Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Die Russen in Zentralasien. faugenschaft geraten waren, in Eile ihr Lager und flohen südwärts nach Wir untersuchen nicht, welcher von beiden Teilen in der Zeit zwischen dem Die Russen in Zentralasien. faugenschaft geraten waren, in Eile ihr Lager und flohen südwärts nach Wir untersuchen nicht, welcher von beiden Teilen in der Zeit zwischen dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196595"/> <fw type="header" place="top"> Die Russen in Zentralasien.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1940" prev="#ID_1939"> faugenschaft geraten waren, in Eile ihr Lager und flohen südwärts nach<lb/> Marudschak, „Die britischen Offiziere verblieben noch einige Stunden an Ort<lb/> lind Stelle. Kapitän Jake bot den Russen brieflich die Dienste Dr. Owens<lb/> für die Verwundeten an, dann bat er um eine Unterredung und zu diesen,<lb/> Zwecke um eine Eskorte. Statt irgendwelcher Antwort reizten die Russen die<lb/> Saruks zu einem Angriffe auf das englische Lager an, und ein Häuptling der<lb/> Turkmenen überbrachte dem englischem Kapitän die Stiefeln des afghanischen<lb/> Generals mit den spöttischen Worten, sie seien ein Geschenk General Komarows."<lb/> Die Engländer befanden sich, als sie zunächst den Vertriebnen Afghanen folgten,<lb/> auch diesen gegenüber in sehr übler Lage. Jene behandelten sie als die eigent¬<lb/> lichen Urheber ihrer Niederlage und des Verlustes von Pcudschdch, welches nach<lb/> derselben von Komarow in Besitz genommen wurde. Die afghanischen Beamten<lb/> ließen ihnen mehrere Tage weder Lebensmittel noch Futter für ihre Pferde<lb/> zukommen und entzogen ihnen sogar die Zeitungen und Briefe, welche die Post<lb/> aus Heran für sie gebracht hatte. Mau wußte eben noch nicht, wie der Emir<lb/> die Vorgänge des 30. März auffasse, und fürchtete seinen Zorn, den man dann<lb/> auf die englische Kommission abzuleiten gedachte. Endlich erleichterte eine De¬<lb/> pesche aus Kabul ihre Herzen. „Was bedeutete, sagt darin jener hochsinnigc<lb/> Monarch, da? Leben von ein paar hundert sterblichen Mensche»? Sind sie<lb/> nicht allesamt jetzt im Paradiese, wo sie im Genusse der höchsten Freuden<lb/> schwelgen und von unvergleichlichen Huris mit nimmer endenden Liebkosungen<lb/> getröstet werden? Ihr habt recht gethan, den Moskvfs Widerstand zu leisten,<lb/> und ich lobe euch dafür." Von Stund an änderte sich das Benehmen der<lb/> afghanischen Beamten gegen die Briten, welche sie durch ihre Einmischung und<lb/> ihre Ratschläge, hinter denen kein Entschluß zu thatkräftigen Beistande stehen<lb/> kamen, ans irrige Wege geführt hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1941" next="#ID_1942"> Wir untersuchen nicht, welcher von beiden Teilen in der Zeit zwischen dem<lb/> 16. und dem 30. März mehr gesündigt hat, sondern nehmen an, daß beide<lb/> etwa gleichviel Werg am Rocken hatten. Die Politik und der Krieg haben<lb/> nicht viel mit der Moral zu schaffen. Eins mir ist sicher: die Negierung, die<lb/> hinter Komarow und Alichauow stand, wußte, was sie wollte, die dagegen, in deren<lb/> Auftrage Lumsden, Nidgeway und Aale handelte», war ebenso unklar über ihr<lb/> Ziel als machtlos in ihren Mitteln. Es ist nun noch zu zeigen, warum die Russe»<lb/> so begierig sind, im Süden von Merw festen Fuß zu fassen, und warum es<lb/> für England sehr nachteilig sein wird, wenn die Verhandlungen über die Sache,<lb/> die noch schweben, dahin führe», daß Rußland sich hier zwischen Hcrirud und<lb/> Margab festsetzt. Die Wüste südlich der Oase von Merw würde eine natürliche<lb/> und ganz vortreffliche Grenze zwischen dem russischem und dem afghanischen Ge¬<lb/> biete sein, eine solche, die nur zu gut gegen Absichten der Russen auf das letztere<lb/> und namentlich ans Herat wäre. Am Margab begegnet man zwischen Jnlatan<lb/> bis nach Sarhjasi nicht einem Morgen anbaufähigen Landes. Die vegetations-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
Die Russen in Zentralasien.
