Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Um eine perle. Aber nun mischte sich Florida hinein, denn sie hatte einzelnes gehört und Sie verschwand in dem dunkeln Gange, ehe die beiden Männer ihr ant¬ Die Friaulerin wollte ihr folgen. Ihr jedoch bedeutete Pater Vigilio, Vierundvierzigstes Aavitel. Der Mönch hatte die Thür zu Giuseppes Zimmer nicht ganz geschlossen Jetzt stand sie auf dem lichten Streifen. Von einer furchtbaren Ahnung Aber da flatterte es drinnen, und nun auch noch von dem Gedanken be¬ Denn er lebte ja noch! Dies war das erste, das einzige, was selbst durch Ihre Füße wollten ihr nicht gehorchen, wollten sie im Fluge an seine Um eine perle. Aber nun mischte sich Florida hinein, denn sie hatte einzelnes gehört und Sie verschwand in dem dunkeln Gange, ehe die beiden Männer ihr ant¬ Die Friaulerin wollte ihr folgen. Ihr jedoch bedeutete Pater Vigilio, Vierundvierzigstes Aavitel. Der Mönch hatte die Thür zu Giuseppes Zimmer nicht ganz geschlossen Jetzt stand sie auf dem lichten Streifen. Von einer furchtbaren Ahnung Aber da flatterte es drinnen, und nun auch noch von dem Gedanken be¬ Denn er lebte ja noch! Dies war das erste, das einzige, was selbst durch Ihre Füße wollten ihr nicht gehorchen, wollten sie im Fluge an seine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196443"/> <fw type="header" place="top"> Um eine perle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1402"> Aber nun mischte sich Florida hinein, denn sie hatte einzelnes gehört und<lb/> alles erraten: Und wenn Ihr zaudert, geistlicher Herr, rief sie, so soll mein<lb/> armer Freund wenigstens nicht sterben, ohne daß seine Braut an seinem Lager<lb/> betete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1403"> Sie verschwand in dem dunkeln Gange, ehe die beiden Männer ihr ant¬<lb/> worten konnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1404"> Die Friaulerin wollte ihr folgen. Ihr jedoch bedeutete Pater Vigilio,<lb/> daß sie hier die Rückkehr der Signorina abzuwarten habe; und, noch nicht wieder<lb/> Herrin über ihre durch deu gehabten Schreckeuscmblick zerrütteten Seelenkräfte,<lb/> fügte sie sich ohne Widerspruch, holte, als die beiden Männer dem Fräulein<lb/> nachgingen, ihr Gebetbuch hervor, und fand, während sie es aufblätterte, in<lb/> ihrem Gedächtnis auch noch einige Sätze aus der einst gleich andern Gebeten<lb/> ihr geläufig gewesenen Fürbitte für Selbstmörder, sodaß, vor dem trübseligen<lb/> Gemache ihres einstigen UmWerbers knieend, sie durch unablässiges Hersagen<lb/> jener Gebetbrocken sich nach und nach Erleichterung verschaffte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Vierundvierzigstes Aavitel.</head><lb/> <p xml:id="ID_1405"> Der Mönch hatte die Thür zu Giuseppes Zimmer nicht ganz geschlossen<lb/> gehabt. Ein schmaler Streifen Licht lag quer über dem steinernen Estrich des<lb/> Ganges, welchen Florida pochenden Herzens durcheilte. Gütiger Himmel, flehte<lb/> sie, zögere noch wenige Augenblicke mit seinem letzten Atemzuge! Gönne mir<lb/> noch ein Wort von seinen Lippen, gönne mir die Gnade, daß er mich wenigstens<lb/> uoch erkennt!</p><lb/> <p xml:id="ID_1406"> Jetzt stand sie auf dem lichten Streifen. Von einer furchtbaren Ahnung<lb/> gelähmt — denn drinnen schien alles totenstill — zögerte sie, die Thür zurück-<lb/> zudrückeu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1407"> Aber da flatterte es drinnen, und nun auch noch von dem Gedanken be¬<lb/> ängstigt, dem ohne Totenwache verlassen Daliegenden könnte das mitleidlose<lb/> Getier zu nahe kommen, stieß sie die Thüre auf und stand auf der Schwelle —<lb/> geblendet von der sonnigen Helle, unfähig etwas zu erkennen, überflutet von<lb/> Düften, bis auf den Grund ihres Herzens weh und doch mich wonnig bewegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1408"> Denn er lebte ja noch! Dies war das erste, das einzige, was selbst durch<lb/> ihre Blendung zu ihr draug. Blaß wie ein vom Monde beschienener lag er<lb/> unter dem binnen Betthimmel mit offnen Angen in weißem Nachtgewande da;<lb/> die Hände waren fein geädert und abgemagert; der rote Bart war lang, sehr<lb/> lang geworden, aber der Atem hob noch seine Brust — er lebte noch!</p><lb/> <p xml:id="ID_1409"> Ihre Füße wollten ihr nicht gehorchen, wollten sie im Fluge an seine<lb/> Lagerstatt tragen, auf ihren Lippen schwebte sein Name, ihre Arme breiteten<lb/> sich aus, ihn stürmisch zu umfangen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
Um eine perle.
