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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

von Hessen war eine ganze Frau, gleich ausgezeichnet als Regentin, Gattin,
Mutter und Freundin. Sie würde vermöge der ihr innewohnenden Fähig¬
keiten und Eigenschaften ebensowohl dem glänzendsten Throne zur Zierde
gereicht haben, wie sie dem kleinen Lande und seiner Hauptstadt eine Bedeu¬
tung und Anziehungskraft verlieh, die ihm sonst nicht im entferntesten zuge¬
kommen wäre.

Es ist eines der schönsten Vorrechte der Frauen, nicht selbst zu schaffen
-- denn nur in den seltensten Fällen gelingt dies ohne Einbuße der Eigenart
derselben --, sondern erweckend, aufmunternd und leitend auf die hervorragend¬
sten Männer und deren Arbeiten in Kunst und Wissenschaft einzuwirken. Zu
diesen edeln Frauengestalten gehört unsre Landgräfin. Wenn Goethe von dem
Dnrmstädter Kreise sagt: "Wie sehr er mich belebte und förderte, wäre nicht
auszusprechen," so dürfen wir uns als den Mittelpunkt dieses Kreises die für
alles Gute und Schöne begeisterte Landgräfin denken. Die Beziehungen des
Dichterfürsten zu ihr wurde" von dem bekannten Kriegsrat Johann Heinrich
Merk eingeleitet, welcher zugleich Lehrer der Prinzessinnen war. Ein zweiter
Sammelplatz der schönen Geister Darmstadts war das Hans des Geheimen
Rates Hesse, dessen Schwägerin Karoline Flachsland die spätere Gattin Herders
war. Häufig versammelte auch die Landgräfin deu geistreichen Kreis um sich,
dessen einheimische Genossen außer Merk und Hesse der Geschichtsforscher Werk,
die Prinzeuerzicher Petersen und Leuchseuriug, der Hvfkavnlier von Thrantcnbach,
Fräulein von Ziegler, von Goethe als Lila besungen, und Fräulein von Nons-
sillvn, die Urania Goethes, waren.

Im Jahre 1770 trat Herder in diesen Kreis ein, als er als Lehrer und
Neiseprediger des Prinzen von Holstein, dessen Mutter eine darmstädtische Prin¬
zessin war, zu einem Aufenthalte von mehreren Wochen hierher gekommen war.
Gleich während dieses ersten Aufenthaltes verlobte er sich mit Karoline Flachs¬
land. Seit 1772 kam dann Goethe von Frankfurt aus nach Darmstadt. Die
in dieser Zeit um Herder gerichteten Briefe seiner Verlobten geben uns ins ein¬
zelne gehende Berichte über diese Besuche. Schon bei dem ersten derselben
soll die Begegnung Goethes mit der Lnndgräsin stattgefunden haben, welche
die Tradition und ihr folgend die erzählende und dramatische Dichtung in
höchst unwahrscheinlicher Ausschmückung in die Grabesgrvtte verlegt haben.
Auch Wieland, Gleim und Sophie La Noche kamen in jenen Jahren nach
Darmstadt.

Aber nicht bloß zu den Heroen unsrer deutschen Literatur trat die Land¬
gräfin in nähere Beziehungen. Schon seit dem Jahre 1756 war sie mit dem
Eneyklopädisten Grimm in einen Briefwechsel getreten, der von da an bis zu
ihrem Tode fortdauerte. Sie bezog seine vorrvLponcleiioö Mtör-üre und be¬
diente sich seines Beirath in allen ihren literarischen und künstlerischen Anliegen.
Sie führte ihn bei Friedrich dem Großen und bei der Kaiserin Katharina ein.


Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

von Hessen war eine ganze Frau, gleich ausgezeichnet als Regentin, Gattin,
Mutter und Freundin. Sie würde vermöge der ihr innewohnenden Fähig¬
keiten und Eigenschaften ebensowohl dem glänzendsten Throne zur Zierde
gereicht haben, wie sie dem kleinen Lande und seiner Hauptstadt eine Bedeu¬
tung und Anziehungskraft verlieh, die ihm sonst nicht im entferntesten zuge¬
kommen wäre.

Es ist eines der schönsten Vorrechte der Frauen, nicht selbst zu schaffen
— denn nur in den seltensten Fällen gelingt dies ohne Einbuße der Eigenart
derselben —, sondern erweckend, aufmunternd und leitend auf die hervorragend¬
sten Männer und deren Arbeiten in Kunst und Wissenschaft einzuwirken. Zu
diesen edeln Frauengestalten gehört unsre Landgräfin. Wenn Goethe von dem
Dnrmstädter Kreise sagt: „Wie sehr er mich belebte und förderte, wäre nicht
auszusprechen," so dürfen wir uns als den Mittelpunkt dieses Kreises die für
alles Gute und Schöne begeisterte Landgräfin denken. Die Beziehungen des
Dichterfürsten zu ihr wurde« von dem bekannten Kriegsrat Johann Heinrich
Merk eingeleitet, welcher zugleich Lehrer der Prinzessinnen war. Ein zweiter
Sammelplatz der schönen Geister Darmstadts war das Hans des Geheimen
Rates Hesse, dessen Schwägerin Karoline Flachsland die spätere Gattin Herders
war. Häufig versammelte auch die Landgräfin deu geistreichen Kreis um sich,
dessen einheimische Genossen außer Merk und Hesse der Geschichtsforscher Werk,
die Prinzeuerzicher Petersen und Leuchseuriug, der Hvfkavnlier von Thrantcnbach,
Fräulein von Ziegler, von Goethe als Lila besungen, und Fräulein von Nons-
sillvn, die Urania Goethes, waren.

