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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Sansibar.

zu stellen. Jenes gelang ihm namentlich mit dem Hinweise auf gewisse Er¬
werbungen von Land, welche deutsche Gesellschaften an den Grenzen des fest¬
ländischen Gebietes von Sansibar, d, h. außerhalb derselben und zwar sehr
entfernt davon, vorgenommen hatten -- Erwerbungen, auf welche Scchid Bar¬
gasch, wahrscheinlich vou Kirk erst angeregt, selbst sein Auge geworfen hatte
und auf welche er vielleicht schon einen rechtlichen Anspruch zu haben meinte.
Die englischen Intriguen, mit denen vermutlich Versprechungen von Beistand
verbunden waren, bethörten den Sultan, und er ging soweit, daß er in
einige der Landstriche, welche den Deutschen von unabhängigen eingebornen
Häuptlingen abgetreten worden waren, Soldaten schickte, seine Hoheitszeichen
dort aufpflanzen und die jetzigen rechtmüßigen Besitzer trotz des kaiserlichen
Schutzbriefes, der ihnen verliehen worden war, bedrohen und, wie berichtet wurde,
thatsächlich bedrängen ließ. Ein Beispiel ist das Land Wien nördlich vom
Tanaflusse, dessen Sultan Sinha den Deutschen ein Stück seines Gebietes
überlassen hat, während Sahib Bargasch behauptet, Besitzer dieses Landstriches
zu sein. Derselbe hat jedoch in Wirklichkeit nördlich vom Tanaflusse niemals
etwas zu sagen gehabt. Sinha ist der Nachkomme einer alten Dynastie, welche
früher auf den Inseln vor Wien regierte, aber in den fünfziger Jahren dieses
Jahrhunderts von den Arabern Omans Vertrieben wurde und sich nach dem
freien Festlande zurückzog, wo sie in Wien ein selbständiges Sultanat begründete
dessen Unabhängigkeit bisher von niemand bestritten oder auch mir angezweifelt
worden ist, und welches bisher noch keines Beschützers bedürfte. Richtig da¬
gegen ist, daß jene Inseln, von denen Lamu die größte ist, 1856 von dem
Reiche Sansibar erobert worden und seitdem rechtmäßiges Eigentum der Be¬
herrscher desselben sind; um diese handelt es sich aber nicht.

Was der Zweck der Entsendung eines deutschen Geschwaders nach San¬
sibar ist, scheint hiernach ziemlich Kar. Indes ist er damit wohl noch nicht
hinreichend angedeutet. Schon die Stärke des Geschwaders läßt im Vergleiche
mit den schwachen Widerstandsmitteln, über welche der Sultan verfügt, auf
mehr als ein bloßes Erzwingen deutscher Ansprüche auf Besitz in Wien und
andern Gegenden des Festlandes schließen. Es besteht aus vier Kreuzerfregatten:
Prinz Adalbert, Stosch, Gneisenau und Elisabeth, sowie dem Kohlentender
Ehrenfeld, und sein Befehlshaber, Kommodore Paschen, verfügt mit ihm
über nicht weniger als 63 der schwersten Kruppgcschütze und 1626 Mann.
Was damit beabsichtigt wird, können wir also nicht sagen. Gewiß ist nur,
daß von irgendwelcher Unterstützung des Sultans Vonseiten Englands und
einem etwaigen Konflikte der deutschen Schiffe mit englischen nicht die Rede
sein wird, erstens schon aus allgemeinen Gründen, dann aber, weil die eng¬
lischen Schiffe sich auf die Nachricht vom Kommen der deutschen von San¬
sibar entfernt haben.




Sansibar.

zu stellen. Jenes gelang ihm namentlich mit dem Hinweise auf gewisse Er¬
werbungen von Land, welche deutsche Gesellschaften an den Grenzen des fest¬
ländischen Gebietes von Sansibar, d, h. außerhalb derselben und zwar sehr
entfernt davon, vorgenommen hatten — Erwerbungen, auf welche Scchid Bar¬
gasch, wahrscheinlich vou Kirk erst angeregt, selbst sein Auge geworfen hatte
und auf welche er vielleicht schon einen rechtlichen Anspruch zu haben meinte.
Die englischen Intriguen, mit denen vermutlich Versprechungen von Beistand
verbunden waren, bethörten den Sultan, und er ging soweit, daß er in
einige der Landstriche, welche den Deutschen von unabhängigen eingebornen
Häuptlingen abgetreten worden waren, Soldaten schickte, seine Hoheitszeichen
dort aufpflanzen und die jetzigen rechtmüßigen Besitzer trotz des kaiserlichen
Schutzbriefes, der ihnen verliehen worden war, bedrohen und, wie berichtet wurde,
thatsächlich bedrängen ließ. Ein Beispiel ist das Land Wien nördlich vom
Tanaflusse, dessen Sultan Sinha den Deutschen ein Stück seines Gebietes
überlassen hat, während Sahib Bargasch behauptet, Besitzer dieses Landstriches
zu sein. Derselbe hat jedoch in Wirklichkeit nördlich vom Tanaflusse niemals
etwas zu sagen gehabt. Sinha ist der Nachkomme einer alten Dynastie, welche
früher auf den Inseln vor Wien regierte, aber in den fünfziger Jahren dieses
Jahrhunderts von den Arabern Omans Vertrieben wurde und sich nach dem
freien Festlande zurückzog, wo sie in Wien ein selbständiges Sultanat begründete
dessen Unabhängigkeit bisher von niemand bestritten oder auch mir angezweifelt
worden ist, und welches bisher noch keines Beschützers bedürfte. Richtig da¬
gegen ist, daß jene Inseln, von denen Lamu die größte ist, 1856 von dem
Reiche Sansibar erobert worden und seitdem rechtmäßiges Eigentum der Be¬
herrscher desselben sind; um diese handelt es sich aber nicht.

