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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zur Frage der innern Kolonisation in Deutschland.

sondern derjenigen Industrie wegen, deren Betrieb der Wald gestattet. Im
ganzen und großen muß immer die Regel gelten: wo Ackerland sein kann, soll
kein Wald stehen, und umgekehrt, wobei natürlich zu bedenken ist, daß zur all¬
gemeinen Wohlfahrt Waldflächen von bestimmter Ausdehnung unentbehrlich sind,
die ihren Standort ebensowohl in der Ebene wie auf den Bergen haben können-

In der norddeutschen Tiefebene bilden eine der seltsamsten und trotz allem,
was in neuester Zeit darüber geschrieben worden ist, in weitern Kreisen wenig
bekannten Formationen die Moore oder Hochmoore. Wenn wir unsre Leser in
diese entlegnen, öden Gebiete führen, so geschieht es, weil hier die ersten An¬
fänge einer Kolonisation in größerm Maßstabe gemacht sind, weil hier seit dem
Jahre 1872 die Staatsregierung noch größere Unternehmungen mit entsprechend
größern Mitteln durchführt, an deren Vorbereitung der Verfasser dieses Auf¬
satzes selbst teilgenommen hat.

Moore finden sich in größerer oder geringerer Ausdehnung in der ganzen
norddeutschen Tiefebene, die größten geschlossenen Flächen aber wohl in der
Provinz Hannover, und zwar hier im Herzogtum Bremen, in Ostfriesland und
endlich im größten Umfange im Herzogtum Arenberg-Meppen, jener durch eine
vielgenannte politische Persönlichkeit weithin bekannt gewordnen Landschaft. Hier
liegen auf beiden Ufern der Eins die ungeheuern Mvorflächcn, auf dem linken
Ufer das etwa 28 Quadratmeilen große Burtanger Moor (genannt nach einer
frühern kleinen holländischen Grenzfestung Burtange), von dem ziemlich genau
die eine Hälfte nach Holland, die andre nach Preußen fällt, auf dem rechten
Einhufer das annähernd gleich große arenbergische Moor, von welchem Teile
zu Oldenburg gehören. Eine Beschreibung dieser vollständig den Charakter der
Steppe tragenden Einöden können wir uns ersparen, da eine solche bereits früher
von Grisebcich und neuerdings vom Forstdirektor Burckhardt geliefert worden
ist; wir beschränken uns auf die Kolonisation und bleiben dabei im Burtanger
Moor, weil dieses die bedeutendsten und lehrreichsten Beispiele liefert.

Es ist nicht klar, ob und wie in alter Zeit die Moore anders als durch
Torfstich genutzt worden sind; daß aber der Torf in unsern Gegenden, wo die
Wälder früh verschwanden, das vorherrschende Brennmaterial gebildet hat, steht
urkundlich fest. Im siebzehnten Jahrhundert wurde die folgenreiche Entdeckung
gemacht, daß das Moor sich brennen und in die heiße Asche sich Buchweizen
säen lasse. Seitdem ist in den Mooren der Buchweizenbau heimisch, aber freilich
erscheint auch in seinem Gefolge der Moor-Haar- oder Höhenrauch, der sich
gegen Westen bis an die Gestade des Kanals und südlich bis nach Mittel- und
Süddeutschland verbreitet. Nur eine ganz rationelle Moorkultur vermag ihn
im Laufe der Zeit zu beseitigen.

Die ersten Anfänge, die Moore im großen und zwar auf dem Wege förm¬
licher Kolonisirung der Kultur zu gewinnen, fallen für das Burtauger Moor
in das Jahr 1788. Bereits 1765 hatte eine Kommission der damaligen fürst-


Zur Frage der innern Kolonisation in Deutschland.

sondern derjenigen Industrie wegen, deren Betrieb der Wald gestattet. Im
ganzen und großen muß immer die Regel gelten: wo Ackerland sein kann, soll
kein Wald stehen, und umgekehrt, wobei natürlich zu bedenken ist, daß zur all¬
gemeinen Wohlfahrt Waldflächen von bestimmter Ausdehnung unentbehrlich sind,
die ihren Standort ebensowohl in der Ebene wie auf den Bergen haben können-

In der norddeutschen Tiefebene bilden eine der seltsamsten und trotz allem,
was in neuester Zeit darüber geschrieben worden ist, in weitern Kreisen wenig
bekannten Formationen die Moore oder Hochmoore. Wenn wir unsre Leser in
diese entlegnen, öden Gebiete führen, so geschieht es, weil hier die ersten An¬
fänge einer Kolonisation in größerm Maßstabe gemacht sind, weil hier seit dem
Jahre 1872 die Staatsregierung noch größere Unternehmungen mit entsprechend
größern Mitteln durchführt, an deren Vorbereitung der Verfasser dieses Auf¬
satzes selbst teilgenommen hat.

