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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Unpolitische Briefe aus Wien.

Verkannt wird, daß es so nicht richtig verwendet ist. Das Relief ist ein ein¬
heitlicher Schauplatz wie eine Theatcrszencrie oder eine Bildfläche. Keinem
Maler wird es einfallen, auf ein Bild mehrere Porträts zu bringen und sie
nichts von einander wissen zu lassen. Leben, Handlung muß hineingebracht
werden, um zu einigen. Mau denke an Kaulbachs Zeitalter der Reformation.
Und auch im Relief muß ein gewisses Ensemble, eine künstlerische Gruppen¬
bildung vorhanden sein. Betrachtet mau aber z. B. das Relief mit Haydn,
Gluck und dem jungen Mozart, so hat man den Eindruck als stünden die drei
bloß beisammen, um sich Photographiren zu lassen. Auf dem Denkmal Fried¬
richs II. hat Rauch das ganz anders gemacht, freilich hatte er die Sache auch
leichter. Aber seine Generäle sind im eifrigsten Gespräch, und auch dort, wo
Staatsmänner und Künstler stehen, ist eine geistige Beziehung zwischen den
einzelnen Figuren erreicht, wenn auch nur Lessing und Kant direkt miteinander
zu verkehren scheinen. Aber wenn das Maria-Theresia-Denkmal nach seiner
Vollendung auch nicht fehlerlos erscheinen wird, eines kann man mit Sicherheit
vorhersagen: daß es eines gewaltigen Eindruckes auf deu Beschauer nicht ver¬
fehlen wird. Die kolossalen Dimensionen (es ist zwanzig Meter hoch, Rauchs
Friedrich nur vierzehn Meter) werden es vor der aufzehrenden Gewalt des großen
Platzes schützen und zur Geltung kommen lassen. Die einzelnen Figuren sind, für
sich betrachtet, wahre Meisterstücke an Charakteristik und Ausführung und werden
zu dem Schönsten gehören, was Wien an neuern plastischen Kunstwerken besitzt.

Die beiden Kuppeln der Museumsgebäude tragen die Kolossalfiguren Apollo
und Minerva von Johannes Berl. Die beiden Statuen waren vor einigen
Jahren im Österreichischen Museum aufgestellt: wir können nicht behaupten, daß
sie allen Anforderungen, die man aus solcher Nähe an sie zu stellen geneigt
war, hätten genügen können. Jetzt auf der luftigen Höhe der Kuppeln, zu bloßen
Dekorationsfiguren herabgedrückt, erfüllen sie ihren Zweck sehr gut, namentlich
der fackelschwiugende Apollo hat durch die Erhöhung gewonnen. Von Johannes
Berl sind auch die vier allegorischen Gruppen auf dem neuen Burgtheater:
Liebe, Haß, Egoismus, Heroismus, die zwar schön gedacht und ausgeführt sind,
aber wegen ihres akademischen Idealismus nicht jedermann gefallen werden.
Mit den Karyatiden aber vor den: Parlament ist Bent entschieden hinter dem
zurückgeblieben, was man von einem Künstler von solchen Anlagen und solcher
Schule zu erwarten berechtigt war.

Von Knndtmcmn, dem Wien das schöne Schubert-Denkmal im Stadt-
Park verdankt, haben wir auch neuerdings wieder Arbeiten zu sehen bekommen.
Wir möchten hier nur auf die an den Pforten des kunsthistorischen Museums
aufgestellten Figuren der Architektur und Plastik hinweisen: namentlich letztere
ist von der edelsten Formvollendung. Auch Viktor Tilgner hat hervorragenden
Anteil an dem plastischen Schmucke unsrer Gebäude. Kürzlich wurde im Öster¬
reichischen Museum die Büste Ferstels, die sein Werk ist, enthüllt, auch die unter


Unpolitische Briefe aus Wien.

Verkannt wird, daß es so nicht richtig verwendet ist. Das Relief ist ein ein¬
heitlicher Schauplatz wie eine Theatcrszencrie oder eine Bildfläche. Keinem
Maler wird es einfallen, auf ein Bild mehrere Porträts zu bringen und sie
nichts von einander wissen zu lassen. Leben, Handlung muß hineingebracht
werden, um zu einigen. Mau denke an Kaulbachs Zeitalter der Reformation.
Und auch im Relief muß ein gewisses Ensemble, eine künstlerische Gruppen¬
bildung vorhanden sein. Betrachtet mau aber z. B. das Relief mit Haydn,
Gluck und dem jungen Mozart, so hat man den Eindruck als stünden die drei
bloß beisammen, um sich Photographiren zu lassen. Auf dem Denkmal Fried¬
richs II. hat Rauch das ganz anders gemacht, freilich hatte er die Sache auch
leichter. Aber seine Generäle sind im eifrigsten Gespräch, und auch dort, wo
Staatsmänner und Künstler stehen, ist eine geistige Beziehung zwischen den
einzelnen Figuren erreicht, wenn auch nur Lessing und Kant direkt miteinander
zu verkehren scheinen. Aber wenn das Maria-Theresia-Denkmal nach seiner
Vollendung auch nicht fehlerlos erscheinen wird, eines kann man mit Sicherheit
vorhersagen: daß es eines gewaltigen Eindruckes auf deu Beschauer nicht ver¬
fehlen wird. Die kolossalen Dimensionen (es ist zwanzig Meter hoch, Rauchs
Friedrich nur vierzehn Meter) werden es vor der aufzehrenden Gewalt des großen
Platzes schützen und zur Geltung kommen lassen. Die einzelnen Figuren sind, für
sich betrachtet, wahre Meisterstücke an Charakteristik und Ausführung und werden
zu dem Schönsten gehören, was Wien an neuern plastischen Kunstwerken besitzt.

