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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine perle.

Du warst der einzige Eingeweihte?

Hätte ich sonst Anspruch auf Euer Vertrauen?

Das hätte dich noch lange nicht in den Verdacht gebracht, du seiest ein
Plauderer. Die Sache ist unklar, Antonio Maria. Bekenne doch lieber: ich
wußte nichts; auch ich habe ja das Nämliche bekannt.

Der Herzog machte eine begütigende Handbewegung, als werde er es den
Geständigen nicht entgelten lassen.

Altezza, versetzte Antonio Maria, Ihr habt noch manche Gelegenheit,
meine Wahrhaftigkeit zu prüfen. Wollt Ihr denjenigen, der von nun an in
so viele Eurer Geheimnisse Einblick gewinnen wird, nicht durch bedingungs¬
loses Vertraue" zu Dank verpflichten?

Aber warum, warum durfte ich's nicht wissen? rief der Herzog sich er¬
eifernd; wer gab dir das Recht, anzunehmen, daß ich meinem Vetter ans Leben
gewollt hätte?

Ich nahm mir dieses Recht, entgegnete Antonio Maria, und hätte in
diesem Augenblicke mein Haupt demütig vor Euerm Zorn, Altezza, zu beugen;
aber Ihr selbst gabt mir ja schon den Dispens. Oder horte ich falsch? Sagtet
Ihr nicht, ich hätte -- da ganz Mantua Euern erlauchten Vetter doch ja schon
für tot hielt -- mit der Frage an Euch herantreten sollen: Vielleicht habt Ihr
mir Aufträge zu geben, Altezza?

Um Francescos Lippen spielte ein unheimliches Lächeln; es schoß ihm
flüchtig der Gedanke durch den Kopf: dieser Schelm hat seine Brutus-Rolle zu
gut gespielt, wie? Sollte ich mir etwa in dieser Kreatur einen zweiten Mentor
herangezogen beiden? An dem moralisirenden Primaticcio werde ich schon mehr
als genug haben!

Gut, nahm der Herzog von neuem das Wort, indem er wie nach reif¬
lichem Erwägen zu einem sehr ernsten Schritte sich anzuschicken schien, gut,
mein ehrlicher Freund, ich habe in der That dir einen Auftrag zu geben.

Er verfitzte sich an das Ende des Zimmers, öffnete einen geheimen Wand¬
schrank, ans welchem in goldnen Lettern einige verschnörkelte Worte standen,
suchte eine Weile unter verschiednen dort aufgestellten leeren Fläschchen, füllte
eines derselben bis zur Hälfte mit einem weißen Pulver, verstöpselte das
Fläschchen und winkte, nachdem er den Wandschrank wieder geschlossen hatte,
den neuen Sbirrenchef heran.

Hier ist mein Auftrag, sagte er bedeutungsvoll, indem er Antonio Maria
das Fläschchen in die Hand drückte und ihn dabei mit halbgeschlossenen Augen
anblickte; in einer Stunde meldest du mir -- wie ihm der Trank bekam.

Der Mund Antonio Marias öffnete sich zu einer erschreckten Frage. Seine
Stirn perlte von Schweiß.

Aber Francesco wies nach der Thür.

Und mit unsicherm Schritte wankte der Sbirrenchef hinaus.


Grenzboten III. I Mo. 6
Um eine perle.

Du warst der einzige Eingeweihte?

Hätte ich sonst Anspruch auf Euer Vertrauen?

Das hätte dich noch lange nicht in den Verdacht gebracht, du seiest ein
Plauderer. Die Sache ist unklar, Antonio Maria. Bekenne doch lieber: ich
wußte nichts; auch ich habe ja das Nämliche bekannt.

Der Herzog machte eine begütigende Handbewegung, als werde er es den
Geständigen nicht entgelten lassen.

Altezza, versetzte Antonio Maria, Ihr habt noch manche Gelegenheit,
meine Wahrhaftigkeit zu prüfen. Wollt Ihr denjenigen, der von nun an in
so viele Eurer Geheimnisse Einblick gewinnen wird, nicht durch bedingungs¬
loses Vertraue» zu Dank verpflichten?

Aber warum, warum durfte ich's nicht wissen? rief der Herzog sich er¬
eifernd; wer gab dir das Recht, anzunehmen, daß ich meinem Vetter ans Leben
gewollt hätte?

Ich nahm mir dieses Recht, entgegnete Antonio Maria, und hätte in
diesem Augenblicke mein Haupt demütig vor Euerm Zorn, Altezza, zu beugen;
aber Ihr selbst gabt mir ja schon den Dispens. Oder horte ich falsch? Sagtet
Ihr nicht, ich hätte — da ganz Mantua Euern erlauchten Vetter doch ja schon
für tot hielt — mit der Frage an Euch herantreten sollen: Vielleicht habt Ihr
mir Aufträge zu geben, Altezza?

