Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.einer Anhöhe, von Bäumen und Gebüsch umgeben, nicht in Gesellschaft von Die beiden Museen sind ebenfalls ein Werk Hasenauers, obwohl Semper einer Anhöhe, von Bäumen und Gebüsch umgeben, nicht in Gesellschaft von Die beiden Museen sind ebenfalls ein Werk Hasenauers, obwohl Semper <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196466"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1491" prev="#ID_1490"> einer Anhöhe, von Bäumen und Gebüsch umgeben, nicht in Gesellschaft von<lb/> Bauten, die es überragen und erdrücken, dann erst wäre die Wirkung da, die<lb/> Hansen wohl zu erreichen bestrebt war. Die vielverlästerte und bewitzelte Rampe<lb/> ist zuletzt doch nicht so schlecht ausgefallen, wenn auch nicht geleugnet werden<lb/> soll, daß sie — von der Seite betrachtet — höchst unruhige störende Linien in<lb/> den edeln, ruhigen Bau bringt. Die beiden großen Sitzungssäle sind originell<lb/> und voll geistreicher Details. Aber wenn irgendwo, muß man es hier empfinden,<lb/> daß dieser Stil eben für alle die Anforderungen, welche man heute an ein Ge¬<lb/> bäude solcher Bestimmung stellt, absolut nicht ausreicht. Das Burgtheater ist<lb/> in Plan und Anlage ein Nachkomme des Semperschen Theaters in Dresden.<lb/> Hasenauer hat indes seine Vorlage mit schöpferischer Kraft behandelt, sodaß er<lb/> zuletzt doch ein ganz eigenartiges Werk geschaffen hat. Man sieht auch, wie<lb/> hier der Künstler bestrebt war, die zwei Flügel organisch an den Mittelbau zu<lb/> knüpfen. Dies scheint uns allerdings, wie wir oben bereits sagten, nicht er¬<lb/> reicht: sie sind zwar mit demselben fest verbunden, Hunger aber gleichsam matt<lb/> und lahm herab, weil ihre Größe nicht in dem richtigen Verhältnisse zu der des<lb/> Hauptteiles steht. Auf dem Dache thront ein turmnrtiger Bau, hinter dem¬<lb/> selben erhebt sich der Giebel der Bühne — alles mir zusammengestellt, nicht<lb/> verbunden. Von Details nur eins: der Mittelbau, der sich konvex gegen den<lb/> Beschauer herauswölbt, hat neun große Bogen in der ersten Etage. Über den<lb/> drei mittlern Bogenöffnungen stehen die Büsten von Schiller, Goethe, Lessing.<lb/> Links über den nächsten Bogen die der Weltdichter Shakespeare, Calderon und<lb/> Moliere, rechts spezifisch österreichische Dichter: Grillparzer, Hebbel, Halm.<lb/> Die Zwickelfelder der Bogen sind je von einem Paare aus des betreffenden<lb/> Dichters populärsten Gestalten ausgefüllt: so sieht man unter Goethe Faust und<lb/> Gretchen, unter Lessing den Major und Minna, unter Schiller die Jungfrau<lb/> und Lionel u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_1492"> Die beiden Museen sind ebenfalls ein Werk Hasenauers, obwohl Semper<lb/> einen bedeutenden Einfluß auch auf die endgiltige Gestaltung ausgeübt hat, wie<lb/> die jetzige Ausführung mit dem 1873 in Wien ausgestellten Plane ergiebt. Hier<lb/> ist der Gesamteindruck durchaus groß, edel und harmonisch, die Details dagegen<lb/> befremden hie und da. Zur rechten Wirkung werden übrigens die beiden Bau¬<lb/> werke erst gelangen, wenn der Hintergrund ihnen stilistisch einigermaßen an¬<lb/> genähert und der riesige Raum zwischen ihnen durch das Maria-Theresia-Denkmal,<lb/> das sich schon im Gußhause befindet, einen Mittelpunkt finden wird. Von der<lb/> Übersiedlung der Sammlungen — namentlich der Gemäldegalerie des Vel-<lb/> vedcre — hierher in das Zentrum der Stadt darf man sich wohl einen<lb/> bedeutenden erziehenden Einfluß auf die Wiener versprechen. Vielleicht erleben<lb/> wir dann hier auch den Anblick, der einem in Berlin das Herz erfreut: daß der<lb/> schlichte Bürger, ja der Arbeiter des Sonntags vor dem Mittagessen seinen<lb/> Gang in das Museum macht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
