Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Nordamerikmnsche Eisenbnhnzustände.

Staaten von Nordamerika, sondern es ist eine freiere Form, die der Verfasser
gewählt hat. Jeder der lose aneinandergereihten Aufsätze, aus denen das Buch
besteht, behandelt ein Thema für sich, aber die Auswahl ist so glücklich und die
Durchführung so geschickt, daß jeder derselben eine Seite der amerikanischen
Mißwirtschaft darstellt. Jede Abhandlung erläutert dieselbe in einer andern
Richtung, und auf diese Weise erhält der Leser ein farbenreicheres und bequemer
ausnehmendes Bild, als wenn er sich durch laugatmige trockne Auseinander-
setzungen durchwinden müßte, die bei dem Erbauer der ersten Bahn etwa be¬
gönne" und bei der neuesten Phase> dem Siege des Eiseubnhukönigs Jah
Gould über unsern Landsmann Villard, aufhörten.

So liefert die Geschichte der Camden-Ambvp-Frachtgcsellschaft, d, h, der
Eisenbahn, die fast vierzig Jahre lang die beiden Handelsstädte Newyork und
Philadelphia ausschließlich verbunden hat, einen neuen Beitrag zu dem Kapitel
der Ausbeutung des Publikums durch die Privatbahnen, Ju der alten Welt
möchte sich kaum ein derartiges charakteristisches Beispiel dafür finden lassen,
wie weit ein Eisenbahnmonvpvl ausarten kann, welches von Privatpersonen
unter der Herrschaft einer schwachen Staatsregierung ausgeübt wird. Das
schwierige Kapitel der Tarifpvlitik erfährt in den Aufsätzen über die Lvkaltarife
der Eisenbahnen des amerikanischen Nordwestens und über "Eisenbahnlriege
und Eisenbahnverbände" Beleuchtung. Es ist dabei namentlich die Kostspieligkeit
der Benutzung auffallend. Der niedrigste Satz der amerikanischen Abvnncments-
billets, der sogenannten Tauseudmeileubillcts, ist beispielsweise beiliahe so hoch
wie der regelmäßige Preis der preußischen Personeubillets erster Klasse. Wie
weit ist man jenseits des großen Wassers doch von der Verwirklichung des
Gebührcnprinzips, als der Richtschnur für die Verwaltung der Staatsbahueu,
entfernt! Ein grelles Schlaglicht ans die Gefährlichkeit und Geineinschädlichkeit
einer engherzigen Tarifpolitik wirft die Erzählung von den vereinigten Mono¬
polen nordamerikanischer Privatbahnen und der LianilMl Oil Oompirn/, eines
großen Petrvlenmgeschäftshanses in den Staaten Newyork und Philadelphia,
welches bis auf den heutigen Tag das Petrvleumgeschäft der ganzen Erde
allein und ausschließlich beherrscht und nach seinem Gutdünken leitet, v. d. Leyer
selbst nennt sie eine groteske, für alle Zeiten merkwürdige Erscheinung, ein
lebendes Beispiel der haarsträubenden Konsequenzen, welche eine verwerfliche
Tarifpolitik nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Leiter der Tarif¬
politik nach sich zieht. Wieder nach einer andern Richtung weist der Aufsatz:
"Die staatliche Aufsicht über die Eisenbahnen," ein weiterer Beleg für die Be¬
hauptung, daß mit einer bloßen Aufsicht gegenüber den mächtigen Gesellschaften
wie fie diese Aktienbahnen reprüsentiren, nichts gewonnen ist oder ausgerichtet
werden kann. Kurz, jede der zehn Abhandlungen, für sich verständlich und in
sich abgeschlossen, betont einen Gesichtspunkt besonders, und alle zusammen bieten
eine erschöpfende Darstellung von der ganzen Allsdehnung des Unwesens.


Nordamerikmnsche Eisenbnhnzustände.

