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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Aarolineninseln.

die im Munde der Matrosen wegen ihres Reichtums an Lebensmitteln und
wegen der Schönheit ihrer Bewohnerinnen berühmt ist. Noch vor drei Jahr¬
zehnten soll dieselbe eine Bevölkerung von 15000 Seelen besessen haben. Da
schleppte ein englisches Schiff die Blattern ein, und jetzt wird Ponape nur uoch
von etwa 2000 Menschen bewohnt. Auch hier haben die Amerikaner mit einigem
Erfolge das Christentum gepredigt.

Die ersten Nachrichten über diese Inselgruppe haben wir von dem portu¬
giesischen Seefahrer Diego de la Noche, der sie 1525 entdeckte und ihr den
Namen der Segueira-Jnseln gab. Im Jahre 1686 sah sie der spanische Schiffer
Francisco Lczco.no und benannte die größte derselben nach dem damals herr¬
schenden Könige Karl dem Zweiten Carolina, ein Name, welcher später ans die
ganze Gruppe ausgedehnt wurde. Die Jesuiten von Manila beschlossen, die
Inseln zu "evcmgelisiren," aber der erste Versuch dazu, der im Jahre 1710 mit
einem vom Kapitän de Padilla befehligten Schiffe gemacht wurde, mißlang,
und zwei weitere Expeditionen zu gleichem Zwecke hatten kein besseres Schicksal.
Auch die, welche 1733 vom Pater Cantova unternommen wurde, endigte er¬
folglos, denn Cantova wurde von den Eingebornen erschlagen.

Wenn spanische Blätter aus diesen Thatsachen ein "unzweifelhaftes histo¬
risches Recht" Spaniens auf den Besitz der Karolinen herleiten und dafür
außerdem anführen, daß die bekannte Bulle Papst Alexanders des Sechsten,
welche die überseeische Welt zwischen Spanien und Portugal teilte, jene Insel¬
gruppe dem erstern zugesprochen habe, so ist das zum mindesten eine wunderliche
Behauptung, welche durch die weitere Behauptung nicht gebessert wird, daß
gegen jenes Besitzrecht niemals Einspruch erhoben worden sei. Fassen wir die
Schlußfolgerung der spanischen Presse kurz zusammen, so lautet sie: die Karo¬
linen sind Eigentum der spanischen Krone, erstens weil vor etwa zweihundert
Jahren ein spanischer Seekapitän eine derselben sah und nach seinem Könige
taufte, zweitens weil die Jesuiten der spanischen Kolonie Manila Versuche
machten, die Inseln für das Christentum zu gewinnen, und weil diese Versuche
sämtlich mißglückter, drittens weil ein Papst die Karolinen stillschweigend den
Spaniern zugewiesen hat, endlich viertens weil seit der Entdeckung jener Insel¬
gruppe niemand den Besitztitel Spaniens bezweifelt, geschweige denn bestritten hat.

Prüfen wir dies, so ergiebt sich folgendes. Die bloße Thatsache der Ent¬
deckung eines Landstriches oder einer Insel giebt keinen Anspruch auf den Besitz
des Entdeckten, es müssen Anzeichen einer Besitzergreifung hinzukommen, die hier
nicht vorliegen, und überdies war der erste Entdecker der Karolinen kein Spanier,
sondern ein Portugiese. Ferner begründen drei oder vier oder noch so viele Ver¬
suche einer religiösen Gesellschaft, einen heidnischen Stamm zum Christentume
zu bekehren, auch wenn sie schließlich Erfolg haben, keinen Besitztitel des Staates,
zu dem jene Gesellschaft gehört, auf das Land, das dieser Stamm bewohnt,
und hier sind jene Versuche überdies mißlungen. Drittens ist die Weltver-


Die Aarolineninseln.

die im Munde der Matrosen wegen ihres Reichtums an Lebensmitteln und
wegen der Schönheit ihrer Bewohnerinnen berühmt ist. Noch vor drei Jahr¬
zehnten soll dieselbe eine Bevölkerung von 15000 Seelen besessen haben. Da
schleppte ein englisches Schiff die Blattern ein, und jetzt wird Ponape nur uoch
von etwa 2000 Menschen bewohnt. Auch hier haben die Amerikaner mit einigem
Erfolge das Christentum gepredigt.

Die ersten Nachrichten über diese Inselgruppe haben wir von dem portu¬
giesischen Seefahrer Diego de la Noche, der sie 1525 entdeckte und ihr den
Namen der Segueira-Jnseln gab. Im Jahre 1686 sah sie der spanische Schiffer
Francisco Lczco.no und benannte die größte derselben nach dem damals herr¬
schenden Könige Karl dem Zweiten Carolina, ein Name, welcher später ans die
ganze Gruppe ausgedehnt wurde. Die Jesuiten von Manila beschlossen, die
Inseln zu „evcmgelisiren," aber der erste Versuch dazu, der im Jahre 1710 mit
einem vom Kapitän de Padilla befehligten Schiffe gemacht wurde, mißlang,
und zwei weitere Expeditionen zu gleichem Zwecke hatten kein besseres Schicksal.
Auch die, welche 1733 vom Pater Cantova unternommen wurde, endigte er¬
folglos, denn Cantova wurde von den Eingebornen erschlagen.

