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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine Perle.

Parlatorio; er hat nach dieser Ursnlinerin gefragt, und als man ihm bedeutete,
sie spaziere mit der Frau Domina im Garten, hat er diesen Zettel für sie be¬
schrieben.

Du nennst mich Domina? fragte Giuseppa mit einem unterdrückten Seufzer.

Man kommt schon, um dich in den Kapitelsaal zu führen, Santa Giu¬
seppa, antwortete die Novize, indem sie nach der Seite des Klosters deutete,
und gleichzeitig ertönte von dorther der Gesang Vsui, orvator.

Die Friaulerin war bei dem Worte Verona rot geworden wie der Saft
eines Granatapfels. Sie zupfte ihr graues Unterkleid und dann ihren schwarzen
Rock zurecht.

Giuseppa reichte ihr den Zettel. Aber Enfemia bat: Leset! sie hatte nie
Geschriebenes lesen können.

Wie sieht der Mann ans? fragte Giuseppa die Novize, indem sie den
Zettel entfaltete.

Wie ein feiner Kavalier auszusehen pflegt, lautete die Antwort, auch das
Sattelzeug seines Grauschimmels ist nicht übel.

Die Friaulerin wischte eine Thräne aus den Augen; er ist es und er hat
sich gebessert, schluchzte sie, ich sagte es ja, beste Signora! Und meiner sich
noch zu erinnern! Nervö al Dio! Welch ein Gedächtnis!

Giuseppa las: Schönste Signora Enfemia! Der Kriegsspektakel ist vorüber.
Das Scheusal, an dem man stirbt, hat sich auch empfohlen. Mein Pferde-
Handel blüht. Meine Knochen sind endlich wieder heil. Wie wäre es nun?

Beppo.

Eufemia lief mit glühenden Wangen in großer Aufregung hin und her.
Aber ist denn das möglich! rief sie, nach so vielen Jahren! Kann ich mich
denn in dieser Tracht sehen lassen, beste Signora? Und wie kann er denn
verlangen, daß ich mich so plitz platz entscheide! Der Sturmrenner! Der Hetz¬
peitscher! Der -- der -- Sie hatte völlig den Kopf verloren.

Giuseppa suchte sie zu bestimmen, sich wenigstens erst wieder zu sammeln.
Die Novize wurde daher zunächst mit der Bitte an den Veroneser fortgeschickt,
der Signore möge sich etwas gedulden. Aber die Friaulerin ängstigte sich doch,
wie sie sagte, die junge Novize könne ihm etwas Verkehrtes ausrichten, und ge¬
duldet, meinte sie, hat er sich doch anch wahrlich lange genug. So ergriff
Eufemia denn beide Hände ihrer einstigen lieben Herrin, drückte ihre Lippen
darauf und eilte mit den Worten davon: Was kann man gegen den Willen des
Himmels!

Sie hat Recht, sagte Giuseppa und ging mit dem Entschlüsse, die ihrer
wartenden Pflichten nicht bloß geduldig, sondern frohen Herzens auf sich zu
nehmen, den singend mit Standarten und brennenden Lichtern unter dein immer¬
grünen Laubdache heranziehenden Schwestern entgegen.




Um eine Perle.

Parlatorio; er hat nach dieser Ursnlinerin gefragt, und als man ihm bedeutete,
sie spaziere mit der Frau Domina im Garten, hat er diesen Zettel für sie be¬
schrieben.

Du nennst mich Domina? fragte Giuseppa mit einem unterdrückten Seufzer.

Man kommt schon, um dich in den Kapitelsaal zu führen, Santa Giu¬
seppa, antwortete die Novize, indem sie nach der Seite des Klosters deutete,
und gleichzeitig ertönte von dorther der Gesang Vsui, orvator.

Die Friaulerin war bei dem Worte Verona rot geworden wie der Saft
eines Granatapfels. Sie zupfte ihr graues Unterkleid und dann ihren schwarzen
Rock zurecht.

Giuseppa reichte ihr den Zettel. Aber Enfemia bat: Leset! sie hatte nie
Geschriebenes lesen können.

Wie sieht der Mann ans? fragte Giuseppa die Novize, indem sie den
Zettel entfaltete.

Wie ein feiner Kavalier auszusehen pflegt, lautete die Antwort, auch das
Sattelzeug seines Grauschimmels ist nicht übel.

Die Friaulerin wischte eine Thräne aus den Augen; er ist es und er hat
sich gebessert, schluchzte sie, ich sagte es ja, beste Signora! Und meiner sich
noch zu erinnern! Nervö al Dio! Welch ein Gedächtnis!