Staaten von Nordamerika, sondern es ist eine freiere Form, die der Verfasser
gewählt hat. Jeder der lose aneinandergereihten Aufsätze, aus denen das Buch
besteht, behandelt ein Thema für sich, aber die Auswahl ist so glücklich und die
Durchführung so geschickt, daß jeder derselben eine Seite der amerikanischen
Mißwirtschaft darstellt. Jede Abhandlung erläutert dieselbe in einer andern
Richtung, und auf diese Weise erhält der Leser ein farbenreicheres und bequemer
ausnehmendes Bild, als wenn er sich durch laugatmige trockne Auseinander-
setzungen durchwinden müßte, die bei dem Erbauer der ersten Bahn etwa be¬
gönne» und bei der neuesten Phase> dem Siege des Eiseubnhukönigs Jah
Gould über unsern Landsmann Villard, aufhörten.

So liefert die Geschichte der Camden-Ambvp-Frachtgcsellschaft, d, h, der
Eisenbahn, die fast vierzig Jahre lang die beiden Handelsstädte Newyork und
Philadelphia ausschließlich verbunden hat, einen neuen Beitrag zu dem Kapitel
der Ausbeutung des Publikums durch die Privatbahnen, Ju der alten Welt
möchte sich kaum ein derartiges charakteristisches Beispiel dafür finden lassen,
wie weit ein Eisenbahnmonvpvl ausarten kann, welches von Privatpersonen
unter der Herrschaft einer schwachen Staatsregierung ausgeübt wird. Das
schwierige Kapitel der Tarifpvlitik erfährt in den Aufsätzen über die Lvkaltarife
der Eisenbahnen des amerikanischen Nordwestens und über „Eisenbahnlriege
und Eisenbahnverbände" Beleuchtung. Es ist dabei namentlich die Kostspieligkeit
der Benutzung auffallend. Der niedrigste Satz der amerikanischen Abvnncments-
billets, der sogenannten Tauseudmeileubillcts, ist beispielsweise beiliahe so hoch
wie der regelmäßige Preis der preußischen Personeubillets erster Klasse. Wie
weit ist man jenseits des großen Wassers doch von der Verwirklichung des
Gebührcnprinzips, als der Richtschnur für die Verwaltung der Staatsbahueu,
entfernt! Ein grelles Schlaglicht ans die Gefährlichkeit und Geineinschädlichkeit
einer engherzigen Tarifpolitik wirft die Erzählung von den vereinigten Mono¬
polen nordamerikanischer Privatbahnen und der LianilMl Oil Oompirn/, eines
großen Petrvlenmgeschäftshanses in den Staaten Newyork und Philadelphia,
welches bis auf den heutigen Tag das Petrvleumgeschäft der ganzen Erde
allein und ausschließlich beherrscht und nach seinem Gutdünken leitet, v. d. Leyer
selbst nennt sie eine groteske, für alle Zeiten merkwürdige Erscheinung, ein
lebendes Beispiel der haarsträubenden Konsequenzen, welche eine verwerfliche
Tarifpolitik nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Leiter der Tarif¬
politik nach sich zieht. Wieder nach einer andern Richtung weist der Aufsatz:
„Die staatliche Aufsicht über die Eisenbahnen," ein weiterer Beleg für die Be¬
hauptung, daß mit einer bloßen Aufsicht gegenüber den mächtigen Gesellschaften
wie fie diese Aktienbahnen reprüsentiren, nichts gewonnen ist oder ausgerichtet
werden kann. Kurz, jede der zehn Abhandlungen, für sich verständlich und in
sich abgeschlossen, betont einen Gesichtspunkt besonders, und alle zusammen bieten
eine erschöpfende Darstellung von der ganzen Allsdehnung des Unwesens.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196600"/>
          <fw type="header" place="top"> Nordamerikmnsche Eisenbnhnzustände.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1952" prev="#ID_1951"> Staaten von Nordamerika, sondern es ist eine freiere Form, die der Verfasser<lb/>
