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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentralasien.

blieben, und als Lumsden das benachbarte Sarachs am 11. November verließ,
marschirte jener weiter auf Pendschdeh zu. Die Afghanen in Urusch Doschan
wichen vor ihm, aber das Eintreffen von Verstärkungen für sie gebot ihm
Halt, auch erfolgte die von ihm erhoffte Erhebung der Saruks nicht. Sie
wollten nicht russisch werden und erwarteten Unterstützung von den englischen
Kommissären, aber der Agent des Emirs Abdurrachman, Kahl Saat Eddin,
that alles, was er konnte, um jeden Verkehr der Saruks mit jenen zu ver¬
hindern, und als dennoch eine Gesandtschaft derselben bei Lumsden erschien und
dort Geschenke empfing, die beiläufig unklug verteilt wurden und so nur böses
Blut machten und bei den Häuptlingen einen Umschlag der Stimmung zu Un-
gunsten Englands hervorriefen, ließ der Afghane sogar einen Teil der Leute
verhaften. Der größere Teil der Kommission verließ Baka Margab am
15. Februar und erreichte Kalas i Maur am Kaschkflusse am 18. Als sie am
9. etwa zwanzig Meilen von Pendschdeh waren, hörten sie, daß die Nüssen die
afghanischen Vorposten in Aimcik Dschari und Saryjasi angegriffen, sich aber
dann bald entfernt hätten. Oberst Nidgeway und Kapitän Laesson suchten sie
auf Befehl Lumsdeus auf, um durch Besprechung mit ihnen weitere Zusammen¬
stöße zu verhüten, die russischen Offiziere gingen den beiden Engländern jedoch
sorgfältig aus dem Wege. Während der Abwesenheit der letztern verschlimmerte
sich die Stimmung unter den Saruks; sie hatten gehört, daß in Hasrat Imam Ver¬
stärkungen für die Russen eingetroffen seien, und glaubten, die Engländer würden
sie verlassen. Sie dachten deshalb um Aufstand gegen ihre afghanischen Gebieter
und Übergang zu Alichanow, der sie fortwährend aufreizte, während der Agent
des Emirs fortfuhr, sie vom Verkehr mit deu britischen Offizieren fernzuhalten.
Am 18. Februar erlangte Nidgeway in einer Besprechung mit Kahl Saat Eddin
Erlaubnis für die Saruks, ihn in Pendschdeh zu besuchen. An demselben
Tage ersuchte er brieflich Alichanow, der sich in Hasrat Imam befand, sich mit
ihm zur Vermeidung einer Kollision zu verständigen, empfing jedoch die Ant¬
wort, wenn die afghanischen Vorposten nicht auf Pul i Chisti zurückgezogen
würden, so werde er sie dazu zwingen. Lumsden ordnete darauf den Rückgang
derselben nach Urusch Doschan an und schrieb Alichauow, wenn er bis zu diesem
Punkte vorrücke, müsse es zu einem Zusammenstoße kommen.

Als Nidgeway am 19. nach Pendschdeh zurückkehrte, besuchten ihn die
Sarnks in Masse und baten um seinen Rat. "Was sie sagten, war -- wir
zitiren im nächstfolgenden auszugsweise den Bericht eines bei dieser Angelegenheit
beteiligten Engländers -- in der Kürze folgendes: "Wir ziehen die britische
Herrschaft der russischen bei weitem vor. Wir wissen, daß die Afghanen den
Nüssen ohne englische Unterstützung nicht widerstehen können. Wenn uns daher
die britische Regierung nicht bestimmt ihren Beistand versprechen kann, müssen
wir uus, um uus selbst sicherzustellen, ohne Verzug den Russen unterwerfen."
Da Oberst Nidgeway die, gelind gesagt, sehr unbestimmte Politik seiner Re-


Die Russen in Zentralasien.

blieben, und als Lumsden das benachbarte Sarachs am 11. November verließ,
marschirte jener weiter auf Pendschdeh zu. Die Afghanen in Urusch Doschan
wichen vor ihm, aber das Eintreffen von Verstärkungen für sie gebot ihm
Halt, auch erfolgte die von ihm erhoffte Erhebung der Saruks nicht. Sie
wollten nicht russisch werden und erwarteten Unterstützung von den englischen
Kommissären, aber der Agent des Emirs Abdurrachman, Kahl Saat Eddin,
that alles, was er konnte, um jeden Verkehr der Saruks mit jenen zu ver¬
hindern, und als dennoch eine Gesandtschaft derselben bei Lumsden erschien und
dort Geschenke empfing, die beiläufig unklug verteilt wurden und so nur böses
Blut machten und bei den Häuptlingen einen Umschlag der Stimmung zu Un-
gunsten Englands hervorriefen, ließ der Afghane sogar einen Teil der Leute
verhaften. Der größere Teil der Kommission verließ Baka Margab am
15. Februar und erreichte Kalas i Maur am Kaschkflusse am 18. Als sie am
9. etwa zwanzig Meilen von Pendschdeh waren, hörten sie, daß die Nüssen die
afghanischen Vorposten in Aimcik Dschari und Saryjasi angegriffen, sich aber
dann bald entfernt hätten. Oberst Nidgeway und Kapitän Laesson suchten sie
auf Befehl Lumsdeus auf, um durch Besprechung mit ihnen weitere Zusammen¬
stöße zu verhüten, die russischen Offiziere gingen den beiden Engländern jedoch
sorgfältig aus dem Wege. Während der Abwesenheit der letztern verschlimmerte
sich die Stimmung unter den Saruks; sie hatten gehört, daß in Hasrat Imam Ver¬
stärkungen für die Russen eingetroffen seien, und glaubten, die Engländer würden
sie verlassen. Sie dachten deshalb um Aufstand gegen ihre afghanischen Gebieter
und Übergang zu Alichanow, der sie fortwährend aufreizte, während der Agent
des Emirs fortfuhr, sie vom Verkehr mit deu britischen Offizieren fernzuhalten.
Am 18. Februar erlangte Nidgeway in einer Besprechung mit Kahl Saat Eddin
Erlaubnis für die Saruks, ihn in Pendschdeh zu besuchen. An demselben
Tage ersuchte er brieflich Alichanow, der sich in Hasrat Imam befand, sich mit
ihm zur Vermeidung einer Kollision zu verständigen, empfing jedoch die Ant¬
wort, wenn die afghanischen Vorposten nicht auf Pul i Chisti zurückgezogen
würden, so werde er sie dazu zwingen. Lumsden ordnete darauf den Rückgang
derselben nach Urusch Doschan an und schrieb Alichauow, wenn er bis zu diesem
Punkte vorrücke, müsse es zu einem Zusammenstoße kommen.

Als Nidgeway am 19. nach Pendschdeh zurückkehrte, besuchten ihn die
Sarnks in Masse und baten um seinen Rat. „Was sie sagten, war — wir
zitiren im nächstfolgenden auszugsweise den Bericht eines bei dieser Angelegenheit
beteiligten Engländers — in der Kürze folgendes: »Wir ziehen die britische
Herrschaft der russischen bei weitem vor. Wir wissen, daß die Afghanen den
Nüssen ohne englische Unterstützung nicht widerstehen können. Wenn uns daher
die britische Regierung nicht bestimmt ihren Beistand versprechen kann, müssen
wir uus, um uus selbst sicherzustellen, ohne Verzug den Russen unterwerfen.«
Da Oberst Nidgeway die, gelind gesagt, sehr unbestimmte Politik seiner Re-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/491>, abgerufen am 25.11.2024.