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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Notiz.

dings ein gutes Aushilfsmittel, konnte indes nicht innrer währen, und es war
überdies ein lächerlicher Anblick, wie wir rauchten, uus einander ansahen, vor Nede-
bcgier fast starben, dann als eine Artigkeit gegenseitig die Pfeifen austauschten und
als Ausdruck des Dankes die Hand aufs Herz drückten. Der Bei saß in eiuer
Ecke, ich unglücklicherweise neben ihm, sodaß mir das Onus stummer Aufmerksam¬
keit zufiel; mir zunächst befand fich Clay, der sich wenigstens mit Meredith hin und
wieder einen Scherz erlauben konnte, obwohl wir natürlich zu anständig waren,
über eine gelegentliche und unwiderstehliche Bemerkung Hinauszugeheu. f?j Auf Clays
Wunsch machten wir uns darau, oeartv zu spielen, und zwar mit so ernsten Ge¬
sichtern, als ob wir unsre Andacht verrichten wollten, aber gerade als wir im Be¬
griff standen anzufangen, fiel uns ein, daß wir Brandy bei uns hatten, und daß
es gut sein würde, unserm Wirt ein Glas anzubieten, um ihm damit anzudeuten,
wessen man uach einem so starken Schnapse bedürfe. Maschallah! Hätte die Wirkung
sich vor 1830 Jahren ereignet, anstatt im gegenwärtigen Zeitalter des Skeptizismus,
man würde sie sofort für ein Wunder ersten Ranges erklärt haben. Unser lieb¬
reicher Freund schnalzte mit den Lippen vor Lust und forderte ohne weiteres noch
eine Tasse voll -- wir trunken nämlich aus Tassen. Als Meredith, der unter
einem Vorwande das Haus verlassen hatte, zurückkehrte, fand er uns in höchst heiterer
Stimmung: unser Wirt, Clay und ich hatten eine Flasche Brandy in kürzerer Zeit
expedirt, als ich je zur Vertilgung einer Flasche Burgunder gebraucht habe. Nun
sing der Bei um, mit Meredith zu trinken und ließ uus einige Feigen vorsetzen;
währenddem schwatzte er unaufhörlich, erging sich in dein graziösesten Geberden¬
spiel .... und gab sich die größte Mühe, Giovannis Griechisch zu verstehen, was
ihm anch soweit gelang, daß er alle unsre Mitteilungen in der spaßhaftesten Weise
mißverstand. Er ließ jedoch alles mit gutem Humor vorübergehe", und ich muß
sagen, daß ich mein Lebtag mit keinem so gemütlichen Kerl zusammengetroffen bin.
Inzwischen hatte uus ein wahrer Heißhunger erfaßt, denn die trocknen, runden,
nicht zuckerhaltige" Feigen reizen gewaltig den Appetit. So bestanden wir schließlich
darauf, daß Giovanni um Brot bitten sollte. Der Bei verbeugte sich gravitätisch
nud sagte: "Ueberlassen Sie das mir, machen Sie sich keine Gedanken." Da sich
nichts weiter ereignete, bereiteten wir uns schon auf hungrige Träume vor, als zu
unsern: Entzücke" ein vorzügliches Souper aufgetragen wurde, zu dem man -- wir
sahe" es mit Entsetzen -- auch Wein servirte. Wir aßen -- wir tranken -- wir
aßen mit den Fingern -- wir tranken, ich weiß nicht wie. Der Wein war nicht
schlecht, aber wäre es Gift gewesen, trinken mußten wir doch; war es doch für
einen Muselmann eine ganz außerordentliche Aufmerksamkeit. So schlürften wir
denn Wein in Ströme". Der Bei aber verlangte nach Brandy: er trank ihn ans.
Bald drehte sich das Zimmer im Kreise herum; die wilden Wärter, die zu unsern
Füßen saßen, schienen in seltsamen und phantastischen Wirbeln zu tanzen; der Bei
schüttelte mir die Hand und jauchzte mir ans Englisch zu: Vor)' gaocl! (das hatte
er uus nämlich abgelernt), ich erwiederte auf Griechisch: Kato, Xalo! Er wollte
fast bersten vor Lachen, ich klopfte ihm den Rücken. Weiter geht meine Erinnerung
nicht mehr. Mitten in der Nacht erwachte ich und fand mich schlafend auf dem
Divan, in dessen heiligem Teppich ich aufgerollt lag. Ich fühlte einen brennenden
Durst. Alle schliefen, außer zweien, die während der Nacht das große Holz¬
feuer unterhielten. Ich stand auf, schritt leise über meine schlafenden Gefährten
hinweg, n"d hier und da deuteten blitzende Waffen mir an, daß die i" Mäntel
gehüllten schwarzen Massen menschliche Wesen seien. Ich fand Abrahams Schoß
in einem Wasserkrüge. Ich glaube, ich muß eine ganze Gallone ans einen Zug ge--


Notiz.