gewählt hat. Jeder der lose aneinandergereihten Aufsätze, aus denen das Buch<lb/>
besteht, behandelt ein Thema für sich, aber die Auswahl ist so glücklich und die<lb/>
Durchführung so geschickt, daß jeder derselben eine Seite der amerikanischen<lb/>
Mißwirtschaft darstellt. Jede Abhandlung erläutert dieselbe in einer andern<lb/>
Richtung, und auf diese Weise erhält der Leser ein farbenreicheres und bequemer<lb/>
ausnehmendes Bild, als wenn er sich durch laugatmige trockne Auseinander-<lb/>
setzungen durchwinden müßte, die bei dem Erbauer der ersten Bahn etwa be¬<lb/>
gönne» und bei der neuesten Phase&gt; dem Siege des Eiseubnhukönigs Jah<lb/>
Gould über unsern Landsmann Villard, aufhörten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1953"> So liefert die Geschichte der Camden-Ambvp-Frachtgcsellschaft, d, h, der<lb/>
Eisenbahn, die fast vierzig Jahre lang die beiden Handelsstädte Newyork und<lb/>
Philadelphia ausschließlich verbunden hat, einen neuen Beitrag zu dem Kapitel<lb/>
der Ausbeutung des Publikums durch die Privatbahnen, Ju der alten Welt<lb/>
möchte sich kaum ein derartiges charakteristisches Beispiel dafür finden lassen,<lb/>
wie weit ein Eisenbahnmonvpvl ausarten kann, welches von Privatpersonen<lb/>
unter der Herrschaft einer schwachen Staatsregierung ausgeübt wird. Das<lb/>
schwierige Kapitel der Tarifpvlitik erfährt in den Aufsätzen über die Lvkaltarife<lb/>
der Eisenbahnen des amerikanischen Nordwestens und über &#x201E;Eisenbahnlriege<lb/>
und Eisenbahnverbände" Beleuchtung. Es ist dabei namentlich die Kostspieligkeit<lb/>
der Benutzung auffallend. Der niedrigste Satz der amerikanischen Abvnncments-<lb/>
billets, der sogenannten Tauseudmeileubillcts, ist beispielsweise beiliahe so hoch<lb/>
wie der regelmäßige Preis der preußischen Personeubillets erster Klasse. Wie<lb/>
weit ist man jenseits des großen Wassers doch von der Verwirklichung des<lb/>
Gebührcnprinzips, als der Richtschnur für die Verwaltung der Staatsbahueu,<lb/>
entfernt! Ein grelles Schlaglicht ans die Gefährlichkeit und Geineinschädlichkeit<lb/>
einer engherzigen Tarifpolitik wirft die Erzählung von den vereinigten Mono¬<lb/>
polen nordamerikanischer Privatbahnen und der LianilMl Oil Oompirn/, eines<lb/>
großen Petrvlenmgeschäftshanses in den Staaten Newyork und Philadelphia,<lb/>
welches bis auf den heutigen Tag das Petrvleumgeschäft der ganzen Erde<lb/>
allein und ausschließlich beherrscht und nach seinem Gutdünken leitet, v. d. Leyer<lb/>
selbst nennt sie eine groteske, für alle Zeiten merkwürdige Erscheinung, ein<lb/>
lebendes Beispiel der haarsträubenden Konsequenzen, welche eine verwerfliche<lb/>
Tarifpolitik nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Leiter der Tarif¬<lb/>
politik nach sich zieht. Wieder nach einer andern Richtung weist der Aufsatz:<lb/>
&#x201E;Die staatliche Aufsicht über die Eisenbahnen," ein weiterer Beleg für die Be¬<lb/>
hauptung, daß mit einer bloßen Aufsicht gegenüber den mächtigen Gesellschaften<lb/>
wie fie diese Aktienbahnen reprüsentiren, nichts gewonnen ist oder ausgerichtet<lb/>
werden kann. Kurz, jede der zehn Abhandlungen, für sich verständlich und in<lb/>
sich abgeschlossen, betont einen Gesichtspunkt besonders, und alle zusammen bieten<lb/>
