Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Die dramatische Aunst L. v. Ivildenbrnchs. ersten Szene: schon gewöhnt sich Judith ein den Gedanken, ihren kaiserlichen Wenn wir schon oben gesagt haben, daß der Dichter aus der Vorgeschichte Mein Leben ist mein Gut; ich will es mir Die dramatische Aunst L. v. Ivildenbrnchs. ersten Szene: schon gewöhnt sich Judith ein den Gedanken, ihren kaiserlichen Wenn wir schon oben gesagt haben, daß der Dichter aus der Vorgeschichte Mein Leben ist mein Gut; ich will es mir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196478"/> <fw type="header" place="top"> Die dramatische Aunst L. v. Ivildenbrnchs.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1526" prev="#ID_1525"> ersten Szene: schon gewöhnt sich Judith ein den Gedanken, ihren kaiserlichen<lb/> Gemahl aus dem Wege zu schaffen, und König Karl erklärt sich bereit, unter<lb/> Nichtachtung der Rechte seiner Bruder die Krone Karls des Großen aus Bern¬<lb/> hards Händen entgegenzunehmen. Doch soll vonseiten des letztern hiermit<lb/> keineswegs die Sache ihr Bewenden haben. Wenn der Kaiser und die ältesten<lb/> Söhne aus dem Wege geräumt sind, dann muß auch der jüngste fallen. In<lb/> der letzten Szene wird Karl von seineu Brüdern Fehde angesagt, und damit<lb/> sind wir bereits vor der Entscheidung angelangt. Im vierten Akte stehen sich<lb/> die Parteien bei Kolmar gegenüber. Im Lager der Brüder stirbt Pipin infolge<lb/> eines Sturzes mit dem Pferde, im andern Lager ist Kaiser Ludwig schwer er¬<lb/> krankt: die Wirkung des Giftes, das ihm vom Grafen mit Hilfe seines mau¬<lb/> rischen Sklaven beigebracht worden ist. Nur wenige Stunden hat er noch zu<lb/> leben, da begiebt sich König Karl ins Lager seiner Brüder, wo man eben von<lb/> jenem Sklaven den Sachverhalt im feindlichen Heere erfahren hat. Weil er<lb/> augenblicklich sowohl dieses als auch das Verhältnis seiner Mutter zum Grafen<lb/> erfährt, so ist das der Grund der Aussöhnung zwischen den Karolingern. Vereint<lb/> begeben sie sich ins Lager des Kaisers, der gerade noch soviel Leben in sich hat,<lb/> um seinen versöhnten Kindern den Segen zu geben. An seiner Leiche wird endlich<lb/> die Strafe an dem Schurken vollzogen, der die Verwirrung angerichtet hat.<lb/> So der Verlauf der Handlung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1527" next="#ID_1528"> Wenn wir schon oben gesagt haben, daß der Dichter aus der Vorgeschichte<lb/> des Grafen von Barcelona auch nicht ein einziges Moment beigebracht hat,<lb/> das diesen in irgendeiner Art berechtigte, die Stelle des Helden einzunehmen, so<lb/> ist auch während der Handlung kein Impuls seines Thuns wahrnehmbar, der<lb/> darnach angethan wäre, ihn zu dieser Höhe zu erheben, oder auch nur unser<lb/> Interesse für ihn zu erwärmen. All sein Handeln geht aus der krassesten Selbst¬<lb/> sucht hervor und hat nicht mehr Entschuldigung als das des gemeinsten Straßcn-<lb/> räubers, der sein Opfer niedergestoßen hat und nun die Taschen desselben lehrt.<lb/> Schon die erste Szene des ersten Aktes läßt ihn ganz als den kalten, berech¬<lb/> nenden Bösewicht erkennen, für den nnr die Rücksicht auf den eignen Nutzen<lb/> bestimmend ist. An den Hof von Worms ist ihm Hamatclliwa, die Tochter<lb/> eines Maurenfürsten, gefolgt. Sie hat ihm einst in harter Todesnot das Leben<lb/> gerettet und glaubt noch an seine Liebe, während er ihre edle That und zärt¬<lb/> liche Anhänglichkeit mit dem schnödesten Undank lohnt. Alles was er hier vor¬<lb/> bringen kann, ich will nicht sagen um sein Thun zu entschuldigen, sondern zu<lb/> erklären, liegt in den Worten:</p><lb/> <quote> Mein Leben ist mein Gut; ich will es mir<lb/> Zu einem Bau wu Macht und Ehre türmen.<lb/> Dein Werk ist abgethan; du warst die Schwelle.<lb/> Hier sei die Werkstatt, hier am Hof zu Worms;<lb/> Dies Haupt der Meister, Werkzeug dieser Arm;<lb/> Maurin, fahr wohl — mir winken andre Sterne.</quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
Die dramatische Aunst L. v. Ivildenbrnchs.
