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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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die ihm im schönsten Lichte poetischer Verklärung erscheint, und die Bilder der¬
selben, welche ihm vorschweben, will er festhalten, "Freilich, sagt er in der
Vorrede, wo er über die flüchtige Zeit spricht, werd de Welt alle paar Jahre
mal wedder met mein Figuren beset't, über in ohr Hoffen im Wünschen, in ohr
Fohlen um Denken, dn bliwen sick de Menschen immer gliek. Feindschaft um
Fründschaft, Haß um Leewe Waffen überall um to alle Tieben bunt dörchein-
anderz det hebben rufe Vorfahren kennen lehrt um det werd ok de Gestechter
"ich erspart bliwen, de na uns kamen. -- Aber 'n Unnerschied is doch, de An¬
spruchslosigkeit is van Jahr to Jahr mehr verswunuen u" de ecnfacheu, länd-
ligen Verhältnisse werru unse Kinder bald bloß von Hörenseggen kennen, --
Wenn ick mir vorstelle, wie det froher was, wat ick as Junge sehn um met er-
lewt hev, um wenn ick die jitzige Tieben dagegen soll! Denn nuche ick behaupten,
de Welt wir anders worm, ganz anders, ob aber better? Det weet ick nich."
Die einfachen, ländlichen Verhältnisse, die alte Genügsamkeit, die will Leming
einer minder bescheidnen Gegenwart vorhalten, nud dieser rvnsseanische Zug
geht durch alle seine Schilderungen, in welchen er oft direkt die städtischen Leser
apostrvphirt: "Wenn de Lüd ut de große Stäbe sick det Bild vörstelln, det se
mal 'n Winter uppen Lande tvbrengen solln, wo se neuen Abend um alle Abend
in't Kaminfuer kicken um immer wedder desülwige Menschen um Gesichter to sehn
krien, det se alle Veränderungen entbehren mutter, wo se sick dran omne hebben
seit so poele Jahre, deun mag ohr woll der Gedanke kamen, det et better sin
muchte, sick men ganz ruhig begraben to talem, denn Lewen is det nich, um
ohre Meiiuing is det geistiger Dod! -- For de Art, ja! Im groten um
ganzen is det über gar nich so unrecht, um wer't länger utholt, de Städter
ohre Vergnügen oder de Landlüd ohre Stilllewen, det muchte doch woll hehre
de Frag sin; de mägen in ohre sine Gesellschaften oft möge heimelig na de Uhr
kicken, ob se sik woll noimich los maken könnten ut de Twang, bi die über kaun
det nich vorkamen, de wecken ganz sicher, det se 'n schönen vergnügten Abend
hebben, wenn na't Eden de Hcmsdöhre noch mal npgeit, wenn da welche an¬
fangen, sick den Snee von de Beile to trampeln un wenn da under Pelzmütze
um Koppdok Vetter un Mohne tum Vorschieu kamen; da werd an'n Kachel-
abeu noch dichter tosammen rückt, det Mohne up ohre Spöte vrndlich sehn
kann, da snurrcn de Spinnräder so lustig, as wenn se sick freuten, det se mal
Wedde lopcn können, um denn ducht In Städter, det sall langwielig sin? O
nich doch! De Landlüd bednrt nich, de vergcten gar licht deutelnden Klocken-
slag, denn det Verteiln werd nich all un kaun gar nich all werrn, tomal wenn
der Een oder Ander Soldat West is oder wenn gar neu van de olle Mains
babi is, der datomal (1815!) den Krieg met malt hat, denn sin de Kinder nich
mal in't Bett to krien, voel weiniger noch de Olln," Man sieht leicht aus
dieser kleinen Probe seines Stiles, daß Lcnings Kunst die des heitern, be¬
haglichen Genremalers ist, und solcher Genrebilder läßt er eins dem andern


die ihm im schönsten Lichte poetischer Verklärung erscheint, und die Bilder der¬
selben, welche ihm vorschweben, will er festhalten, „Freilich, sagt er in der
Vorrede, wo er über die flüchtige Zeit spricht, werd de Welt alle paar Jahre
mal wedder met mein Figuren beset't, über in ohr Hoffen im Wünschen, in ohr
Fohlen um Denken, dn bliwen sick de Menschen immer gliek. Feindschaft um
Fründschaft, Haß um Leewe Waffen überall um to alle Tieben bunt dörchein-
anderz det hebben rufe Vorfahren kennen lehrt um det werd ok de Gestechter
»ich erspart bliwen, de na uns kamen. — Aber 'n Unnerschied is doch, de An¬
spruchslosigkeit is van Jahr to Jahr mehr verswunuen u» de ecnfacheu, länd-
ligen Verhältnisse werru unse Kinder bald bloß von Hörenseggen kennen, —
Wenn ick mir vorstelle, wie det froher was, wat ick as Junge sehn um met er-
lewt hev, um wenn ick die jitzige Tieben dagegen soll! Denn nuche ick behaupten,
de Welt wir anders worm, ganz anders, ob aber better? Det weet ick nich."
