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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Jentnilasien.

gierung kannte, so konnte er ihnen nur die Versicherung geben, die Kommission
werde ihre Interessen im Auge behalten, und sie mit der Bemerkung, Alichauows
Drohungen seien wahrscheinlich nur Großsprecherei, zu neutralem Verhalten er¬
nähren."

Am 20. Februar forcirte Alichanow die afghanische Stellung bei Urusch
Doschan lind rückte dann gegen den linken Flügel der Afghanen vor, der sich
auf Pul i Chisti stützte. "Ein Trupp russischer Reiter, aus Turkmenen be¬
stehend, zog voran, in der Entfernung einer s englischen j Meile folgte eine
Schwadron Kosaken, und weiter entfernt waren zwischen den Hügeln mehr
Truppen sichtbar. Ein afghanischer Offizier ritt den Russen entgegen und sagte
dem Befehlshaber derselben, wenn er weiter vorginge, so würden seine Leute
das Feuer auf ihn eröffnen. Nach einigem Parlamentiren erlaubte man einem
russischen Offizier und drei Manu, unter afghanischer Bedeckung sich bis nach
Pul i Chisti zu begeben, und nachdem er von dort zurückgekehrt war, traten
die Russen sämtlich den Rückmarsch an." Pul i Chisti wurde also an diesem
Tage von ihnen nicht besetzt. Dagegen fand man am nächsten Morgen, daß
Alichanow in der Nacht zuvor auf einem Hügel, der Kiön Tepe heißt und etwa
eine englische Meile von Pul i Chisti liegt, eine Abteilung von Sarnks aus
Julatcm aufgestellt hatte. Unser Berichterstatter zieht daraus deu Schluß:
"Es ist unbegründet, wenn die Russen behaupten, sie hätten vor der Attacke
vom 30. März Pul i Chisti innegehabt. Es war nur ein Vorwand. Und
jetzt, wo jener uuprovozirte Angriff Gegenstand eines Schiedsspruches werden
soll, ist es höchst wünschenswert, gemalt zu wissen, daß das ganze Vorgehen der
Russen, mit dem sie ihren Gewaltschritt rechtfertigen, sich nicht auf Wirklich¬
keit, sondern auf einen geographischen Irrtum basirt, den man sich zunutze
machte."

Der Rückzug der Russen am 20. Februar wirkte auf die Saruks von
Peudschdeh in einem den Engländern vorteilhaften Sinne. Sie erboten sich
sogar beim Widerstande gegen die Russen mitzuwirken, aber die Unklarheit der
Politik Gladstones und Granvilles ließ die Kommission nicht zu dein Entschlüsse
kommen, Widerstand zu leisten und von ihrem Anerbieten Gebrauch zu machen.
Man ermahnte sie abermals, neutral zu bleiben, und tröstete sie im übrigen
so gut als möglich über ihre Zukunft. Es war infolgedessen nicht zu ver¬
wundern, wenn sie Englands Interesse nicht mehr für das ihrige hielten und
den Kommissären, die ihnen nichts zu bieten hatten, endlich ganz den Rücken
kehrten. Alichanows heimliche Intriguen begannen jetzt Frucht zu tragen. Als
an 1. März die Nachricht eintraf, daß in Hasrat Imam russische Infanterie
und Artillerie angelangt sei, merkten die Häuptlinge der Saruks, wie der Wind
blies, und daß es hohe Zeit sei, den Verkehr mit dem britischen Lager abzu-
brechen. Aber noch einmal lächelte deu Kommissären das Glück für eine kurze
Frist. Die russischen Verstärkungen machten in Hasrnt Imam Halt, und die


Die Russen in Jentnilasien.

gierung kannte, so konnte er ihnen nur die Versicherung geben, die Kommission
werde ihre Interessen im Auge behalten, und sie mit der Bemerkung, Alichauows
Drohungen seien wahrscheinlich nur Großsprecherei, zu neutralem Verhalten er¬
nähren."

Am 20. Februar forcirte Alichanow die afghanische Stellung bei Urusch
Doschan lind rückte dann gegen den linken Flügel der Afghanen vor, der sich
auf Pul i Chisti stützte. „Ein Trupp russischer Reiter, aus Turkmenen be¬
stehend, zog voran, in der Entfernung einer s englischen j Meile folgte eine
Schwadron Kosaken, und weiter entfernt waren zwischen den Hügeln mehr
Truppen sichtbar. Ein afghanischer Offizier ritt den Russen entgegen und sagte
dem Befehlshaber derselben, wenn er weiter vorginge, so würden seine Leute
das Feuer auf ihn eröffnen. Nach einigem Parlamentiren erlaubte man einem
russischen Offizier und drei Manu, unter afghanischer Bedeckung sich bis nach
Pul i Chisti zu begeben, und nachdem er von dort zurückgekehrt war, traten
die Russen sämtlich den Rückmarsch an." Pul i Chisti wurde also an diesem
Tage von ihnen nicht besetzt. Dagegen fand man am nächsten Morgen, daß
Alichanow in der Nacht zuvor auf einem Hügel, der Kiön Tepe heißt und etwa
eine englische Meile von Pul i Chisti liegt, eine Abteilung von Sarnks aus
Julatcm aufgestellt hatte. Unser Berichterstatter zieht daraus deu Schluß:
„Es ist unbegründet, wenn die Russen behaupten, sie hätten vor der Attacke
vom 30. März Pul i Chisti innegehabt. Es war nur ein Vorwand. Und
jetzt, wo jener uuprovozirte Angriff Gegenstand eines Schiedsspruches werden
soll, ist es höchst wünschenswert, gemalt zu wissen, daß das ganze Vorgehen der
Russen, mit dem sie ihren Gewaltschritt rechtfertigen, sich nicht auf Wirklich¬
keit, sondern auf einen geographischen Irrtum basirt, den man sich zunutze
machte."

