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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Strafen und ^trafabmessung.

le von dem Kaiserlichen Statistischen Amte herausgegebene "Kri¬
minalstatistik für das Jahr 1883" ist kürzlich erschienen. Ihr
eingehendes Studium bietet nicht bloß für den Kriminalisten eine
Fülle interessanter Daten, jeder Gebildete, dem die Sittlichkeits¬
zustände in unserm Volke der Beachtung wert erscheinen, wird
aus den mitgeteilten Zahlen so manches Ergebnis herausfinden, das überrascht
und ihm neue Gesichtspunkte eröffnet. Besonders bemerkenswert erscheint die
diesjährige Kriminalstatistik deshalb, weil zum ersten male für das ganze Reich
ein Vergleich mit den entsprechenden Zahlen des Vorjahres möglich ist. Hier¬
durch wird es erst möglich, eine sichere Grundlage für die aus den Ergebnissen
der Statistik zu ziehenden Schlüsse zu finden, denn, wenn es gewagt ist, ans
den für ein Jahr ermittelten Zahlen sofort auf die kriminellen Zustände eines
Landes zu schließen, so wird es doch schon erlaubt sein, dann, wenn dieselben
Erscheinungen in zwei aufeinander folgenden Jahren wiederkehren, zu folgern,
daß deu gleichen Erscheinungen gleiche oder ähnliche Ursachen zu gründe liegen,

Die erschienene Statistik hat nicht alle strafbaren Handlungen zum Gegen¬
stände, bezüglich deren im Jahre 1883 ein Strafverfahren stattgefunden hat.
Es sind von ihr ausgeschlossen geblieben alle strafbaren Handlungen, über
welche nicht von den ordentlichen Gerichten entschieden worden ist (n. n. die von
den Militärbehörden abgeurteilten, die durch Strafbescheide der Polizei-, Ver-
waltungs- und Steuerbehörden erledigten Handlungen). Von den zur Zuständig¬
keit der ordentlichen Gerichte gehörenden Strafsachen sind nicht zum Gegenstände
der statistische" Erhebungen gemacht worden: g.) alle Übertretungen, d. h. die
nur mit Haft oder mit Geldstrafe bis 150 Mark bedrohten Handlungen ......-
weil bei der großen Zahl solcher Vergehen das an den weitaus größten Teil
dieser geringfügigen Strafthaten sich knüpfende kriminalstatistische Interesse zu der
durch ihre statistische Bearbeitung verursachten Mühewaltung in keinem Ver¬
hältnis stehen würde; b) Verbrechen gegen Landesgesetze -- weil bei dem ver-
schiednen Umfange des in den einzelnen Bundesstaaten neben dem Strafgesetz¬
buche bestehenden Landcsstrafrechts und bei der Verschiedenartigkeit, mit welcher
die einzelnen Landesgesetze gewisse strafbare Handlungen desselben oder ähn¬
lichen Charakters (z. B. Forstdicbstahl) bald als Vergehen, bald als Übertretung
qualifizireu, durch die Berücksichtigung der nach Landesrecht strafbaren Hand¬
lungen die Einheitlichkeit der Statistik beeinträchtigt worden wäre; ") Zuwider¬
handlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und
Gefälle -- weil dieselbe:, bereits den Gegenstand einer besondern Statistik bilden.


Strafen und ^trafabmessung.

le von dem Kaiserlichen Statistischen Amte herausgegebene „Kri¬
minalstatistik für das Jahr 1883" ist kürzlich erschienen. Ihr
eingehendes Studium bietet nicht bloß für den Kriminalisten eine
Fülle interessanter Daten, jeder Gebildete, dem die Sittlichkeits¬
zustände in unserm Volke der Beachtung wert erscheinen, wird
aus den mitgeteilten Zahlen so manches Ergebnis herausfinden, das überrascht
und ihm neue Gesichtspunkte eröffnet. Besonders bemerkenswert erscheint die
diesjährige Kriminalstatistik deshalb, weil zum ersten male für das ganze Reich
ein Vergleich mit den entsprechenden Zahlen des Vorjahres möglich ist. Hier¬
durch wird es erst möglich, eine sichere Grundlage für die aus den Ergebnissen
der Statistik zu ziehenden Schlüsse zu finden, denn, wenn es gewagt ist, ans
den für ein Jahr ermittelten Zahlen sofort auf die kriminellen Zustände eines
Landes zu schließen, so wird es doch schon erlaubt sein, dann, wenn dieselben
Erscheinungen in zwei aufeinander folgenden Jahren wiederkehren, zu folgern,
daß deu gleichen Erscheinungen gleiche oder ähnliche Ursachen zu gründe liegen,