eine erschöpfende Darstellung von der ganzen Allsdehnung des Unwesens.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0500] Nordamerikmnsche Eisenbnhnzustände. Staaten von Nordamerika, sondern es ist eine freiere Form, die der Verfasser gewählt hat. Jeder der lose aneinandergereihten Aufsätze, aus denen das Buch besteht, behandelt ein Thema für sich, aber die Auswahl ist so glücklich und die Durchführung so geschickt, daß jeder derselben eine Seite der amerikanischen Mißwirtschaft darstellt. Jede Abhandlung erläutert dieselbe in einer andern Richtung, und auf diese Weise erhält der Leser ein farbenreicheres und bequemer ausnehmendes Bild, als wenn er sich durch laugatmige trockne Auseinander- setzungen durchwinden müßte, die bei dem Erbauer der ersten Bahn etwa be¬ gönne» und bei der neuesten Phase> dem Siege des Eiseubnhukönigs Jah Gould über unsern Landsmann Villard, aufhörten. So liefert die Geschichte der Camden-Ambvp-Frachtgcsellschaft, d, h, der Eisenbahn, die fast vierzig Jahre lang die beiden Handelsstädte Newyork und Philadelphia ausschließlich verbunden hat, einen neuen Beitrag zu dem Kapitel der Ausbeutung des Publikums durch die Privatbahnen, Ju der alten Welt möchte sich kaum ein derartiges charakteristisches Beispiel dafür finden lassen, wie weit ein Eisenbahnmonvpvl ausarten kann, welches von Privatpersonen unter der Herrschaft einer schwachen Staatsregierung ausgeübt wird. Das schwierige Kapitel der Tarifpvlitik erfährt in den Aufsätzen über die Lvkaltarife der Eisenbahnen des amerikanischen Nordwestens und über „Eisenbahnlriege und Eisenbahnverbände" Beleuchtung. Es ist dabei namentlich die Kostspieligkeit der Benutzung auffallend. Der niedrigste Satz der amerikanischen Abvnncments- billets, der sogenannten Tauseudmeileubillcts, ist beispielsweise beiliahe so hoch wie der regelmäßige Preis der preußischen Personeubillets erster Klasse. Wie weit ist man jenseits des großen Wassers doch von der Verwirklichung des Gebührcnprinzips, als der Richtschnur für die Verwaltung der Staatsbahueu, entfernt! Ein grelles Schlaglicht ans die Gefährlichkeit und Geineinschädlichkeit einer engherzigen Tarifpolitik wirft die Erzählung von den vereinigten Mono¬ polen nordamerikanischer Privatbahnen und der LianilMl Oil Oompirn/, eines großen Petrvlenmgeschäftshanses in den Staaten Newyork und Philadelphia, welches bis auf den heutigen Tag das Petrvleumgeschäft der ganzen Erde allein und ausschließlich beherrscht und nach seinem Gutdünken leitet, v. d. Leyer selbst nennt sie eine groteske, für alle Zeiten merkwürdige Erscheinung, ein lebendes Beispiel der haarsträubenden Konsequenzen, welche eine verwerfliche Tarifpolitik nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Leiter der Tarif¬ politik nach sich zieht. Wieder nach einer andern Richtung weist der Aufsatz: „Die staatliche Aufsicht über die Eisenbahnen," ein weiterer Beleg für die Be¬ hauptung, daß mit einer bloßen Aufsicht gegenüber den mächtigen Gesellschaften wie fie diese Aktienbahnen reprüsentiren, nichts gewonnen ist oder ausgerichtet werden kann. Kurz, jede der zehn Abhandlungen, für sich verständlich und in sich abgeschlossen, betont einen Gesichtspunkt besonders, und alle zusammen bieten eine erschöpfende Darstellung von der ganzen Allsdehnung des Unwesens.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/500
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/500>, abgerufen am 28.07.2024.