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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine j>orle.

Zu wem?

Zu jenem Bekannten aus deiner frühern Stellung,,

Als ob ich mich je soweit vergessen hätte, seine Schwelle zu überschreite"!
Was denkt Ihr von Eufemia, gnädiges Fräulein!

In welcher Abteilung des Schlosses er wohnt, ist dir also nicht bekannt?

Das sage ich nicht, ich will mein Gewissen nicht mit einer Lüge beschweren,
noch dazu im gegenwärtigen Augenblicke; haben wir nicht vielleicht schon das
Gift im Leibe! Wie lange mußten wir vor dem Schloßthor Parlamentiren!
Sie sah sich um. Wir sind hier immer noch zu nahe, gnädiges Fräulein, sagte
sie; Ihr wollt doch wohl nicht gar, daß ich Euch zu Antonio Maria führe?
Nach der Rückseite des Schlosses, in die langen, eiskalten, finstern Gänge, wo
man sich bei gesunden Zeiten schon den Tod holen kann?

Du willst mich also nicht dahin begleiten? fragte Florida, und schützte sich
endlich gegen den glühenden Sonnenbrand durch das ihr bisher von Eufemia
vergebens aufgedrungene weiße Kopftuch.

Signorita! Ins Schloß, wo die viM0l<z wie toll wüten?

So bezeichne mir die Richtung.

Aber, gnädiges Fräulein, das Schloß ist ja ohnehin abgesperrt.

Das wird sich finden. Wohin gehe ich?

Aber die v^noth!

Eufemia erhob noch Einwände ohne Zahl, doch als Florida sie endlich
ohne Antwort stehen ließ, überwand sie ihre starke innere Scheu und folgte
ihrer Herrin, eifrig beflissen, sie bis zum Betreten des todbringenden Schlosses
durch Gründe immer neuer Art noch von ihrem vermessenen Vorhaben abzu¬
bringen.

Florida war im Geiste schon in der Zelle Giuseppes, und sah und hörte
nichts.

Auf einmal hielt sie aber jemand mit schwacher Hand am Ärmel fest und
eine wohlbekannte zitternde Stimme fragte besorgten Tones:

Unglückliches Kind, was hast dn vor?

Es war der gebrechliche Pater; er hatte sie nach mühsamem Suchen end¬
lich doch noch gefunden.

Florida war mit ihren Gedanken soweit vorausgeeilt, daß sie ihn nicht
gleich erkannte, aber Eufemia warb sofort nur umso wortreicher und dringender
um seine Hilfe beim Zurückhalten ihrer Herrin, und während Florida nun aus
Rücksicht auf sein langsames Gehen ihre Schritte verkürzte, ließ er es anch nicht
an Abmahnungen fehlen.

Nie war der Zeitpunkt aber günstiger gewesen, um ungehindert gerade zu
allen jenen dienstlichen Räumlichkeiten zu gelangen, welche sonst nur von den
im Schlosse heimischen betreten zu werden pflegten. Einige der Flüchtlinge
hatten noch Habseligkeiten nachzuholen und Kisten und Kasten zu verschließen,


Um eine j>orle.

Zu wem?

Zu jenem Bekannten aus deiner frühern Stellung,,

Als ob ich mich je soweit vergessen hätte, seine Schwelle zu überschreite»!
Was denkt Ihr von Eufemia, gnädiges Fräulein!

In welcher Abteilung des Schlosses er wohnt, ist dir also nicht bekannt?

Das sage ich nicht, ich will mein Gewissen nicht mit einer Lüge beschweren,
noch dazu im gegenwärtigen Augenblicke; haben wir nicht vielleicht schon das
Gift im Leibe! Wie lange mußten wir vor dem Schloßthor Parlamentiren!
Sie sah sich um. Wir sind hier immer noch zu nahe, gnädiges Fräulein, sagte
sie; Ihr wollt doch wohl nicht gar, daß ich Euch zu Antonio Maria führe?
Nach der Rückseite des Schlosses, in die langen, eiskalten, finstern Gänge, wo
man sich bei gesunden Zeiten schon den Tod holen kann?

Du willst mich also nicht dahin begleiten? fragte Florida, und schützte sich
endlich gegen den glühenden Sonnenbrand durch das ihr bisher von Eufemia
vergebens aufgedrungene weiße Kopftuch.

Signorita! Ins Schloß, wo die viM0l<z wie toll wüten?

So bezeichne mir die Richtung.

Aber, gnädiges Fräulein, das Schloß ist ja ohnehin abgesperrt.

Das wird sich finden. Wohin gehe ich?

Aber die v^noth!