Moore finden sich in größerer oder geringerer Ausdehnung in der ganzen
norddeutschen Tiefebene, die größten geschlossenen Flächen aber wohl in der
Provinz Hannover, und zwar hier im Herzogtum Bremen, in Ostfriesland und
endlich im größten Umfange im Herzogtum Arenberg-Meppen, jener durch eine
vielgenannte politische Persönlichkeit weithin bekannt gewordnen Landschaft. Hier
liegen auf beiden Ufern der Eins die ungeheuern Mvorflächcn, auf dem linken
Ufer das etwa 28 Quadratmeilen große Burtanger Moor (genannt nach einer
frühern kleinen holländischen Grenzfestung Burtange), von dem ziemlich genau
die eine Hälfte nach Holland, die andre nach Preußen fällt, auf dem rechten
Einhufer das annähernd gleich große arenbergische Moor, von welchem Teile
zu Oldenburg gehören. Eine Beschreibung dieser vollständig den Charakter der
Steppe tragenden Einöden können wir uns ersparen, da eine solche bereits früher
von Grisebcich und neuerdings vom Forstdirektor Burckhardt geliefert worden
ist; wir beschränken uns auf die Kolonisation und bleiben dabei im Burtanger
Moor, weil dieses die bedeutendsten und lehrreichsten Beispiele liefert.

Es ist nicht klar, ob und wie in alter Zeit die Moore anders als durch
Torfstich genutzt worden sind; daß aber der Torf in unsern Gegenden, wo die
Wälder früh verschwanden, das vorherrschende Brennmaterial gebildet hat, steht
urkundlich fest. Im siebzehnten Jahrhundert wurde die folgenreiche Entdeckung
gemacht, daß das Moor sich brennen und in die heiße Asche sich Buchweizen
säen lasse. Seitdem ist in den Mooren der Buchweizenbau heimisch, aber freilich
erscheint auch in seinem Gefolge der Moor-Haar- oder Höhenrauch, der sich
gegen Westen bis an die Gestade des Kanals und südlich bis nach Mittel- und
Süddeutschland verbreitet. Nur eine ganz rationelle Moorkultur vermag ihn
im Laufe der Zeit zu beseitigen.

Die ersten Anfänge, die Moore im großen und zwar auf dem Wege förm¬
licher Kolonisirung der Kultur zu gewinnen, fallen für das Burtauger Moor
in das Jahr 1788. Bereits 1765 hatte eine Kommission der damaligen fürst-


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[0351] Zur Frage der innern Kolonisation in Deutschland. sondern derjenigen Industrie wegen, deren Betrieb der Wald gestattet. Im ganzen und großen muß immer die Regel gelten: wo Ackerland sein kann, soll kein Wald stehen, und umgekehrt, wobei natürlich zu bedenken ist, daß zur all¬ gemeinen Wohlfahrt Waldflächen von bestimmter Ausdehnung unentbehrlich sind, die ihren Standort ebensowohl in der Ebene wie auf den Bergen haben können- In der norddeutschen Tiefebene bilden eine der seltsamsten und trotz allem, was in neuester Zeit darüber geschrieben worden ist, in weitern Kreisen wenig bekannten Formationen die Moore oder Hochmoore. Wenn wir unsre Leser in diese entlegnen, öden Gebiete führen, so geschieht es, weil hier die ersten An¬ fänge einer Kolonisation in größerm Maßstabe gemacht sind, weil hier seit dem Jahre 1872 die Staatsregierung noch größere Unternehmungen mit entsprechend größern Mitteln durchführt, an deren Vorbereitung der Verfasser dieses Auf¬ satzes selbst teilgenommen hat. Moore finden sich in größerer oder geringerer Ausdehnung in der ganzen norddeutschen Tiefebene, die größten geschlossenen Flächen aber wohl in der Provinz Hannover, und zwar hier im Herzogtum Bremen, in Ostfriesland und endlich im größten Umfange im Herzogtum Arenberg-Meppen, jener durch eine vielgenannte politische Persönlichkeit weithin bekannt gewordnen Landschaft. Hier liegen auf beiden Ufern der Eins die ungeheuern Mvorflächcn, auf dem linken Ufer das etwa 28 Quadratmeilen große Burtanger Moor (genannt nach einer frühern kleinen holländischen Grenzfestung Burtange), von dem ziemlich genau die eine Hälfte nach Holland, die andre nach Preußen fällt, auf dem rechten Einhufer das annähernd gleich große arenbergische Moor, von welchem Teile zu Oldenburg gehören. Eine Beschreibung dieser vollständig den Charakter der Steppe tragenden Einöden können wir uns ersparen, da eine solche bereits früher von Grisebcich und neuerdings vom Forstdirektor Burckhardt geliefert worden ist; wir beschränken uns auf die Kolonisation und bleiben dabei im Burtanger Moor, weil dieses die bedeutendsten und lehrreichsten Beispiele liefert. Es ist nicht klar, ob und wie in alter Zeit die Moore anders als durch Torfstich genutzt worden sind; daß aber der Torf in unsern Gegenden, wo die Wälder früh verschwanden, das vorherrschende Brennmaterial gebildet hat, steht urkundlich fest. Im siebzehnten Jahrhundert wurde die folgenreiche Entdeckung gemacht, daß das Moor sich brennen und in die heiße Asche sich Buchweizen säen lasse. Seitdem ist in den Mooren der Buchweizenbau heimisch, aber freilich erscheint auch in seinem Gefolge der Moor-Haar- oder Höhenrauch, der sich gegen Westen bis an die Gestade des Kanals und südlich bis nach Mittel- und Süddeutschland verbreitet. Nur eine ganz rationelle Moorkultur vermag ihn im Laufe der Zeit zu beseitigen. Die ersten Anfänge, die Moore im großen und zwar auf dem Wege förm¬ licher Kolonisirung der Kultur zu gewinnen, fallen für das Burtauger Moor in das Jahr 1788. Bereits 1765 hatte eine Kommission der damaligen fürst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/351>, abgerufen am 25.11.2024.