faugenschaft geraten waren, in Eile ihr Lager und flohen südwärts nach
Marudschak, „Die britischen Offiziere verblieben noch einige Stunden an Ort
lind Stelle. Kapitän Jake bot den Russen brieflich die Dienste Dr. Owens
für die Verwundeten an, dann bat er um eine Unterredung und zu diesen,
Zwecke um eine Eskorte. Statt irgendwelcher Antwort reizten die Russen die
Saruks zu einem Angriffe auf das englische Lager an, und ein Häuptling der
Turkmenen überbrachte dem englischem Kapitän die Stiefeln des afghanischen
Generals mit den spöttischen Worten, sie seien ein Geschenk General Komarows."
Die Engländer befanden sich, als sie zunächst den Vertriebnen Afghanen folgten,
auch diesen gegenüber in sehr übler Lage. Jene behandelten sie als die eigent¬
lichen Urheber ihrer Niederlage und des Verlustes von Pcudschdch, welches nach
derselben von Komarow in Besitz genommen wurde. Die afghanischen Beamten
ließen ihnen mehrere Tage weder Lebensmittel noch Futter für ihre Pferde
zukommen und entzogen ihnen sogar die Zeitungen und Briefe, welche die Post
aus Heran für sie gebracht hatte. Mau wußte eben noch nicht, wie der Emir
die Vorgänge des 30. März auffasse, und fürchtete seinen Zorn, den man dann
auf die englische Kommission abzuleiten gedachte. Endlich erleichterte eine De¬
pesche aus Kabul ihre Herzen. „Was bedeutete, sagt darin jener hochsinnigc
Monarch, da? Leben von ein paar hundert sterblichen Mensche»? Sind sie
nicht allesamt jetzt im Paradiese, wo sie im Genusse der höchsten Freuden
schwelgen und von unvergleichlichen Huris mit nimmer endenden Liebkosungen
getröstet werden? Ihr habt recht gethan, den Moskvfs Widerstand zu leisten,
und ich lobe euch dafür." Von Stund an änderte sich das Benehmen der
afghanischen Beamten gegen die Briten, welche sie durch ihre Einmischung und
ihre Ratschläge, hinter denen kein Entschluß zu thatkräftigen Beistande stehen
kamen, ans irrige Wege geführt hatten.
Wir untersuchen nicht, welcher von beiden Teilen in der Zeit zwischen dem
16. und dem 30. März mehr gesündigt hat, sondern nehmen an, daß beide
etwa gleichviel Werg am Rocken hatten. Die Politik und der Krieg haben
nicht viel mit der Moral zu schaffen. Eins mir ist sicher: die Negierung, die
hinter Komarow und Alichauow stand, wußte, was sie wollte, die dagegen, in deren
Auftrage Lumsden, Nidgeway und Aale handelte», war ebenso unklar über ihr
Ziel als machtlos in ihren Mitteln. Es ist nun noch zu zeigen, warum die Russe»
so begierig sind, im Süden von Merw festen Fuß zu fassen, und warum es
für England sehr nachteilig sein wird, wenn die Verhandlungen über die Sache,
die noch schweben, dahin führe», daß Rußland sich hier zwischen Hcrirud und
Margab festsetzt. Die Wüste südlich der Oase von Merw würde eine natürliche
und ganz vortreffliche Grenze zwischen dem russischem und dem afghanischen Ge¬
biete sein, eine solche, die nur zu gut gegen Absichten der Russen auf das letztere
und namentlich ans Herat wäre. Am Margab begegnet man zwischen Jnlatan
bis nach Sarhjasi nicht einem Morgen anbaufähigen Landes. Die vegetations-
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