Die beiden Kuppeln der Museumsgebäude tragen die Kolossalfiguren Apollo
und Minerva von Johannes Berl. Die beiden Statuen waren vor einigen
Jahren im Österreichischen Museum aufgestellt: wir können nicht behaupten, daß
sie allen Anforderungen, die man aus solcher Nähe an sie zu stellen geneigt
war, hätten genügen können. Jetzt auf der luftigen Höhe der Kuppeln, zu bloßen
Dekorationsfiguren herabgedrückt, erfüllen sie ihren Zweck sehr gut, namentlich
der fackelschwiugende Apollo hat durch die Erhöhung gewonnen. Von Johannes
Berl sind auch die vier allegorischen Gruppen auf dem neuen Burgtheater:
Liebe, Haß, Egoismus, Heroismus, die zwar schön gedacht und ausgeführt sind,
aber wegen ihres akademischen Idealismus nicht jedermann gefallen werden.
Mit den Karyatiden aber vor den: Parlament ist Bent entschieden hinter dem
zurückgeblieben, was man von einem Künstler von solchen Anlagen und solcher
Schule zu erwarten berechtigt war.

Von Knndtmcmn, dem Wien das schöne Schubert-Denkmal im Stadt-
Park verdankt, haben wir auch neuerdings wieder Arbeiten zu sehen bekommen.
Wir möchten hier nur auf die an den Pforten des kunsthistorischen Museums
aufgestellten Figuren der Architektur und Plastik hinweisen: namentlich letztere
ist von der edelsten Formvollendung. Auch Viktor Tilgner hat hervorragenden
Anteil an dem plastischen Schmucke unsrer Gebäude. Kürzlich wurde im Öster¬
reichischen Museum die Büste Ferstels, die sein Werk ist, enthüllt, auch die unter


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[0371] Unpolitische Briefe aus Wien. Verkannt wird, daß es so nicht richtig verwendet ist. Das Relief ist ein ein¬ heitlicher Schauplatz wie eine Theatcrszencrie oder eine Bildfläche. Keinem Maler wird es einfallen, auf ein Bild mehrere Porträts zu bringen und sie nichts von einander wissen zu lassen. Leben, Handlung muß hineingebracht werden, um zu einigen. Mau denke an Kaulbachs Zeitalter der Reformation. Und auch im Relief muß ein gewisses Ensemble, eine künstlerische Gruppen¬ bildung vorhanden sein. Betrachtet mau aber z. B. das Relief mit Haydn, Gluck und dem jungen Mozart, so hat man den Eindruck als stünden die drei bloß beisammen, um sich Photographiren zu lassen. Auf dem Denkmal Fried¬ richs II. hat Rauch das ganz anders gemacht, freilich hatte er die Sache auch leichter. Aber seine Generäle sind im eifrigsten Gespräch, und auch dort, wo Staatsmänner und Künstler stehen, ist eine geistige Beziehung zwischen den einzelnen Figuren erreicht, wenn auch nur Lessing und Kant direkt miteinander zu verkehren scheinen. Aber wenn das Maria-Theresia-Denkmal nach seiner Vollendung auch nicht fehlerlos erscheinen wird, eines kann man mit Sicherheit vorhersagen: daß es eines gewaltigen Eindruckes auf deu Beschauer nicht ver¬ fehlen wird. Die kolossalen Dimensionen (es ist zwanzig Meter hoch, Rauchs Friedrich nur vierzehn Meter) werden es vor der aufzehrenden Gewalt des großen Platzes schützen und zur Geltung kommen lassen. Die einzelnen Figuren sind, für sich betrachtet, wahre Meisterstücke an Charakteristik und Ausführung und werden zu dem Schönsten gehören, was Wien an neuern plastischen Kunstwerken besitzt. Die beiden Kuppeln der Museumsgebäude tragen die Kolossalfiguren Apollo und Minerva von Johannes Berl. Die beiden Statuen waren vor einigen Jahren im Österreichischen Museum aufgestellt: wir können nicht behaupten, daß sie allen Anforderungen, die man aus solcher Nähe an sie zu stellen geneigt war, hätten genügen können. Jetzt auf der luftigen Höhe der Kuppeln, zu bloßen Dekorationsfiguren herabgedrückt, erfüllen sie ihren Zweck sehr gut, namentlich der fackelschwiugende Apollo hat durch die Erhöhung gewonnen. Von Johannes Berl sind auch die vier allegorischen Gruppen auf dem neuen Burgtheater: Liebe, Haß, Egoismus, Heroismus, die zwar schön gedacht und ausgeführt sind, aber wegen ihres akademischen Idealismus nicht jedermann gefallen werden. Mit den Karyatiden aber vor den: Parlament ist Bent entschieden hinter dem zurückgeblieben, was man von einem Künstler von solchen Anlagen und solcher Schule zu erwarten berechtigt war. Von Knndtmcmn, dem Wien das schöne Schubert-Denkmal im Stadt- Park verdankt, haben wir auch neuerdings wieder Arbeiten zu sehen bekommen. Wir möchten hier nur auf die an den Pforten des kunsthistorischen Museums aufgestellten Figuren der Architektur und Plastik hinweisen: namentlich letztere ist von der edelsten Formvollendung. Auch Viktor Tilgner hat hervorragenden Anteil an dem plastischen Schmucke unsrer Gebäude. Kürzlich wurde im Öster¬ reichischen Museum die Büste Ferstels, die sein Werk ist, enthüllt, auch die unter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/371>, abgerufen am 22.11.2024.