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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Das war ein Bcichtscrmon gewesen, wie er der Nonne noch heute bei der
bloßen Erinnerung das Blut erstarren machte. Aber der Verscheidende mochte
gefühlt haben, wie gut ihn der ehrliche Pater durchschaut hatte, und er hatte
fügsam nachgesprochen, was ihm an Abbittewortcn von seinem alten Gewissens¬
berater vorgesprochen worden war; und dann, ans Floridas schüchterne Frage
nach dem Namen, den sie als Nonne führen solle, hatte er nach mühsamem
Sammeln seiner letzten Kräfte freundlichen Blickes den Namen: Giuseppa in ihr
Ohr gehaucht.

Nie war der Name Giuseppe Gouzagas über Marcellos Lippen gekommen,
weder vor noch nach seinem Friedensschlüsse mit Florida und mit dem Grabe
des Erschlagenen. Kein noch so inniger Segensspruch hätte daher das Herz
Floridas mit wärmeren Danke erfüllen können, als dieses letzte versöhnende Wort
ihres Vaters es gethan hatte.

Seitdem war sie, der Weisung des Verstorbenen getreu, in das Kloster
der Nonnen zum heiligen Augustin getreten, und bald hatte sie sich gewöhnt,
ungleich mancher ihrer noch mit Forderungen an die Welt behafteten Kloster-
schwcstern, wie ein aus schmerein Schiffbruch Geborgener ans das draußen tosende
Meer blicken mag, so in ihrer vergitterten Zelle den Zusammenhang mit den
Dingen, die sich draußen begaben, willig zu entbehren.

Ihre Schicksale waren Härtere gewesen als die der Mehrzahl ihrer Schwester-
nvnnen. Das hatte sie geschult. Dazu trug sie ein treues Erinnern im Herzen:
sie war geliebt worden, und sie hatte mit Inbrunst geliebt. Nichts vermochte
ihr dies große Besitztum zu rauben. Mit reuigen Gedanken hatte sie endlich
abschließen dürfen. Ans ihre Träume, auf ihre Visionen -- unter diesen das
Auftauchen jener von niemand gekannten und von niemand jemals wieder
mit Augen geschauten Trauzeugiu -- konnte sie als auf Rätsel zurückblicken,
deren sie sich nicht zu schämen, die sie aber auch nicht zu lösen brauche. Ohne
daß sie des Betens minder bedurfte als zur Zeit jener ihrer angstvollsten Be¬
drängnisse, hatte sie doch unter der eisernen Geißel der immer wilder und recht¬
loser gewordenen Zcitlünfte sich fest auf die eignen Füße zu stellen, den eignen
Kräften mehr und immer mehr zuzumuten begonnen. Da war die Zeit jener
verheerenden Kriegskünste beängstigend heraufgezogen. Die Belagerung hatte
auch für die Nonnen große Entbehrungen gebracht, die Plünderuugstage
waren zu furchtbaren Heimsuchungen geworden, denen die Stirn zu bieten
die alternde, seitdem verstorbene Äbtissin ohne den Beistand Giuseppas -- sie
durfte sich's bekennen -- unfähig gewesen wäre. Während dann die Seuche
mit ihrem Flammcnschwerte in dem armen Mantua aufräumte, hatte Giuseppas
Pflegeeifer den Mut nicht nur vieler Schwestern ihres Ordens aufrecht er¬
halten; dem Beispiele der Tochter Marcello Bnonacolsis folgend -- in dieser
Weise hatte sie dem Ehrgeize ihres Vaters noch im Jenseits Befriedigung zu
schaffen gestrebt -- waren die Schwestern des Klosters zum heiligen Augustin


Das war ein Bcichtscrmon gewesen, wie er der Nonne noch heute bei der
bloßen Erinnerung das Blut erstarren machte. Aber der Verscheidende mochte
gefühlt haben, wie gut ihn der ehrliche Pater durchschaut hatte, und er hatte
fügsam nachgesprochen, was ihm an Abbittewortcn von seinem alten Gewissens¬
berater vorgesprochen worden war; und dann, ans Floridas schüchterne Frage
nach dem Namen, den sie als Nonne führen solle, hatte er nach mühsamem
Sammeln seiner letzten Kräfte freundlichen Blickes den Namen: Giuseppa in ihr
Ohr gehaucht.

Nie war der Name Giuseppe Gouzagas über Marcellos Lippen gekommen,
weder vor noch nach seinem Friedensschlüsse mit Florida und mit dem Grabe
des Erschlagenen. Kein noch so inniger Segensspruch hätte daher das Herz
Floridas mit wärmeren Danke erfüllen können, als dieses letzte versöhnende Wort
ihres Vaters es gethan hatte.

Seitdem war sie, der Weisung des Verstorbenen getreu, in das Kloster
der Nonnen zum heiligen Augustin getreten, und bald hatte sie sich gewöhnt,
ungleich mancher ihrer noch mit Forderungen an die Welt behafteten Kloster-
schwcstern, wie ein aus schmerein Schiffbruch Geborgener ans das draußen tosende
Meer blicken mag, so in ihrer vergitterten Zelle den Zusammenhang mit den
Dingen, die sich draußen begaben, willig zu entbehren.

Ihre Schicksale waren Härtere gewesen als die der Mehrzahl ihrer Schwester-
nvnnen. Das hatte sie geschult. Dazu trug sie ein treues Erinnern im Herzen:
sie war geliebt worden, und sie hatte mit Inbrunst geliebt. Nichts vermochte
ihr dies große Besitztum zu rauben. Mit reuigen Gedanken hatte sie endlich
abschließen dürfen. Ans ihre Träume, auf ihre Visionen — unter diesen das
Auftauchen jener von niemand gekannten und von niemand jemals wieder
mit Augen geschauten Trauzeugiu — konnte sie als auf Rätsel zurückblicken,
deren sie sich nicht zu schämen, die sie aber auch nicht zu lösen brauche. Ohne
daß sie des Betens minder bedurfte als zur Zeit jener ihrer angstvollsten Be¬
drängnisse, hatte sie doch unter der eisernen Geißel der immer wilder und recht¬
loser gewordenen Zcitlünfte sich fest auf die eignen Füße zu stellen, den eignen
Kräften mehr und immer mehr zuzumuten begonnen. Da war die Zeit jener
verheerenden Kriegskünste beängstigend heraufgezogen. Die Belagerung hatte
auch für die Nonnen große Entbehrungen gebracht, die Plünderuugstage
waren zu furchtbaren Heimsuchungen geworden, denen die Stirn zu bieten
die alternde, seitdem verstorbene Äbtissin ohne den Beistand Giuseppas — sie
durfte sich's bekennen — unfähig gewesen wäre. Während dann die Seuche
mit ihrem Flammcnschwerte in dem armen Mantua aufräumte, hatte Giuseppas
Pflegeeifer den Mut nicht nur vieler Schwestern ihres Ordens aufrecht er¬
halten; dem Beispiele der Tochter Marcello Bnonacolsis folgend — in dieser
Weise hatte sie dem Ehrgeize ihres Vaters noch im Jenseits Befriedigung zu
schaffen gestrebt — waren die Schwestern des Klosters zum heiligen Augustin


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/432>, abgerufen am 23.11.2024.