Giuseppa las: Schönste Signora Enfemia! Der Kriegsspektakel ist vorüber.
Das Scheusal, an dem man stirbt, hat sich auch empfohlen. Mein Pferde-
Handel blüht. Meine Knochen sind endlich wieder heil. Wie wäre es nun?

Beppo.

Eufemia lief mit glühenden Wangen in großer Aufregung hin und her.
Aber ist denn das möglich! rief sie, nach so vielen Jahren! Kann ich mich
denn in dieser Tracht sehen lassen, beste Signora? Und wie kann er denn
verlangen, daß ich mich so plitz platz entscheide! Der Sturmrenner! Der Hetz¬
peitscher! Der — der — Sie hatte völlig den Kopf verloren.

Giuseppa suchte sie zu bestimmen, sich wenigstens erst wieder zu sammeln.
Die Novize wurde daher zunächst mit der Bitte an den Veroneser fortgeschickt,
der Signore möge sich etwas gedulden. Aber die Friaulerin ängstigte sich doch,
wie sie sagte, die junge Novize könne ihm etwas Verkehrtes ausrichten, und ge¬
duldet, meinte sie, hat er sich doch anch wahrlich lange genug. So ergriff
Eufemia denn beide Hände ihrer einstigen lieben Herrin, drückte ihre Lippen
darauf und eilte mit den Worten davon: Was kann man gegen den Willen des
Himmels!

Sie hat Recht, sagte Giuseppa und ging mit dem Entschlüsse, die ihrer
wartenden Pflichten nicht bloß geduldig, sondern frohen Herzens auf sich zu
nehmen, den singend mit Standarten und brennenden Lichtern unter dein immer¬
grünen Laubdache heranziehenden Schwestern entgegen.




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[0484] Um eine Perle. Parlatorio; er hat nach dieser Ursnlinerin gefragt, und als man ihm bedeutete, sie spaziere mit der Frau Domina im Garten, hat er diesen Zettel für sie be¬ schrieben. Du nennst mich Domina? fragte Giuseppa mit einem unterdrückten Seufzer. Man kommt schon, um dich in den Kapitelsaal zu führen, Santa Giu¬ seppa, antwortete die Novize, indem sie nach der Seite des Klosters deutete, und gleichzeitig ertönte von dorther der Gesang Vsui, orvator. Die Friaulerin war bei dem Worte Verona rot geworden wie der Saft eines Granatapfels. Sie zupfte ihr graues Unterkleid und dann ihren schwarzen Rock zurecht. Giuseppa reichte ihr den Zettel. Aber Enfemia bat: Leset! sie hatte nie Geschriebenes lesen können. Wie sieht der Mann ans? fragte Giuseppa die Novize, indem sie den Zettel entfaltete. Wie ein feiner Kavalier auszusehen pflegt, lautete die Antwort, auch das Sattelzeug seines Grauschimmels ist nicht übel. Die Friaulerin wischte eine Thräne aus den Augen; er ist es und er hat sich gebessert, schluchzte sie, ich sagte es ja, beste Signora! Und meiner sich noch zu erinnern! Nervö al Dio! Welch ein Gedächtnis! Giuseppa las: Schönste Signora Enfemia! Der Kriegsspektakel ist vorüber. Das Scheusal, an dem man stirbt, hat sich auch empfohlen. Mein Pferde- Handel blüht. Meine Knochen sind endlich wieder heil. Wie wäre es nun? Beppo. Eufemia lief mit glühenden Wangen in großer Aufregung hin und her. Aber ist denn das möglich! rief sie, nach so vielen Jahren! Kann ich mich denn in dieser Tracht sehen lassen, beste Signora? Und wie kann er denn verlangen, daß ich mich so plitz platz entscheide! Der Sturmrenner! Der Hetz¬ peitscher! Der — der — Sie hatte völlig den Kopf verloren. Giuseppa suchte sie zu bestimmen, sich wenigstens erst wieder zu sammeln. Die Novize wurde daher zunächst mit der Bitte an den Veroneser fortgeschickt, der Signore möge sich etwas gedulden. Aber die Friaulerin ängstigte sich doch, wie sie sagte, die junge Novize könne ihm etwas Verkehrtes ausrichten, und ge¬ duldet, meinte sie, hat er sich doch anch wahrlich lange genug. So ergriff Eufemia denn beide Hände ihrer einstigen lieben Herrin, drückte ihre Lippen darauf und eilte mit den Worten davon: Was kann man gegen den Willen des Himmels! Sie hat Recht, sagte Giuseppa und ging mit dem Entschlüsse, die ihrer wartenden Pflichten nicht bloß geduldig, sondern frohen Herzens auf sich zu nehmen, den singend mit Standarten und brennenden Lichtern unter dein immer¬ grünen Laubdache heranziehenden Schwestern entgegen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/484>, abgerufen am 23.11.2024.