Wenn spanische Blätter aus diesen Thatsachen ein „unzweifelhaftes histo¬
risches Recht" Spaniens auf den Besitz der Karolinen herleiten und dafür
außerdem anführen, daß die bekannte Bulle Papst Alexanders des Sechsten,
welche die überseeische Welt zwischen Spanien und Portugal teilte, jene Insel¬
gruppe dem erstern zugesprochen habe, so ist das zum mindesten eine wunderliche
Behauptung, welche durch die weitere Behauptung nicht gebessert wird, daß
gegen jenes Besitzrecht niemals Einspruch erhoben worden sei. Fassen wir die
Schlußfolgerung der spanischen Presse kurz zusammen, so lautet sie: die Karo¬
linen sind Eigentum der spanischen Krone, erstens weil vor etwa zweihundert
Jahren ein spanischer Seekapitän eine derselben sah und nach seinem Könige
taufte, zweitens weil die Jesuiten der spanischen Kolonie Manila Versuche
machten, die Inseln für das Christentum zu gewinnen, und weil diese Versuche
sämtlich mißglückter, drittens weil ein Papst die Karolinen stillschweigend den
Spaniern zugewiesen hat, endlich viertens weil seit der Entdeckung jener Insel¬
gruppe niemand den Besitztitel Spaniens bezweifelt, geschweige denn bestritten hat.

Prüfen wir dies, so ergiebt sich folgendes. Die bloße Thatsache der Ent¬
deckung eines Landstriches oder einer Insel giebt keinen Anspruch auf den Besitz
des Entdeckten, es müssen Anzeichen einer Besitzergreifung hinzukommen, die hier
nicht vorliegen, und überdies war der erste Entdecker der Karolinen kein Spanier,
sondern ein Portugiese. Ferner begründen drei oder vier oder noch so viele Ver¬
suche einer religiösen Gesellschaft, einen heidnischen Stamm zum Christentume
zu bekehren, auch wenn sie schließlich Erfolg haben, keinen Besitztitel des Staates,
zu dem jene Gesellschaft gehört, auf das Land, das dieser Stamm bewohnt,
und hier sind jene Versuche überdies mißlungen. Drittens ist die Weltver-


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[0448] Die Aarolineninseln. die im Munde der Matrosen wegen ihres Reichtums an Lebensmitteln und wegen der Schönheit ihrer Bewohnerinnen berühmt ist. Noch vor drei Jahr¬ zehnten soll dieselbe eine Bevölkerung von 15000 Seelen besessen haben. Da schleppte ein englisches Schiff die Blattern ein, und jetzt wird Ponape nur uoch von etwa 2000 Menschen bewohnt. Auch hier haben die Amerikaner mit einigem Erfolge das Christentum gepredigt. Die ersten Nachrichten über diese Inselgruppe haben wir von dem portu¬ giesischen Seefahrer Diego de la Noche, der sie 1525 entdeckte und ihr den Namen der Segueira-Jnseln gab. Im Jahre 1686 sah sie der spanische Schiffer Francisco Lczco.no und benannte die größte derselben nach dem damals herr¬ schenden Könige Karl dem Zweiten Carolina, ein Name, welcher später ans die ganze Gruppe ausgedehnt wurde. Die Jesuiten von Manila beschlossen, die Inseln zu „evcmgelisiren," aber der erste Versuch dazu, der im Jahre 1710 mit einem vom Kapitän de Padilla befehligten Schiffe gemacht wurde, mißlang, und zwei weitere Expeditionen zu gleichem Zwecke hatten kein besseres Schicksal. Auch die, welche 1733 vom Pater Cantova unternommen wurde, endigte er¬ folglos, denn Cantova wurde von den Eingebornen erschlagen. Wenn spanische Blätter aus diesen Thatsachen ein „unzweifelhaftes histo¬ risches Recht" Spaniens auf den Besitz der Karolinen herleiten und dafür außerdem anführen, daß die bekannte Bulle Papst Alexanders des Sechsten, welche die überseeische Welt zwischen Spanien und Portugal teilte, jene Insel¬ gruppe dem erstern zugesprochen habe, so ist das zum mindesten eine wunderliche Behauptung, welche durch die weitere Behauptung nicht gebessert wird, daß gegen jenes Besitzrecht niemals Einspruch erhoben worden sei. Fassen wir die Schlußfolgerung der spanischen Presse kurz zusammen, so lautet sie: die Karo¬ linen sind Eigentum der spanischen Krone, erstens weil vor etwa zweihundert Jahren ein spanischer Seekapitän eine derselben sah und nach seinem Könige taufte, zweitens weil die Jesuiten der spanischen Kolonie Manila Versuche machten, die Inseln für das Christentum zu gewinnen, und weil diese Versuche sämtlich mißglückter, drittens weil ein Papst die Karolinen stillschweigend den Spaniern zugewiesen hat, endlich viertens weil seit der Entdeckung jener Insel¬ gruppe niemand den Besitztitel Spaniens bezweifelt, geschweige denn bestritten hat. Prüfen wir dies, so ergiebt sich folgendes. Die bloße Thatsache der Ent¬ deckung eines Landstriches oder einer Insel giebt keinen Anspruch auf den Besitz des Entdeckten, es müssen Anzeichen einer Besitzergreifung hinzukommen, die hier nicht vorliegen, und überdies war der erste Entdecker der Karolinen kein Spanier, sondern ein Portugiese. Ferner begründen drei oder vier oder noch so viele Ver¬ suche einer religiösen Gesellschaft, einen heidnischen Stamm zum Christentume zu bekehren, auch wenn sie schließlich Erfolg haben, keinen Besitztitel des Staates, zu dem jene Gesellschaft gehört, auf das Land, das dieser Stamm bewohnt, und hier sind jene Versuche überdies mißlungen. Drittens ist die Weltver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/448>, abgerufen am 28.07.2024.