Die einfachen, ländlichen Verhältnisse, die alte Genügsamkeit, die will Leming
einer minder bescheidnen Gegenwart vorhalten, nud dieser rvnsseanische Zug
geht durch alle seine Schilderungen, in welchen er oft direkt die städtischen Leser
apostrvphirt: „Wenn de Lüd ut de große Stäbe sick det Bild vörstelln, det se
mal 'n Winter uppen Lande tvbrengen solln, wo se neuen Abend um alle Abend
in't Kaminfuer kicken um immer wedder desülwige Menschen um Gesichter to sehn
krien, det se alle Veränderungen entbehren mutter, wo se sick dran omne hebben
seit so poele Jahre, deun mag ohr woll der Gedanke kamen, det et better sin
muchte, sick men ganz ruhig begraben to talem, denn Lewen is det nich, um
ohre Meiiuing is det geistiger Dod! — For de Art, ja! Im groten um
ganzen is det über gar nich so unrecht, um wer't länger utholt, de Städter
ohre Vergnügen oder de Landlüd ohre Stilllewen, det muchte doch woll hehre
de Frag sin; de mägen in ohre sine Gesellschaften oft möge heimelig na de Uhr
kicken, ob se sik woll noimich los maken könnten ut de Twang, bi die über kaun
det nich vorkamen, de wecken ganz sicher, det se 'n schönen vergnügten Abend
hebben, wenn na't Eden de Hcmsdöhre noch mal npgeit, wenn da welche an¬
fangen, sick den Snee von de Beile to trampeln un wenn da under Pelzmütze
um Koppdok Vetter un Mohne tum Vorschieu kamen; da werd an'n Kachel-
abeu noch dichter tosammen rückt, det Mohne up ohre Spöte vrndlich sehn
kann, da snurrcn de Spinnräder so lustig, as wenn se sick freuten, det se mal
Wedde lopcn können, um denn ducht In Städter, det sall langwielig sin? O
nich doch! De Landlüd bednrt nich, de vergcten gar licht deutelnden Klocken-
slag, denn det Verteiln werd nich all un kaun gar nich all werrn, tomal wenn
der Een oder Ander Soldat West is oder wenn gar neu van de olle Mains
babi is, der datomal (1815!) den Krieg met malt hat, denn sin de Kinder nich
mal in't Bett to krien, voel weiniger noch de Olln," Man sieht leicht aus
dieser kleinen Probe seines Stiles, daß Lcnings Kunst die des heitern, be¬
haglichen Genremalers ist, und solcher Genrebilder läßt er eins dem andern


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[0040] die ihm im schönsten Lichte poetischer Verklärung erscheint, und die Bilder der¬ selben, welche ihm vorschweben, will er festhalten, „Freilich, sagt er in der Vorrede, wo er über die flüchtige Zeit spricht, werd de Welt alle paar Jahre mal wedder met mein Figuren beset't, über in ohr Hoffen im Wünschen, in ohr Fohlen um Denken, dn bliwen sick de Menschen immer gliek. Feindschaft um Fründschaft, Haß um Leewe Waffen überall um to alle Tieben bunt dörchein- anderz det hebben rufe Vorfahren kennen lehrt um det werd ok de Gestechter »ich erspart bliwen, de na uns kamen. — Aber 'n Unnerschied is doch, de An¬ spruchslosigkeit is van Jahr to Jahr mehr verswunuen u» de ecnfacheu, länd- ligen Verhältnisse werru unse Kinder bald bloß von Hörenseggen kennen, — Wenn ick mir vorstelle, wie det froher was, wat ick as Junge sehn um met er- lewt hev, um wenn ick die jitzige Tieben dagegen soll! Denn nuche ick behaupten, de Welt wir anders worm, ganz anders, ob aber better? Det weet ick nich." Die einfachen, ländlichen Verhältnisse, die alte Genügsamkeit, die will Leming einer minder bescheidnen Gegenwart vorhalten, nud dieser rvnsseanische Zug geht durch alle seine Schilderungen, in welchen er oft direkt die städtischen Leser apostrvphirt: „Wenn de Lüd ut de große Stäbe sick det Bild vörstelln, det se mal 'n Winter uppen Lande tvbrengen solln, wo se neuen Abend um alle Abend in't Kaminfuer kicken um immer wedder desülwige Menschen um Gesichter to sehn krien, det se alle Veränderungen entbehren mutter, wo se sick dran omne hebben seit so poele Jahre, deun mag ohr woll der Gedanke kamen, det et better sin muchte, sick men ganz ruhig begraben to talem, denn Lewen is det nich, um ohre Meiiuing is det geistiger Dod! — For de Art, ja! Im groten um ganzen is det über gar nich so unrecht, um wer't länger utholt, de Städter ohre Vergnügen oder de Landlüd ohre Stilllewen, det muchte doch woll hehre de Frag sin; de mägen in ohre sine Gesellschaften oft möge heimelig na de Uhr kicken, ob se sik woll noimich los maken könnten ut de Twang, bi die über kaun det nich vorkamen, de wecken ganz sicher, det se 'n schönen vergnügten Abend hebben, wenn na't Eden de Hcmsdöhre noch mal npgeit, wenn da welche an¬ fangen, sick den Snee von de Beile to trampeln un wenn da under Pelzmütze um Koppdok Vetter un Mohne tum Vorschieu kamen; da werd an'n Kachel- abeu noch dichter tosammen rückt, det Mohne up ohre Spöte vrndlich sehn kann, da snurrcn de Spinnräder so lustig, as wenn se sick freuten, det se mal Wedde lopcn können, um denn ducht In Städter, det sall langwielig sin? O nich doch! De Landlüd bednrt nich, de vergcten gar licht deutelnden Klocken- slag, denn det Verteiln werd nich all un kaun gar nich all werrn, tomal wenn der Een oder Ander Soldat West is oder wenn gar neu van de olle Mains babi is, der datomal (1815!) den Krieg met malt hat, denn sin de Kinder nich mal in't Bett to krien, voel weiniger noch de Olln," Man sieht leicht aus dieser kleinen Probe seines Stiles, daß Lcnings Kunst die des heitern, be¬ haglichen Genremalers ist, und solcher Genrebilder läßt er eins dem andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/40>, abgerufen am 01.09.2024.