Um Francescos Lippen spielte ein unheimliches Lächeln; es schoß ihm
flüchtig der Gedanke durch den Kopf: dieser Schelm hat seine Brutus-Rolle zu
gut gespielt, wie? Sollte ich mir etwa in dieser Kreatur einen zweiten Mentor
herangezogen beiden? An dem moralisirenden Primaticcio werde ich schon mehr
als genug haben!

Gut, nahm der Herzog von neuem das Wort, indem er wie nach reif¬
lichem Erwägen zu einem sehr ernsten Schritte sich anzuschicken schien, gut,
mein ehrlicher Freund, ich habe in der That dir einen Auftrag zu geben.

Er verfitzte sich an das Ende des Zimmers, öffnete einen geheimen Wand¬
schrank, ans welchem in goldnen Lettern einige verschnörkelte Worte standen,
suchte eine Weile unter verschiednen dort aufgestellten leeren Fläschchen, füllte
eines derselben bis zur Hälfte mit einem weißen Pulver, verstöpselte das
Fläschchen und winkte, nachdem er den Wandschrank wieder geschlossen hatte,
den neuen Sbirrenchef heran.

Hier ist mein Auftrag, sagte er bedeutungsvoll, indem er Antonio Maria
das Fläschchen in die Hand drückte und ihn dabei mit halbgeschlossenen Augen
anblickte; in einer Stunde meldest du mir — wie ihm der Trank bekam.

Der Mund Antonio Marias öffnete sich zu einer erschreckten Frage. Seine
Stirn perlte von Schweiß.

Aber Francesco wies nach der Thür.

Und mit unsicherm Schritte wankte der Sbirrenchef hinaus.


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[0049] Um eine perle. Du warst der einzige Eingeweihte? Hätte ich sonst Anspruch auf Euer Vertrauen? Das hätte dich noch lange nicht in den Verdacht gebracht, du seiest ein Plauderer. Die Sache ist unklar, Antonio Maria. Bekenne doch lieber: ich wußte nichts; auch ich habe ja das Nämliche bekannt. Der Herzog machte eine begütigende Handbewegung, als werde er es den Geständigen nicht entgelten lassen. Altezza, versetzte Antonio Maria, Ihr habt noch manche Gelegenheit, meine Wahrhaftigkeit zu prüfen. Wollt Ihr denjenigen, der von nun an in so viele Eurer Geheimnisse Einblick gewinnen wird, nicht durch bedingungs¬ loses Vertraue» zu Dank verpflichten? Aber warum, warum durfte ich's nicht wissen? rief der Herzog sich er¬ eifernd; wer gab dir das Recht, anzunehmen, daß ich meinem Vetter ans Leben gewollt hätte? Ich nahm mir dieses Recht, entgegnete Antonio Maria, und hätte in diesem Augenblicke mein Haupt demütig vor Euerm Zorn, Altezza, zu beugen; aber Ihr selbst gabt mir ja schon den Dispens. Oder horte ich falsch? Sagtet Ihr nicht, ich hätte — da ganz Mantua Euern erlauchten Vetter doch ja schon für tot hielt — mit der Frage an Euch herantreten sollen: Vielleicht habt Ihr mir Aufträge zu geben, Altezza? Um Francescos Lippen spielte ein unheimliches Lächeln; es schoß ihm flüchtig der Gedanke durch den Kopf: dieser Schelm hat seine Brutus-Rolle zu gut gespielt, wie? Sollte ich mir etwa in dieser Kreatur einen zweiten Mentor herangezogen beiden? An dem moralisirenden Primaticcio werde ich schon mehr als genug haben! Gut, nahm der Herzog von neuem das Wort, indem er wie nach reif¬ lichem Erwägen zu einem sehr ernsten Schritte sich anzuschicken schien, gut, mein ehrlicher Freund, ich habe in der That dir einen Auftrag zu geben. Er verfitzte sich an das Ende des Zimmers, öffnete einen geheimen Wand¬ schrank, ans welchem in goldnen Lettern einige verschnörkelte Worte standen, suchte eine Weile unter verschiednen dort aufgestellten leeren Fläschchen, füllte eines derselben bis zur Hälfte mit einem weißen Pulver, verstöpselte das Fläschchen und winkte, nachdem er den Wandschrank wieder geschlossen hatte, den neuen Sbirrenchef heran. Hier ist mein Auftrag, sagte er bedeutungsvoll, indem er Antonio Maria das Fläschchen in die Hand drückte und ihn dabei mit halbgeschlossenen Augen anblickte; in einer Stunde meldest du mir — wie ihm der Trank bekam. Der Mund Antonio Marias öffnete sich zu einer erschreckten Frage. Seine Stirn perlte von Schweiß. Aber Francesco wies nach der Thür. Und mit unsicherm Schritte wankte der Sbirrenchef hinaus. Grenzboten III. I Mo. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/49>, abgerufen am 01.09.2024.