Aber nun mischte sich Florida hinein, denn sie hatte einzelnes gehört und
alles erraten: Und wenn Ihr zaudert, geistlicher Herr, rief sie, so soll mein
armer Freund wenigstens nicht sterben, ohne daß seine Braut an seinem Lager
betete.
Sie verschwand in dem dunkeln Gange, ehe die beiden Männer ihr ant¬
worten konnten.
Die Friaulerin wollte ihr folgen. Ihr jedoch bedeutete Pater Vigilio,
daß sie hier die Rückkehr der Signorina abzuwarten habe; und, noch nicht wieder
Herrin über ihre durch deu gehabten Schreckeuscmblick zerrütteten Seelenkräfte,
fügte sie sich ohne Widerspruch, holte, als die beiden Männer dem Fräulein
nachgingen, ihr Gebetbuch hervor, und fand, während sie es aufblätterte, in
ihrem Gedächtnis auch noch einige Sätze aus der einst gleich andern Gebeten
ihr geläufig gewesenen Fürbitte für Selbstmörder, sodaß, vor dem trübseligen
Gemache ihres einstigen UmWerbers knieend, sie durch unablässiges Hersagen
jener Gebetbrocken sich nach und nach Erleichterung verschaffte.
Vierundvierzigstes Aavitel.
Der Mönch hatte die Thür zu Giuseppes Zimmer nicht ganz geschlossen
gehabt. Ein schmaler Streifen Licht lag quer über dem steinernen Estrich des
Ganges, welchen Florida pochenden Herzens durcheilte. Gütiger Himmel, flehte
sie, zögere noch wenige Augenblicke mit seinem letzten Atemzuge! Gönne mir
noch ein Wort von seinen Lippen, gönne mir die Gnade, daß er mich wenigstens
uoch erkennt!
Jetzt stand sie auf dem lichten Streifen. Von einer furchtbaren Ahnung
gelähmt — denn drinnen schien alles totenstill — zögerte sie, die Thür zurück-
zudrückeu.
Aber da flatterte es drinnen, und nun auch noch von dem Gedanken be¬
ängstigt, dem ohne Totenwache verlassen Daliegenden könnte das mitleidlose
Getier zu nahe kommen, stieß sie die Thüre auf und stand auf der Schwelle —
geblendet von der sonnigen Helle, unfähig etwas zu erkennen, überflutet von
Düften, bis auf den Grund ihres Herzens weh und doch mich wonnig bewegt.
Denn er lebte ja noch! Dies war das erste, das einzige, was selbst durch
ihre Blendung zu ihr draug. Blaß wie ein vom Monde beschienener lag er
unter dem binnen Betthimmel mit offnen Angen in weißem Nachtgewande da;
die Hände waren fein geädert und abgemagert; der rote Bart war lang, sehr
lang geworden, aber der Atem hob noch seine Brust — er lebte noch!
Ihre Füße wollten ihr nicht gehorchen, wollten sie im Fluge an seine
Lagerstatt tragen, auf ihren Lippen schwebte sein Name, ihre Arme breiteten
sich aus, ihn stürmisch zu umfangen.
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