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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Deutsches Aünstlerlel'er im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.

wieder darauf hinweisen, "die deutschen Meister hätten ohne den buhlerischen
Reiz der Farben das vermacht, was Apelles nur mit Farben zustande gebracht
hätte." Die Thätigkeit für den Holzschnitt und Kupferstich war es eben in
erster Linie, die dem deutscheu Künstler des sechzehnten Jahrhunderts zur Volks¬
tümlichkeit verhalf. In einer Zeit, wo es noch keine Kunstsammlungen und
Ausstellungen gab, wo noch leine reprodnzirenden Techniken das Volk mit deu
Kunstwerken bekannt machten, konnte ein Maler nicht durch Bilder, die aus
der Werkstatt sofort in die Privatwohnungen der Vornehmen wanderten, sondern
uur dnrch Holzschnittwerke, wie die Apokalhpse, das Marienleben, die Passion,
im Volke bekannt werden. Dieser Thätigkeit hatten es die Künstler zu danken,
wenn sie nnn auch vom großen Publikum gefeiert wurden. Als Holbein 1538
von England zurückkehrte, ließen es sich seine Mitbürger nicht nehmen, ihm
Ehre zu erzeigen. Auf der Magd, dem Gesellschaftshause der Se. Johannes-
vorstndt, in der er wohnte, fand ihm zu Ehren ein Gastmahl statt; dem Rate
aber, der ihn früher hatte von dannen ziehen lassen, als er noch nicht solchen
Ruhm genoß, erschien es jetzt Ehrensache, den Künstler der Heimat zu erhalten,
"weil er seines Kunstreichtnms halber vor andern Malern weit berühmt" sei.
Ebenso ist Dürers niederländische Reise einem Triumphzuge vergleichbar. Schon
in Bamberg wird er von den Malern ausgezeichnet, in Mainz streitet man um
die Ehre, ihn zu bewirten. Gleich nach seiner Ankunft in Antwerpen laden ihn
die Maler samt seiner Frau und Magd auf ihre Zunftstube und ehren ihn
durch eine glänzende Bewirtung. "Es waren auch ihre Frauen alle zugegen,
und als ich zu Tische geführt wurde, da stand das Volk zu beiden Seiten, als
führte man einen großen Herrn. Es waren unter ihnen auch Mäuner von
gar stattlicher Persönlichkeit, die sich alle mit tiefer Verneigung auf das aller-
demütigste gegen mich benahmen und sagten, sie wollten soviel wie nur möglich
alles thun, was sie wüßten, daß mir lieb wäre. Und wie ich so dasaß, kam
der Ratsbote der Herren von Antwerpen mit zwei Dienern und schenkte mir
im Namen der Ratsherren vier Kennen Wein, und sie ließen mir sagen, ich
solle hiermit von ihnen ausgezeichnet und ihres Wohlwollens versichert sein."
Zum Schluß wird er mit Windlichtern gar ehrenvoll heimgeleitet.

Kein Wunder, daß jetzt auch der Tod eiues Künstlers eine andre Be¬
achtung fand als früher. Als Dürer starb, setzte ihm Pirkheymer das schöne
Epitaphium: "Was von Dürer sterblich war, ruht unter diesem Steine," während
Melanchthon in bittre Klagen ausbrach, daß "Deutschland eines solchen Künstlers,
eines solchen Mannes beraubt sei." Über den Tod Hans Baldungs wurde in
Bühelers Chronik eingetragen: "Auch in diesem hier obgenannten Jar 1545
da ist alhier in der Stadt Straßburg der weit berühmt Hans Waldung mit
Tod verschieden und aus seiner Behausung mit einer großen Proceß hinaus zu
Se. Helena getragen und allda zu der Erde bestätigt und vergraben worden."
Cranach wurde auf seinem Grabstein in der Schloßkirche zu Wittenberg als


Deutsches Aünstlerlel'er im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.

wieder darauf hinweisen, „die deutschen Meister hätten ohne den buhlerischen
Reiz der Farben das vermacht, was Apelles nur mit Farben zustande gebracht
hätte." Die Thätigkeit für den Holzschnitt und Kupferstich war es eben in
erster Linie, die dem deutscheu Künstler des sechzehnten Jahrhunderts zur Volks¬
tümlichkeit verhalf. In einer Zeit, wo es noch keine Kunstsammlungen und
Ausstellungen gab, wo noch leine reprodnzirenden Techniken das Volk mit deu
Kunstwerken bekannt machten, konnte ein Maler nicht durch Bilder, die aus
der Werkstatt sofort in die Privatwohnungen der Vornehmen wanderten, sondern
uur dnrch Holzschnittwerke, wie die Apokalhpse, das Marienleben, die Passion,
im Volke bekannt werden. Dieser Thätigkeit hatten es die Künstler zu danken,
wenn sie nnn auch vom großen Publikum gefeiert wurden. Als Holbein 1538
von England zurückkehrte, ließen es sich seine Mitbürger nicht nehmen, ihm
Ehre zu erzeigen. Auf der Magd, dem Gesellschaftshause der Se. Johannes-
vorstndt, in der er wohnte, fand ihm zu Ehren ein Gastmahl statt; dem Rate
aber, der ihn früher hatte von dannen ziehen lassen, als er noch nicht solchen
Ruhm genoß, erschien es jetzt Ehrensache, den Künstler der Heimat zu erhalten,
„weil er seines Kunstreichtnms halber vor andern Malern weit berühmt" sei.
Ebenso ist Dürers niederländische Reise einem Triumphzuge vergleichbar. Schon
in Bamberg wird er von den Malern ausgezeichnet, in Mainz streitet man um
die Ehre, ihn zu bewirten. Gleich nach seiner Ankunft in Antwerpen laden ihn
die Maler samt seiner Frau und Magd auf ihre Zunftstube und ehren ihn
durch eine glänzende Bewirtung. „Es waren auch ihre Frauen alle zugegen,
und als ich zu Tische geführt wurde, da stand das Volk zu beiden Seiten, als
führte man einen großen Herrn. Es waren unter ihnen auch Mäuner von
gar stattlicher Persönlichkeit, die sich alle mit tiefer Verneigung auf das aller-
demütigste gegen mich benahmen und sagten, sie wollten soviel wie nur möglich
alles thun, was sie wüßten, daß mir lieb wäre. Und wie ich so dasaß, kam
der Ratsbote der Herren von Antwerpen mit zwei Dienern und schenkte mir
im Namen der Ratsherren vier Kennen Wein, und sie ließen mir sagen, ich
solle hiermit von ihnen ausgezeichnet und ihres Wohlwollens versichert sein."
Zum Schluß wird er mit Windlichtern gar ehrenvoll heimgeleitet.

Kein Wunder, daß jetzt auch der Tod eiues Künstlers eine andre Be¬
achtung fand als früher. Als Dürer starb, setzte ihm Pirkheymer das schöne
Epitaphium: „Was von Dürer sterblich war, ruht unter diesem Steine," während
Melanchthon in bittre Klagen ausbrach, daß „Deutschland eines solchen Künstlers,
eines solchen Mannes beraubt sei." Über den Tod Hans Baldungs wurde in
Bühelers Chronik eingetragen: „Auch in diesem hier obgenannten Jar 1545
da ist alhier in der Stadt Straßburg der weit berühmt Hans Waldung mit
Tod verschieden und aus seiner Behausung mit einer großen Proceß hinaus zu
Se. Helena getragen und allda zu der Erde bestätigt und vergraben worden."
Cranach wurde auf seinem Grabstein in der Schloßkirche zu Wittenberg als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/36>, abgerufen am 01.09.2024.