einer Anhöhe, von Bäumen und Gebüsch umgeben, nicht in Gesellschaft von
Bauten, die es überragen und erdrücken, dann erst wäre die Wirkung da, die
Hansen wohl zu erreichen bestrebt war. Die vielverlästerte und bewitzelte Rampe
ist zuletzt doch nicht so schlecht ausgefallen, wenn auch nicht geleugnet werden
soll, daß sie — von der Seite betrachtet — höchst unruhige störende Linien in
den edeln, ruhigen Bau bringt. Die beiden großen Sitzungssäle sind originell
und voll geistreicher Details. Aber wenn irgendwo, muß man es hier empfinden,
daß dieser Stil eben für alle die Anforderungen, welche man heute an ein Ge¬
bäude solcher Bestimmung stellt, absolut nicht ausreicht. Das Burgtheater ist
in Plan und Anlage ein Nachkomme des Semperschen Theaters in Dresden.
Hasenauer hat indes seine Vorlage mit schöpferischer Kraft behandelt, sodaß er
zuletzt doch ein ganz eigenartiges Werk geschaffen hat. Man sieht auch, wie
hier der Künstler bestrebt war, die zwei Flügel organisch an den Mittelbau zu
knüpfen. Dies scheint uns allerdings, wie wir oben bereits sagten, nicht er¬
reicht: sie sind zwar mit demselben fest verbunden, Hunger aber gleichsam matt
und lahm herab, weil ihre Größe nicht in dem richtigen Verhältnisse zu der des
Hauptteiles steht. Auf dem Dache thront ein turmnrtiger Bau, hinter dem¬
selben erhebt sich der Giebel der Bühne — alles mir zusammengestellt, nicht
verbunden. Von Details nur eins: der Mittelbau, der sich konvex gegen den
Beschauer herauswölbt, hat neun große Bogen in der ersten Etage. Über den
drei mittlern Bogenöffnungen stehen die Büsten von Schiller, Goethe, Lessing.
Links über den nächsten Bogen die der Weltdichter Shakespeare, Calderon und
Moliere, rechts spezifisch österreichische Dichter: Grillparzer, Hebbel, Halm.
Die Zwickelfelder der Bogen sind je von einem Paare aus des betreffenden
Dichters populärsten Gestalten ausgefüllt: so sieht man unter Goethe Faust und
Gretchen, unter Lessing den Major und Minna, unter Schiller die Jungfrau
und Lionel u. s. w.
Die beiden Museen sind ebenfalls ein Werk Hasenauers, obwohl Semper
einen bedeutenden Einfluß auch auf die endgiltige Gestaltung ausgeübt hat, wie
die jetzige Ausführung mit dem 1873 in Wien ausgestellten Plane ergiebt. Hier
ist der Gesamteindruck durchaus groß, edel und harmonisch, die Details dagegen
befremden hie und da. Zur rechten Wirkung werden übrigens die beiden Bau¬
werke erst gelangen, wenn der Hintergrund ihnen stilistisch einigermaßen an¬
genähert und der riesige Raum zwischen ihnen durch das Maria-Theresia-Denkmal,
das sich schon im Gußhause befindet, einen Mittelpunkt finden wird. Von der
Übersiedlung der Sammlungen — namentlich der Gemäldegalerie des Vel-
vedcre — hierher in das Zentrum der Stadt darf man sich wohl einen
bedeutenden erziehenden Einfluß auf die Wiener versprechen. Vielleicht erleben
wir dann hier auch den Anblick, der einem in Berlin das Herz erfreut: daß der
schlichte Bürger, ja der Arbeiter des Sonntags vor dem Mittagessen seinen
Gang in das Museum macht.
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