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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentralusien.

bisher wenig zahlreichen afghanischen Truppen in der Oase von Pendschdch er¬
hielten ihrerseits von Herat her erhebliche Verstärkung. Die Saruks faßten
wieder Mut. Am 11. März tum Kapitän Jake in Pendschdeh an, und am
20. kehrte Oberst Nidgewah zu seinen Verpflichtungen als Mitglied und Sekretär
der Grenzkvmmission zu Gulran zurück. Gesetzt den Fall, daß die britische
Regierung jetzt eine entschiedne Haltung eingenommen hätte, so wäre einige Hoff¬
nung vorhanden gewesen, Alichanows Pläne zu vereiteln. (Daß sie das nicht
konnte, ist in frühern Aufsätzen hinreichend dargethan worden.) Aale setzte
das versöhnliche Verfahren, welches Nidgewah eingeschlagen hatte, fort und
redete nach seinen Instruktionen den Sarnks gleichfalls zu, neutral zu bleiben.
Sie wiederholten aber auch ihm gegenüber mehrmals ihr Anerbieten, sich bei
der Bekämpfung der Russen zu beteilige,?.

Endlich traf am 22. März die Nachricht ein, daß ein starkes russisches
Korps unter dem General Kvmarow im Anmärsche gegen Urusch Doschan be¬
merkt werde. "Die Sarnks gerieten in Angst und Sorge, und die Kapitäne
Jake und Laessou hatten alle Hände voll zu thun, um sie zu beruhigen und
den Afghanen Rat zu erteilen. Am 26. erschien die russische Streitkrnft vor
der Stellung der letztern, die sich von Pul i Chisti bis zu dem Hügel Ak Tepe
ausdehnte. Ein Trupp von Tekereitern ritt von russischer Seite her vor, zog
sich aber zurück, als die Afghanen Feuer zu geben drohten. Vom 26. bis
zum 29. bemühten sich die Russen eifrig, ihre Gegner dahin zu bringen, an¬
griffsweise gegen sie vorzugehen, während die britischen Offiziere alles, was in
ihrer Macht stand, thaten, sie durch Vorstellungen davon abzuhalten. Die
Saruks ihrerseits wußten nicht recht, was sie bei dieser Lage der Dinge thun
und lassen sollten, sie schwebten fortwährend zwischen ihrem Haß gegen die
Russen und ihrer Furcht vor denselben. Die Afghanen, und zwar sowohl die
Offiziere als die Mannschaften, bewiesen einer höchst unwürdigen Herausfor¬
derung gegenüber große Selbstbeherrschung und Zurückhaltung. Es war eine
sehr angstvolle Zeit. Einmal traten mehrere Russen und Turkmenen, anscheinend
ohne Waffen, in eine Verschanzung der Afghanen und zupften den dort be¬
fehligenden Offizier am Barte. Ein andermal galoppirte Alichcmvw mit einem
Trupp von Tekes durch die Vedetten und um deu linken Flügel der Afghanen
das Thal des Kaschkflusses hinauf. Der afghanische General Gaus Eddin folgte
ihm mit einem Regiment Kabnlireitern und zwang sie dadurch zur Umkehr,
ohne indes Gewalt anzuwenden. Zu derselben Zeit rückte russisches Fußvolk
auf dem rechten Ufer des Margab vor und zog sich nicht eher zurück, als bis
der Raid Salar, der Oberbefehlshaber der Infanterie des Emirs, sich ihr mit
der letztern entgegenstellte und zu feuern drohte, wenn der russische Offizier den
Versuch unternähme, seine Linie zu durchbrechen oder zu umgehen. Nachdem
diese Manöver der Russen fehlgeschlagen waren, nahmen sie ihre Zuflucht zu
anordnen Briefen, in welchen sie den General und deu Gouverneur aufforderten,


Die Russen in Zentralusien.

bisher wenig zahlreichen afghanischen Truppen in der Oase von Pendschdch er¬
hielten ihrerseits von Herat her erhebliche Verstärkung. Die Saruks faßten
wieder Mut. Am 11. März tum Kapitän Jake in Pendschdeh an, und am
20. kehrte Oberst Nidgewah zu seinen Verpflichtungen als Mitglied und Sekretär
der Grenzkvmmission zu Gulran zurück. Gesetzt den Fall, daß die britische
Regierung jetzt eine entschiedne Haltung eingenommen hätte, so wäre einige Hoff¬
nung vorhanden gewesen, Alichanows Pläne zu vereiteln. (Daß sie das nicht
konnte, ist in frühern Aufsätzen hinreichend dargethan worden.) Aale setzte
das versöhnliche Verfahren, welches Nidgewah eingeschlagen hatte, fort und
redete nach seinen Instruktionen den Sarnks gleichfalls zu, neutral zu bleiben.
Sie wiederholten aber auch ihm gegenüber mehrmals ihr Anerbieten, sich bei
der Bekämpfung der Russen zu beteilige,?.

Endlich traf am 22. März die Nachricht ein, daß ein starkes russisches
Korps unter dem General Kvmarow im Anmärsche gegen Urusch Doschan be¬
merkt werde. „Die Sarnks gerieten in Angst und Sorge, und die Kapitäne
Jake und Laessou hatten alle Hände voll zu thun, um sie zu beruhigen und
den Afghanen Rat zu erteilen. Am 26. erschien die russische Streitkrnft vor
der Stellung der letztern, die sich von Pul i Chisti bis zu dem Hügel Ak Tepe
ausdehnte. Ein Trupp von Tekereitern ritt von russischer Seite her vor, zog
sich aber zurück, als die Afghanen Feuer zu geben drohten. Vom 26. bis
zum 29. bemühten sich die Russen eifrig, ihre Gegner dahin zu bringen, an¬
griffsweise gegen sie vorzugehen, während die britischen Offiziere alles, was in
ihrer Macht stand, thaten, sie durch Vorstellungen davon abzuhalten. Die
Saruks ihrerseits wußten nicht recht, was sie bei dieser Lage der Dinge thun
und lassen sollten, sie schwebten fortwährend zwischen ihrem Haß gegen die
Russen und ihrer Furcht vor denselben. Die Afghanen, und zwar sowohl die
Offiziere als die Mannschaften, bewiesen einer höchst unwürdigen Herausfor¬
derung gegenüber große Selbstbeherrschung und Zurückhaltung. Es war eine
sehr angstvolle Zeit. Einmal traten mehrere Russen und Turkmenen, anscheinend
ohne Waffen, in eine Verschanzung der Afghanen und zupften den dort be¬
fehligenden Offizier am Barte. Ein andermal galoppirte Alichcmvw mit einem
Trupp von Tekes durch die Vedetten und um deu linken Flügel der Afghanen
das Thal des Kaschkflusses hinauf. Der afghanische General Gaus Eddin folgte
ihm mit einem Regiment Kabnlireitern und zwang sie dadurch zur Umkehr,
ohne indes Gewalt anzuwenden. Zu derselben Zeit rückte russisches Fußvolk
auf dem rechten Ufer des Margab vor und zog sich nicht eher zurück, als bis
der Raid Salar, der Oberbefehlshaber der Infanterie des Emirs, sich ihr mit
der letztern entgegenstellte und zu feuern drohte, wenn der russische Offizier den
Versuch unternähme, seine Linie zu durchbrechen oder zu umgehen. Nachdem
diese Manöver der Russen fehlgeschlagen waren, nahmen sie ihre Zuflucht zu
anordnen Briefen, in welchen sie den General und deu Gouverneur aufforderten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/493>, abgerufen am 25.11.2024.