Der Rückzug der Russen am 20. Februar wirkte auf die Saruks von
Peudschdeh in einem den Engländern vorteilhaften Sinne. Sie erboten sich
sogar beim Widerstande gegen die Russen mitzuwirken, aber die Unklarheit der
Politik Gladstones und Granvilles ließ die Kommission nicht zu dein Entschlüsse
kommen, Widerstand zu leisten und von ihrem Anerbieten Gebrauch zu machen.
Man ermahnte sie abermals, neutral zu bleiben, und tröstete sie im übrigen
so gut als möglich über ihre Zukunft. Es war infolgedessen nicht zu ver¬
wundern, wenn sie Englands Interesse nicht mehr für das ihrige hielten und
den Kommissären, die ihnen nichts zu bieten hatten, endlich ganz den Rücken
kehrten. Alichanows heimliche Intriguen begannen jetzt Frucht zu tragen. Als
an 1. März die Nachricht eintraf, daß in Hasrat Imam russische Infanterie
und Artillerie angelangt sei, merkten die Häuptlinge der Saruks, wie der Wind
blies, und daß es hohe Zeit sei, den Verkehr mit dem britischen Lager abzu-
brechen. Aber noch einmal lächelte deu Kommissären das Glück für eine kurze
Frist. Die russischen Verstärkungen machten in Hasrnt Imam Halt, und die


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[0492] Die Russen in Jentnilasien. gierung kannte, so konnte er ihnen nur die Versicherung geben, die Kommission werde ihre Interessen im Auge behalten, und sie mit der Bemerkung, Alichauows Drohungen seien wahrscheinlich nur Großsprecherei, zu neutralem Verhalten er¬ nähren." Am 20. Februar forcirte Alichanow die afghanische Stellung bei Urusch Doschan lind rückte dann gegen den linken Flügel der Afghanen vor, der sich auf Pul i Chisti stützte. „Ein Trupp russischer Reiter, aus Turkmenen be¬ stehend, zog voran, in der Entfernung einer s englischen j Meile folgte eine Schwadron Kosaken, und weiter entfernt waren zwischen den Hügeln mehr Truppen sichtbar. Ein afghanischer Offizier ritt den Russen entgegen und sagte dem Befehlshaber derselben, wenn er weiter vorginge, so würden seine Leute das Feuer auf ihn eröffnen. Nach einigem Parlamentiren erlaubte man einem russischen Offizier und drei Manu, unter afghanischer Bedeckung sich bis nach Pul i Chisti zu begeben, und nachdem er von dort zurückgekehrt war, traten die Russen sämtlich den Rückmarsch an." Pul i Chisti wurde also an diesem Tage von ihnen nicht besetzt. Dagegen fand man am nächsten Morgen, daß Alichanow in der Nacht zuvor auf einem Hügel, der Kiön Tepe heißt und etwa eine englische Meile von Pul i Chisti liegt, eine Abteilung von Sarnks aus Julatcm aufgestellt hatte. Unser Berichterstatter zieht daraus deu Schluß: „Es ist unbegründet, wenn die Russen behaupten, sie hätten vor der Attacke vom 30. März Pul i Chisti innegehabt. Es war nur ein Vorwand. Und jetzt, wo jener uuprovozirte Angriff Gegenstand eines Schiedsspruches werden soll, ist es höchst wünschenswert, gemalt zu wissen, daß das ganze Vorgehen der Russen, mit dem sie ihren Gewaltschritt rechtfertigen, sich nicht auf Wirklich¬ keit, sondern auf einen geographischen Irrtum basirt, den man sich zunutze machte." Der Rückzug der Russen am 20. Februar wirkte auf die Saruks von Peudschdeh in einem den Engländern vorteilhaften Sinne. Sie erboten sich sogar beim Widerstande gegen die Russen mitzuwirken, aber die Unklarheit der Politik Gladstones und Granvilles ließ die Kommission nicht zu dein Entschlüsse kommen, Widerstand zu leisten und von ihrem Anerbieten Gebrauch zu machen. Man ermahnte sie abermals, neutral zu bleiben, und tröstete sie im übrigen so gut als möglich über ihre Zukunft. Es war infolgedessen nicht zu ver¬ wundern, wenn sie Englands Interesse nicht mehr für das ihrige hielten und den Kommissären, die ihnen nichts zu bieten hatten, endlich ganz den Rücken kehrten. Alichanows heimliche Intriguen begannen jetzt Frucht zu tragen. Als an 1. März die Nachricht eintraf, daß in Hasrat Imam russische Infanterie und Artillerie angelangt sei, merkten die Häuptlinge der Saruks, wie der Wind blies, und daß es hohe Zeit sei, den Verkehr mit dem britischen Lager abzu- brechen. Aber noch einmal lächelte deu Kommissären das Glück für eine kurze Frist. Die russischen Verstärkungen machten in Hasrnt Imam Halt, und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/492>, abgerufen am 25.11.2024.