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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

unsre Wahl auf die Prinzessin Ihre Tochter gefallen ist." Mit Sorge steht
dagegen die Mutter der bevorstehenden glänzenden Verbindung entgegen. "Du
wirst begreifen -- schreibt sie an die vertraute Schwägerin --, daß mich dies
Ereignis mit hoher Freude erfüllt, obgleich ich fühle, daß die meiner Tochter
bestimmte Stellung ebenso Rosen wie Dornen bieten wird; aber ihre Denk- und
Gefühlsweise und ihr Charakter beruhigen mich. Sie ist sehr glücklich über
das Loos, das sie erwartet, aber sie kann nicht begreifen, wie der Prinz sie
andern schönen und reizenden Prinzessinnen vorziehen konnte, da sie weder das
eine noch das andre sei; das macht sie dankbar gegen den Prinzen von Preußen,
und schon glaubt sie ihn zu lieben." Und an den König schrieb die Landgräfin:
"Ich bitte für sie um Nachsicht für die Fehler, die Unerfahrenheit und Mangel
an Gewöhnung ein junges Wesen begehen lassen, welches noch nicht in der
großen Welt gelebt hat." Und als die Tochter bereits Jahre vom Elternhaus
weggezogen ist, waltet über ihr noch die zärtliche Sorge der Mutter. Ihre
zahlreichen Briefe sind voll von trefflichen Ratschlägen oft über die scheinbar
unbedeutendsten Verhältnisse. So schreibt sie der Tochter am 6. Dezember 1771:
"Wo weilst du und bist du, in Berlin oder Potsdam? Ich möchte dich in
jeder Stunde zu finden wissen und dir folgen in allen deinen Beschäftigungen.
Wenn ich Sylphe wäre, würdest du mich dir einige Worte ins Ohr flüstern
hören. Wenn du in ein Zimmer trittst, in dem sich viele Menschen befinden,
würde ich dir ganz leise zuflüstern: alle Augen sind auf die Gemahlin des
Thronerben gerichtet, man erwartet von dir eine noble Haltung, einen erhobenen
Kops. Ein andresmal würde ich dir zuflüstern, daß man die Frisur nicht zum
Schrecken des Mr. Snieder betastet, und daß die Finger nichts im Gesicht und
an der Nase zu thun haben; dann ein andresmal würde dir die Sylphe zu¬
flüstern, daß man den Mund öffnet, wenn man spricht, ohne zu besorgen, daß
man die Zähne sieht, und damit man nicht in Gefahr kommt, sie verbergen zu
müssen, würde die Sylphe raten, dieselben recht rein zu halten; sie würde dir
dann in die Garderobe folgen ... .; sie würde bitten, gleich nach dem Aufstehen
sich frisiren zu lassen oder wenigstens die Haare in Ordnung zu bringen, mau
muß besonders schön sein, wenn ihre Unordnung nicht auffallen soll; sie würde
dir eine recht große Nettigkeit im Morgenanzug empfehlen; wenn derselbe selbst
etwas raffinirt erscheint, schadet das nichts, denn es ist eine Pflicht für eine
junge Frau, sich in den Augen ihres Gemahls so anziehend als möglich zu
machen." Die schwierigen Verhältnisse am Berliner Hofe verlangten einen be¬
sondern Takt. "Ich bin sehr glücklich -- schreibt daher die Mutter einmal --, dich
mit allem, was dich umgiebt, zufrieden zu sehen. Ich bitte dich inständigst, jeden
in seiner Art glücklich zu machen, und wenn du Anwandlungen von übler Laune
und Heftigkeit hast, dich dem einen und dem andern gegenüber zu prüfen;
bemühe dich nicht nur, deine Heftigkeit zu zügeln, sondern sie auszurotten, denn
sie verletzt die Menschen. Um der Liebe Gottes bitte ich dich dafür zu sorgen,


Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

unsre Wahl auf die Prinzessin Ihre Tochter gefallen ist." Mit Sorge steht
dagegen die Mutter der bevorstehenden glänzenden Verbindung entgegen. „Du
wirst begreifen — schreibt sie an die vertraute Schwägerin —, daß mich dies
Ereignis mit hoher Freude erfüllt, obgleich ich fühle, daß die meiner Tochter
bestimmte Stellung ebenso Rosen wie Dornen bieten wird; aber ihre Denk- und
Gefühlsweise und ihr Charakter beruhigen mich. Sie ist sehr glücklich über
das Loos, das sie erwartet, aber sie kann nicht begreifen, wie der Prinz sie
andern schönen und reizenden Prinzessinnen vorziehen konnte, da sie weder das
eine noch das andre sei; das macht sie dankbar gegen den Prinzen von Preußen,
und schon glaubt sie ihn zu lieben." Und an den König schrieb die Landgräfin:
„Ich bitte für sie um Nachsicht für die Fehler, die Unerfahrenheit und Mangel
an Gewöhnung ein junges Wesen begehen lassen, welches noch nicht in der
großen Welt gelebt hat." Und als die Tochter bereits Jahre vom Elternhaus
weggezogen ist, waltet über ihr noch die zärtliche Sorge der Mutter. Ihre
zahlreichen Briefe sind voll von trefflichen Ratschlägen oft über die scheinbar
unbedeutendsten Verhältnisse. So schreibt sie der Tochter am 6. Dezember 1771:
„Wo weilst du und bist du, in Berlin oder Potsdam? Ich möchte dich in
jeder Stunde zu finden wissen und dir folgen in allen deinen Beschäftigungen.
Wenn ich Sylphe wäre, würdest du mich dir einige Worte ins Ohr flüstern
hören. Wenn du in ein Zimmer trittst, in dem sich viele Menschen befinden,
würde ich dir ganz leise zuflüstern: alle Augen sind auf die Gemahlin des
Thronerben gerichtet, man erwartet von dir eine noble Haltung, einen erhobenen
Kops. Ein andresmal würde ich dir zuflüstern, daß man die Frisur nicht zum
Schrecken des Mr. Snieder betastet, und daß die Finger nichts im Gesicht und
an der Nase zu thun haben; dann ein andresmal würde dir die Sylphe zu¬
flüstern, daß man den Mund öffnet, wenn man spricht, ohne zu besorgen, daß
man die Zähne sieht, und damit man nicht in Gefahr kommt, sie verbergen zu
müssen, würde die Sylphe raten, dieselben recht rein zu halten; sie würde dir
dann in die Garderobe folgen ... .; sie würde bitten, gleich nach dem Aufstehen
sich frisiren zu lassen oder wenigstens die Haare in Ordnung zu bringen, mau
muß besonders schön sein, wenn ihre Unordnung nicht auffallen soll; sie würde
dir eine recht große Nettigkeit im Morgenanzug empfehlen; wenn derselbe selbst
etwas raffinirt erscheint, schadet das nichts, denn es ist eine Pflicht für eine
junge Frau, sich in den Augen ihres Gemahls so anziehend als möglich zu
machen." Die schwierigen Verhältnisse am Berliner Hofe verlangten einen be¬
sondern Takt. „Ich bin sehr glücklich — schreibt daher die Mutter einmal —, dich
mit allem, was dich umgiebt, zufrieden zu sehen. Ich bitte dich inständigst, jeden
in seiner Art glücklich zu machen, und wenn du Anwandlungen von übler Laune
und Heftigkeit hast, dich dem einen und dem andern gegenüber zu prüfen;
bemühe dich nicht nur, deine Heftigkeit zu zügeln, sondern sie auszurotten, denn
sie verletzt die Menschen. Um der Liebe Gottes bitte ich dich dafür zu sorgen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/463>, abgerufen am 28.07.2024.