ersten Szene: schon gewöhnt sich Judith ein den Gedanken, ihren kaiserlichen
Gemahl aus dem Wege zu schaffen, und König Karl erklärt sich bereit, unter
Nichtachtung der Rechte seiner Bruder die Krone Karls des Großen aus Bern¬
hards Händen entgegenzunehmen. Doch soll vonseiten des letztern hiermit
keineswegs die Sache ihr Bewenden haben. Wenn der Kaiser und die ältesten
Söhne aus dem Wege geräumt sind, dann muß auch der jüngste fallen. In
der letzten Szene wird Karl von seineu Brüdern Fehde angesagt, und damit
sind wir bereits vor der Entscheidung angelangt. Im vierten Akte stehen sich
die Parteien bei Kolmar gegenüber. Im Lager der Brüder stirbt Pipin infolge
eines Sturzes mit dem Pferde, im andern Lager ist Kaiser Ludwig schwer er¬
krankt: die Wirkung des Giftes, das ihm vom Grafen mit Hilfe seines mau¬
rischen Sklaven beigebracht worden ist. Nur wenige Stunden hat er noch zu
leben, da begiebt sich König Karl ins Lager seiner Brüder, wo man eben von
jenem Sklaven den Sachverhalt im feindlichen Heere erfahren hat. Weil er
augenblicklich sowohl dieses als auch das Verhältnis seiner Mutter zum Grafen
erfährt, so ist das der Grund der Aussöhnung zwischen den Karolingern. Vereint
begeben sie sich ins Lager des Kaisers, der gerade noch soviel Leben in sich hat,
um seinen versöhnten Kindern den Segen zu geben. An seiner Leiche wird endlich
die Strafe an dem Schurken vollzogen, der die Verwirrung angerichtet hat.
So der Verlauf der Handlung.
Wenn wir schon oben gesagt haben, daß der Dichter aus der Vorgeschichte
des Grafen von Barcelona auch nicht ein einziges Moment beigebracht hat,
das diesen in irgendeiner Art berechtigte, die Stelle des Helden einzunehmen, so
ist auch während der Handlung kein Impuls seines Thuns wahrnehmbar, der
darnach angethan wäre, ihn zu dieser Höhe zu erheben, oder auch nur unser
Interesse für ihn zu erwärmen. All sein Handeln geht aus der krassesten Selbst¬
sucht hervor und hat nicht mehr Entschuldigung als das des gemeinsten Straßcn-
räubers, der sein Opfer niedergestoßen hat und nun die Taschen desselben lehrt.
Schon die erste Szene des ersten Aktes läßt ihn ganz als den kalten, berech¬
nenden Bösewicht erkennen, für den nnr die Rücksicht auf den eignen Nutzen
bestimmend ist. An den Hof von Worms ist ihm Hamatclliwa, die Tochter
eines Maurenfürsten, gefolgt. Sie hat ihm einst in harter Todesnot das Leben
gerettet und glaubt noch an seine Liebe, während er ihre edle That und zärt¬
liche Anhänglichkeit mit dem schnödesten Undank lohnt. Alles was er hier vor¬
bringen kann, ich will nicht sagen um sein Thun zu entschuldigen, sondern zu
erklären, liegt in den Worten:
Mein Leben ist mein Gut; ich will es mir
Zu einem Bau wu Macht und Ehre türmen.
Dein Werk ist abgethan; du warst die Schwelle.
Hier sei die Werkstatt, hier am Hof zu Worms;
Dies Haupt der Meister, Werkzeug dieser Arm;
Maurin, fahr wohl — mir winken andre Sterne.
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