Was der Zweck der Entsendung eines deutschen Geschwaders nach San¬
sibar ist, scheint hiernach ziemlich Kar. Indes ist er damit wohl noch nicht
hinreichend angedeutet. Schon die Stärke des Geschwaders läßt im Vergleiche
mit den schwachen Widerstandsmitteln, über welche der Sultan verfügt, auf
mehr als ein bloßes Erzwingen deutscher Ansprüche auf Besitz in Wien und
andern Gegenden des Festlandes schließen. Es besteht aus vier Kreuzerfregatten:
Prinz Adalbert, Stosch, Gneisenau und Elisabeth, sowie dem Kohlentender
Ehrenfeld, und sein Befehlshaber, Kommodore Paschen, verfügt mit ihm
über nicht weniger als 63 der schwersten Kruppgcschütze und 1626 Mann.
Was damit beabsichtigt wird, können wir also nicht sagen. Gewiß ist nur,
daß von irgendwelcher Unterstützung des Sultans Vonseiten Englands und
einem etwaigen Konflikte der deutschen Schiffe mit englischen nicht die Rede
sein wird, erstens schon aus allgemeinen Gründen, dann aber, weil die eng¬
lischen Schiffe sich auf die Nachricht vom Kommen der deutschen von San¬
sibar entfernt haben.




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[0349] Sansibar. zu stellen. Jenes gelang ihm namentlich mit dem Hinweise auf gewisse Er¬ werbungen von Land, welche deutsche Gesellschaften an den Grenzen des fest¬ ländischen Gebietes von Sansibar, d, h. außerhalb derselben und zwar sehr entfernt davon, vorgenommen hatten — Erwerbungen, auf welche Scchid Bar¬ gasch, wahrscheinlich vou Kirk erst angeregt, selbst sein Auge geworfen hatte und auf welche er vielleicht schon einen rechtlichen Anspruch zu haben meinte. Die englischen Intriguen, mit denen vermutlich Versprechungen von Beistand verbunden waren, bethörten den Sultan, und er ging soweit, daß er in einige der Landstriche, welche den Deutschen von unabhängigen eingebornen Häuptlingen abgetreten worden waren, Soldaten schickte, seine Hoheitszeichen dort aufpflanzen und die jetzigen rechtmüßigen Besitzer trotz des kaiserlichen Schutzbriefes, der ihnen verliehen worden war, bedrohen und, wie berichtet wurde, thatsächlich bedrängen ließ. Ein Beispiel ist das Land Wien nördlich vom Tanaflusse, dessen Sultan Sinha den Deutschen ein Stück seines Gebietes überlassen hat, während Sahib Bargasch behauptet, Besitzer dieses Landstriches zu sein. Derselbe hat jedoch in Wirklichkeit nördlich vom Tanaflusse niemals etwas zu sagen gehabt. Sinha ist der Nachkomme einer alten Dynastie, welche früher auf den Inseln vor Wien regierte, aber in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts von den Arabern Omans Vertrieben wurde und sich nach dem freien Festlande zurückzog, wo sie in Wien ein selbständiges Sultanat begründete dessen Unabhängigkeit bisher von niemand bestritten oder auch mir angezweifelt worden ist, und welches bisher noch keines Beschützers bedürfte. Richtig da¬ gegen ist, daß jene Inseln, von denen Lamu die größte ist, 1856 von dem Reiche Sansibar erobert worden und seitdem rechtmäßiges Eigentum der Be¬ herrscher desselben sind; um diese handelt es sich aber nicht. Was der Zweck der Entsendung eines deutschen Geschwaders nach San¬ sibar ist, scheint hiernach ziemlich Kar. Indes ist er damit wohl noch nicht hinreichend angedeutet. Schon die Stärke des Geschwaders läßt im Vergleiche mit den schwachen Widerstandsmitteln, über welche der Sultan verfügt, auf mehr als ein bloßes Erzwingen deutscher Ansprüche auf Besitz in Wien und andern Gegenden des Festlandes schließen. Es besteht aus vier Kreuzerfregatten: Prinz Adalbert, Stosch, Gneisenau und Elisabeth, sowie dem Kohlentender Ehrenfeld, und sein Befehlshaber, Kommodore Paschen, verfügt mit ihm über nicht weniger als 63 der schwersten Kruppgcschütze und 1626 Mann. Was damit beabsichtigt wird, können wir also nicht sagen. Gewiß ist nur, daß von irgendwelcher Unterstützung des Sultans Vonseiten Englands und einem etwaigen Konflikte der deutschen Schiffe mit englischen nicht die Rede sein wird, erstens schon aus allgemeinen Gründen, dann aber, weil die eng¬ lischen Schiffe sich auf die Nachricht vom Kommen der deutschen von San¬ sibar entfernt haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/349>, abgerufen am 25.11.2024.