Die erschienene Statistik hat nicht alle strafbaren Handlungen zum Gegen¬
stände, bezüglich deren im Jahre 1883 ein Strafverfahren stattgefunden hat.
Es sind von ihr ausgeschlossen geblieben alle strafbaren Handlungen, über
welche nicht von den ordentlichen Gerichten entschieden worden ist (n. n. die von
den Militärbehörden abgeurteilten, die durch Strafbescheide der Polizei-, Ver-
waltungs- und Steuerbehörden erledigten Handlungen). Von den zur Zuständig¬
keit der ordentlichen Gerichte gehörenden Strafsachen sind nicht zum Gegenstände
der statistische» Erhebungen gemacht worden: g.) alle Übertretungen, d. h. die
nur mit Haft oder mit Geldstrafe bis 150 Mark bedrohten Handlungen ......-
weil bei der großen Zahl solcher Vergehen das an den weitaus größten Teil
dieser geringfügigen Strafthaten sich knüpfende kriminalstatistische Interesse zu der
durch ihre statistische Bearbeitung verursachten Mühewaltung in keinem Ver¬
hältnis stehen würde; b) Verbrechen gegen Landesgesetze — weil bei dem ver-
schiednen Umfange des in den einzelnen Bundesstaaten neben dem Strafgesetz¬
buche bestehenden Landcsstrafrechts und bei der Verschiedenartigkeit, mit welcher
die einzelnen Landesgesetze gewisse strafbare Handlungen desselben oder ähn¬
lichen Charakters (z. B. Forstdicbstahl) bald als Vergehen, bald als Übertretung
qualifizireu, durch die Berücksichtigung der nach Landesrecht strafbaren Hand¬
lungen die Einheitlichkeit der Statistik beeinträchtigt worden wäre; «) Zuwider¬
handlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und
Gefälle — weil dieselbe:, bereits den Gegenstand einer besondern Statistik bilden.


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[0507] Strafen und ^trafabmessung. le von dem Kaiserlichen Statistischen Amte herausgegebene „Kri¬ minalstatistik für das Jahr 1883" ist kürzlich erschienen. Ihr eingehendes Studium bietet nicht bloß für den Kriminalisten eine Fülle interessanter Daten, jeder Gebildete, dem die Sittlichkeits¬ zustände in unserm Volke der Beachtung wert erscheinen, wird aus den mitgeteilten Zahlen so manches Ergebnis herausfinden, das überrascht und ihm neue Gesichtspunkte eröffnet. Besonders bemerkenswert erscheint die diesjährige Kriminalstatistik deshalb, weil zum ersten male für das ganze Reich ein Vergleich mit den entsprechenden Zahlen des Vorjahres möglich ist. Hier¬ durch wird es erst möglich, eine sichere Grundlage für die aus den Ergebnissen der Statistik zu ziehenden Schlüsse zu finden, denn, wenn es gewagt ist, ans den für ein Jahr ermittelten Zahlen sofort auf die kriminellen Zustände eines Landes zu schließen, so wird es doch schon erlaubt sein, dann, wenn dieselben Erscheinungen in zwei aufeinander folgenden Jahren wiederkehren, zu folgern, daß deu gleichen Erscheinungen gleiche oder ähnliche Ursachen zu gründe liegen, Die erschienene Statistik hat nicht alle strafbaren Handlungen zum Gegen¬ stände, bezüglich deren im Jahre 1883 ein Strafverfahren stattgefunden hat. Es sind von ihr ausgeschlossen geblieben alle strafbaren Handlungen, über welche nicht von den ordentlichen Gerichten entschieden worden ist (n. n. die von den Militärbehörden abgeurteilten, die durch Strafbescheide der Polizei-, Ver- waltungs- und Steuerbehörden erledigten Handlungen). Von den zur Zuständig¬ keit der ordentlichen Gerichte gehörenden Strafsachen sind nicht zum Gegenstände der statistische» Erhebungen gemacht worden: g.) alle Übertretungen, d. h. die nur mit Haft oder mit Geldstrafe bis 150 Mark bedrohten Handlungen ......- weil bei der großen Zahl solcher Vergehen das an den weitaus größten Teil dieser geringfügigen Strafthaten sich knüpfende kriminalstatistische Interesse zu der durch ihre statistische Bearbeitung verursachten Mühewaltung in keinem Ver¬ hältnis stehen würde; b) Verbrechen gegen Landesgesetze — weil bei dem ver- schiednen Umfange des in den einzelnen Bundesstaaten neben dem Strafgesetz¬ buche bestehenden Landcsstrafrechts und bei der Verschiedenartigkeit, mit welcher die einzelnen Landesgesetze gewisse strafbare Handlungen desselben oder ähn¬ lichen Charakters (z. B. Forstdicbstahl) bald als Vergehen, bald als Übertretung qualifizireu, durch die Berücksichtigung der nach Landesrecht strafbaren Hand¬ lungen die Einheitlichkeit der Statistik beeinträchtigt worden wäre; «) Zuwider¬ handlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle — weil dieselbe:, bereits den Gegenstand einer besondern Statistik bilden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/507>, abgerufen am 25.11.2024.