu scharf und willkürlich. Die
Anhänger der alten Ordnung wieder erblickten in den Reformen einen Eingriff
in das göttliche und menschliche Recht, die Vernichtung des Adels, die schranken¬
lose Freiheit und den Beginn der sozialen Revolution. Die Beamten empfanden
die gesteigerte Arbeit, die größere Verantwortlichkeit und die strengere Zucht
als eine Last; der Adel, die Geistlichkeit, die Städte murrten über den Verlust
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