Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Um eine Perle, Er ist bloße Maschine, scigte der Herzog, wir werden gut miteinander aus¬ Dreiunddreißigstes Aapitel. In einem der verstecktesten Räume des umfangreichen herzoglichen Palastes, Wenige Zimmer nur lagen zwischen der Studirstube des zum Historiographen Dies war der Raum, in welchem Giuseppe Gonzaga, von der Außenwelt Um eine Perle, Er ist bloße Maschine, scigte der Herzog, wir werden gut miteinander aus¬ Dreiunddreißigstes Aapitel. In einem der verstecktesten Räume des umfangreichen herzoglichen Palastes, Wenige Zimmer nur lagen zwischen der Studirstube des zum Historiographen Dies war der Raum, in welchem Giuseppe Gonzaga, von der Außenwelt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196150"/> <fw type="header" place="top"> Um eine Perle,</fw><lb/> <p xml:id="ID_147"> Er ist bloße Maschine, scigte der Herzog, wir werden gut miteinander aus¬<lb/> kommen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> Dreiunddreißigstes Aapitel.</head><lb/> <p xml:id="ID_148"> In einem der verstecktesten Räume des umfangreichen herzoglichen Palastes,<lb/> auf der Ostseite des vergitterten Erdgeschosses, standen die Fenster offen, und<lb/> die Düfte der draußen blühenden Zitronen- und Orangenbäume zogen erquickend<lb/> herein. Auch der Gesang von Rotkehlchen, Steinschmätzern, Finken und Amseln<lb/> zirpte, schiialzte, schmetterte und flötete draußen in den Büschen, während von<lb/> einem lustig sprudelnden Springbrunnen das Gurren der Tauben herübertönte,<lb/> welche sich dort im hellen Sonnenschein den kühlenden Sprühregen der Fontaine<lb/> vergnüglich zu statten kommen ließen. Hin und wieder flog auch eine Nachtigall,<lb/> ein Hänfling, ein Grünspecht aus andern Teilen des Gartens hierher, um der<lb/> Wohlthaten des Quells teilhaftig zu werden, aber die Tauben hatten das Re-<lb/> giment. Das kam daher: sie waren jahraus, jahrein die Schützlinge des alten<lb/> Doktor Posscvinv, welcher im nämlichen Teile des Erdgeschosses über seinen<lb/> Büchern saß und sich an dem muntern Treiben der vielbeweglicher Sippe und<lb/> an ihren bunt schillernden Hülsen labte, wenn er in halber Verzweiflung die<lb/> Feder aus der Hand gelegt hatte. Er war geduldig den höfische» Historio-<lb/> graphen gefolgt, welche das Geschlecht der Gouzagas zwar nicht auf die Götter<lb/> Roms, aber doch wenigstens ans einen Königssohn zurückgeführt hatten, auf<lb/> Louis Gouzach oder Gonzhagi, einen der Söhne Witikinds, so unmöglich es<lb/> dein Doktor auch gewesen war, andre Gründe als die der Klangverwandtschaft<lb/> für jene sagenhafte Stammvaterschaft ausfindig zu machen. Jetzt jedoch, wo<lb/> er an die Aufzeichnungen wirklicher Chronisten gelangte, fand er, daß die Vor¬<lb/> fahren seines Gebieters durchaus nicht lediglich Muster von Ritterlichkeit und<lb/> Tugend gewesen sein konnten, und beim Übersinnen der Mittel und Wege, um<lb/> sie dennoch als solche erscheinen zu lassen, sehnte der alte Medikus sich oft mit<lb/> lauten Seufzern nach der Zeit zurück, wo ihm nichts weiter obgelegen hatte<lb/> als den Puls zu fühle», gewisse Flüssigkeiten im Glase prüfend gegen die<lb/> Sonne zu halten und endlich eines seiner blutreinigender Rezepte zu verschreiben;<lb/> denn er gehörte zu den Anhängern des berühmten Doktors Salvini von Bologna,<lb/> führte also jede Krankheit ans Blutuureinheit zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> Wenige Zimmer nur lagen zwischen der Studirstube des zum Historiographen<lb/> gewordenen Jünger Äskulaps und jenem verstecktesten Raume, durch dessen Gitter¬<lb/> fenster Vogelgesang und Btütenduft in so ausgiebiger Fülle hcreinfluteteu,<lb/> daß selbst ein gramumflortes Gemüt sich dem Zauber des Daseins nicht völlig<lb/> unzugänglich hätte erweisen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_150" next="#ID_151"> Dies war der Raum, in welchem Giuseppe Gonzaga, von der Außenwelt<lb/> abgeschieden, ja selbst von den übrigen zahlreichen Bewohnern des Palastes so</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Um eine Perle,
Er ist bloße Maschine, scigte der Herzog, wir werden gut miteinander aus¬
kommen.