Eufemia erhob noch Einwände ohne Zahl, doch als Florida sie endlich
ohne Antwort stehen ließ, überwand sie ihre starke innere Scheu und folgte
ihrer Herrin, eifrig beflissen, sie bis zum Betreten des todbringenden Schlosses
durch Gründe immer neuer Art noch von ihrem vermessenen Vorhaben abzu¬
bringen.

Florida war im Geiste schon in der Zelle Giuseppes, und sah und hörte
nichts.

Auf einmal hielt sie aber jemand mit schwacher Hand am Ärmel fest und
eine wohlbekannte zitternde Stimme fragte besorgten Tones:

Unglückliches Kind, was hast dn vor?

Es war der gebrechliche Pater; er hatte sie nach mühsamem Suchen end¬
lich doch noch gefunden.

Florida war mit ihren Gedanken soweit vorausgeeilt, daß sie ihn nicht
gleich erkannte, aber Eufemia warb sofort nur umso wortreicher und dringender
um seine Hilfe beim Zurückhalten ihrer Herrin, und während Florida nun aus
Rücksicht auf sein langsames Gehen ihre Schritte verkürzte, ließ er es anch nicht
an Abmahnungen fehlen.

Nie war der Zeitpunkt aber günstiger gewesen, um ungehindert gerade zu
allen jenen dienstlichen Räumlichkeiten zu gelangen, welche sonst nur von den
im Schlosse heimischen betreten zu werden pflegten. Einige der Flüchtlinge
hatten noch Habseligkeiten nachzuholen und Kisten und Kasten zu verschließen,


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[0338] Um eine j>orle. Zu wem? Zu jenem Bekannten aus deiner frühern Stellung,, Als ob ich mich je soweit vergessen hätte, seine Schwelle zu überschreite»! Was denkt Ihr von Eufemia, gnädiges Fräulein! In welcher Abteilung des Schlosses er wohnt, ist dir also nicht bekannt? Das sage ich nicht, ich will mein Gewissen nicht mit einer Lüge beschweren, noch dazu im gegenwärtigen Augenblicke; haben wir nicht vielleicht schon das Gift im Leibe! Wie lange mußten wir vor dem Schloßthor Parlamentiren! Sie sah sich um. Wir sind hier immer noch zu nahe, gnädiges Fräulein, sagte sie; Ihr wollt doch wohl nicht gar, daß ich Euch zu Antonio Maria führe? Nach der Rückseite des Schlosses, in die langen, eiskalten, finstern Gänge, wo man sich bei gesunden Zeiten schon den Tod holen kann? Du willst mich also nicht dahin begleiten? fragte Florida, und schützte sich endlich gegen den glühenden Sonnenbrand durch das ihr bisher von Eufemia vergebens aufgedrungene weiße Kopftuch. Signorita! Ins Schloß, wo die viM0l<z wie toll wüten? So bezeichne mir die Richtung. Aber, gnädiges Fräulein, das Schloß ist ja ohnehin abgesperrt. Das wird sich finden. Wohin gehe ich? Aber die v^noth! Eufemia erhob noch Einwände ohne Zahl, doch als Florida sie endlich ohne Antwort stehen ließ, überwand sie ihre starke innere Scheu und folgte ihrer Herrin, eifrig beflissen, sie bis zum Betreten des todbringenden Schlosses durch Gründe immer neuer Art noch von ihrem vermessenen Vorhaben abzu¬ bringen. Florida war im Geiste schon in der Zelle Giuseppes, und sah und hörte nichts. Auf einmal hielt sie aber jemand mit schwacher Hand am Ärmel fest und eine wohlbekannte zitternde Stimme fragte besorgten Tones: Unglückliches Kind, was hast dn vor? Es war der gebrechliche Pater; er hatte sie nach mühsamem Suchen end¬ lich doch noch gefunden. Florida war mit ihren Gedanken soweit vorausgeeilt, daß sie ihn nicht gleich erkannte, aber Eufemia warb sofort nur umso wortreicher und dringender um seine Hilfe beim Zurückhalten ihrer Herrin, und während Florida nun aus Rücksicht auf sein langsames Gehen ihre Schritte verkürzte, ließ er es anch nicht an Abmahnungen fehlen. Nie war der Zeitpunkt aber günstiger gewesen, um ungehindert gerade zu allen jenen dienstlichen Räumlichkeiten zu gelangen, welche sonst nur von den im Schlosse heimischen betreten zu werden pflegten. Einige der Flüchtlinge hatten noch Habseligkeiten nachzuholen und Kisten und Kasten zu verschließen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/338>, abgerufen am 24.11.2024.