Im Jahre 1770 trat Herder in diesen Kreis ein, als er als Lehrer und
Neiseprediger des Prinzen von Holstein, dessen Mutter eine darmstädtische Prin¬
zessin war, zu einem Aufenthalte von mehreren Wochen hierher gekommen war.
Gleich während dieses ersten Aufenthaltes verlobte er sich mit Karoline Flachs¬
land. Seit 1772 kam dann Goethe von Frankfurt aus nach Darmstadt. Die
in dieser Zeit um Herder gerichteten Briefe seiner Verlobten geben uns ins ein¬
zelne gehende Berichte über diese Besuche. Schon bei dem ersten derselben
soll die Begegnung Goethes mit der Lnndgräsin stattgefunden haben, welche
die Tradition und ihr folgend die erzählende und dramatische Dichtung in
höchst unwahrscheinlicher Ausschmückung in die Grabesgrvtte verlegt haben.
Auch Wieland, Gleim und Sophie La Noche kamen in jenen Jahren nach
Darmstadt.

Aber nicht bloß zu den Heroen unsrer deutschen Literatur trat die Land¬
gräfin in nähere Beziehungen. Schon seit dem Jahre 1756 war sie mit dem
Eneyklopädisten Grimm in einen Briefwechsel getreten, der von da an bis zu
ihrem Tode fortdauerte. Sie bezog seine vorrvLponcleiioö Mtör-üre und be¬
diente sich seines Beirath in allen ihren literarischen und künstlerischen Anliegen.
Sie führte ihn bei Friedrich dem Großen und bei der Kaiserin Katharina ein.


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[0467] Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. von Hessen war eine ganze Frau, gleich ausgezeichnet als Regentin, Gattin, Mutter und Freundin. Sie würde vermöge der ihr innewohnenden Fähig¬ keiten und Eigenschaften ebensowohl dem glänzendsten Throne zur Zierde gereicht haben, wie sie dem kleinen Lande und seiner Hauptstadt eine Bedeu¬ tung und Anziehungskraft verlieh, die ihm sonst nicht im entferntesten zuge¬ kommen wäre. Es ist eines der schönsten Vorrechte der Frauen, nicht selbst zu schaffen — denn nur in den seltensten Fällen gelingt dies ohne Einbuße der Eigenart derselben —, sondern erweckend, aufmunternd und leitend auf die hervorragend¬ sten Männer und deren Arbeiten in Kunst und Wissenschaft einzuwirken. Zu diesen edeln Frauengestalten gehört unsre Landgräfin. Wenn Goethe von dem Dnrmstädter Kreise sagt: „Wie sehr er mich belebte und förderte, wäre nicht auszusprechen," so dürfen wir uns als den Mittelpunkt dieses Kreises die für alles Gute und Schöne begeisterte Landgräfin denken. Die Beziehungen des Dichterfürsten zu ihr wurde« von dem bekannten Kriegsrat Johann Heinrich Merk eingeleitet, welcher zugleich Lehrer der Prinzessinnen war. Ein zweiter Sammelplatz der schönen Geister Darmstadts war das Hans des Geheimen Rates Hesse, dessen Schwägerin Karoline Flachsland die spätere Gattin Herders war. Häufig versammelte auch die Landgräfin deu geistreichen Kreis um sich, dessen einheimische Genossen außer Merk und Hesse der Geschichtsforscher Werk, die Prinzeuerzicher Petersen und Leuchseuriug, der Hvfkavnlier von Thrantcnbach, Fräulein von Ziegler, von Goethe als Lila besungen, und Fräulein von Nons- sillvn, die Urania Goethes, waren. Im Jahre 1770 trat Herder in diesen Kreis ein, als er als Lehrer und Neiseprediger des Prinzen von Holstein, dessen Mutter eine darmstädtische Prin¬ zessin war, zu einem Aufenthalte von mehreren Wochen hierher gekommen war. Gleich während dieses ersten Aufenthaltes verlobte er sich mit Karoline Flachs¬ land. Seit 1772 kam dann Goethe von Frankfurt aus nach Darmstadt. Die in dieser Zeit um Herder gerichteten Briefe seiner Verlobten geben uns ins ein¬ zelne gehende Berichte über diese Besuche. Schon bei dem ersten derselben soll die Begegnung Goethes mit der Lnndgräsin stattgefunden haben, welche die Tradition und ihr folgend die erzählende und dramatische Dichtung in höchst unwahrscheinlicher Ausschmückung in die Grabesgrvtte verlegt haben. Auch Wieland, Gleim und Sophie La Noche kamen in jenen Jahren nach Darmstadt. Aber nicht bloß zu den Heroen unsrer deutschen Literatur trat die Land¬ gräfin in nähere Beziehungen. Schon seit dem Jahre 1756 war sie mit dem Eneyklopädisten Grimm in einen Briefwechsel getreten, der von da an bis zu ihrem Tode fortdauerte. Sie bezog seine vorrvLponcleiioö Mtör-üre und be¬ diente sich seines Beirath in allen ihren literarischen und künstlerischen Anliegen. Sie führte ihn bei Friedrich dem Großen und bei der Kaiserin Katharina ein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/467>, abgerufen am 01.09.2024.