Dreiunddreißigstes Aapitel.
In einem der verstecktesten Räume des umfangreichen herzoglichen Palastes,
auf der Ostseite des vergitterten Erdgeschosses, standen die Fenster offen, und
die Düfte der draußen blühenden Zitronen- und Orangenbäume zogen erquickend
herein. Auch der Gesang von Rotkehlchen, Steinschmätzern, Finken und Amseln
zirpte, schiialzte, schmetterte und flötete draußen in den Büschen, während von
einem lustig sprudelnden Springbrunnen das Gurren der Tauben herübertönte,
welche sich dort im hellen Sonnenschein den kühlenden Sprühregen der Fontaine
vergnüglich zu statten kommen ließen. Hin und wieder flog auch eine Nachtigall,
ein Hänfling, ein Grünspecht aus andern Teilen des Gartens hierher, um der
Wohlthaten des Quells teilhaftig zu werden, aber die Tauben hatten das Re-
giment. Das kam daher: sie waren jahraus, jahrein die Schützlinge des alten
Doktor Posscvinv, welcher im nämlichen Teile des Erdgeschosses über seinen
Büchern saß und sich an dem muntern Treiben der vielbeweglicher Sippe und
an ihren bunt schillernden Hülsen labte, wenn er in halber Verzweiflung die
Feder aus der Hand gelegt hatte. Er war geduldig den höfische» Historio-
graphen gefolgt, welche das Geschlecht der Gouzagas zwar nicht auf die Götter
Roms, aber doch wenigstens ans einen Königssohn zurückgeführt hatten, auf
Louis Gouzach oder Gonzhagi, einen der Söhne Witikinds, so unmöglich es
dein Doktor auch gewesen war, andre Gründe als die der Klangverwandtschaft
für jene sagenhafte Stammvaterschaft ausfindig zu machen. Jetzt jedoch, wo
er an die Aufzeichnungen wirklicher Chronisten gelangte, fand er, daß die Vor¬
fahren seines Gebieters durchaus nicht lediglich Muster von Ritterlichkeit und
Tugend gewesen sein konnten, und beim Übersinnen der Mittel und Wege, um
sie dennoch als solche erscheinen zu lassen, sehnte der alte Medikus sich oft mit
lauten Seufzern nach der Zeit zurück, wo ihm nichts weiter obgelegen hatte
als den Puls zu fühle», gewisse Flüssigkeiten im Glase prüfend gegen die
Sonne zu halten und endlich eines seiner blutreinigender Rezepte zu verschreiben;
denn er gehörte zu den Anhängern des berühmten Doktors Salvini von Bologna,
führte also jede Krankheit ans Blutuureinheit zurück.
Wenige Zimmer nur lagen zwischen der Studirstube des zum Historiographen
gewordenen Jünger Äskulaps und jenem verstecktesten Raume, durch dessen Gitter¬
fenster Vogelgesang und Btütenduft in so ausgiebiger Fülle hcreinfluteteu,
daß selbst ein gramumflortes Gemüt sich dem Zauber des Daseins nicht völlig
unzugänglich hätte erweisen können.
Dies war der Raum, in welchem Giuseppe Gonzaga, von der Außenwelt
abgeschieden, ja selbst von den übrigen zahlreichen Bewohnern des Palastes so
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