dings ein gutes Aushilfsmittel, konnte indes nicht innrer währen, und es war
überdies ein lächerlicher Anblick, wie wir rauchten, uus einander ansahen, vor Nede-
bcgier fast starben, dann als eine Artigkeit gegenseitig die Pfeifen austauschten und
als Ausdruck des Dankes die Hand aufs Herz drückten. Der Bei saß in eiuer
Ecke, ich unglücklicherweise neben ihm, sodaß mir das Onus stummer Aufmerksam¬
keit zufiel; mir zunächst befand fich Clay, der sich wenigstens mit Meredith hin und
wieder einen Scherz erlauben konnte, obwohl wir natürlich zu anständig waren,
über eine gelegentliche und unwiderstehliche Bemerkung Hinauszugeheu. f?j Auf Clays
Wunsch machten wir uns darau, oeartv zu spielen, und zwar mit so ernsten Ge¬
sichtern, als ob wir unsre Andacht verrichten wollten, aber gerade als wir im Be¬
griff standen anzufangen, fiel uns ein, daß wir Brandy bei uns hatten, und daß
es gut sein würde, unserm Wirt ein Glas anzubieten, um ihm damit anzudeuten,
wessen man uach einem so starken Schnapse bedürfe. Maschallah! Hätte die Wirkung
sich vor 1830 Jahren ereignet, anstatt im gegenwärtigen Zeitalter des Skeptizismus,
man würde sie sofort für ein Wunder ersten Ranges erklärt haben. Unser lieb¬
reicher Freund schnalzte mit den Lippen vor Lust und forderte ohne weiteres noch
eine Tasse voll — wir trunken nämlich aus Tassen. Als Meredith, der unter
einem Vorwande das Haus verlassen hatte, zurückkehrte, fand er uns in höchst heiterer
Stimmung: unser Wirt, Clay und ich hatten eine Flasche Brandy in kürzerer Zeit
expedirt, als ich je zur Vertilgung einer Flasche Burgunder gebraucht habe. Nun
sing der Bei um, mit Meredith zu trinken und ließ uus einige Feigen vorsetzen;
währenddem schwatzte er unaufhörlich, erging sich in dein graziösesten Geberden¬
spiel .... und gab sich die größte Mühe, Giovannis Griechisch zu verstehen, was
ihm anch soweit gelang, daß er alle unsre Mitteilungen in der spaßhaftesten Weise
mißverstand. Er ließ jedoch alles mit gutem Humor vorübergehe», und ich muß
sagen, daß ich mein Lebtag mit keinem so gemütlichen Kerl zusammengetroffen bin.
Inzwischen hatte uus ein wahrer Heißhunger erfaßt, denn die trocknen, runden,
nicht zuckerhaltige» Feigen reizen gewaltig den Appetit. So bestanden wir schließlich
darauf, daß Giovanni um Brot bitten sollte. Der Bei verbeugte sich gravitätisch
nud sagte: »Ueberlassen Sie das mir, machen Sie sich keine Gedanken.« Da sich
nichts weiter ereignete, bereiteten wir uns schon auf hungrige Träume vor, als zu
unsern: Entzücke» ein vorzügliches Souper aufgetragen wurde, zu dem man — wir
sahe» es mit Entsetzen — auch Wein servirte. Wir aßen — wir tranken — wir
aßen mit den Fingern — wir tranken, ich weiß nicht wie. Der Wein war nicht
schlecht, aber wäre es Gift gewesen, trinken mußten wir doch; war es doch für
einen Muselmann eine ganz außerordentliche Aufmerksamkeit. So schlürften wir
denn Wein in Ströme». Der Bei aber verlangte nach Brandy: er trank ihn ans.
Bald drehte sich das Zimmer im Kreise herum; die wilden Wärter, die zu unsern
Füßen saßen, schienen in seltsamen und phantastischen Wirbeln zu tanzen; der Bei
schüttelte mir die Hand und jauchzte mir ans Englisch zu: Vor)' gaocl! (das hatte
er uus nämlich abgelernt), ich erwiederte auf Griechisch: Kato, Xalo! Er wollte
fast bersten vor Lachen, ich klopfte ihm den Rücken. Weiter geht meine Erinnerung
nicht mehr. Mitten in der Nacht erwachte ich und fand mich schlafend auf dem
Divan, in dessen heiligem Teppich ich aufgerollt lag. Ich fühlte einen brennenden
Durst. Alle schliefen, außer zweien, die während der Nacht das große Holz¬
feuer unterhielten. Ich stand auf, schritt leise über meine schlafenden Gefährten
hinweg, n»d hier und da deuteten blitzende Waffen mir an, daß die i» Mäntel
gehüllten schwarzen Massen menschliche Wesen seien. Ich fand Abrahams Schoß
in einem Wasserkrüge. Ich glaube, ich muß eine ganze Gallone ans einen Zug ge--


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/435>, abgerufen am 23.11.2024.