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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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General aber führte inzwischen, während ein Teil seiner Truppen Streifzttgc
gegen die bei Machram ausgetretnen Jnsurgentenbandcn unternahmen, einen
großen Schlag gegen das Hauptheer der aufständischen Kokauzen aus, welches
sich, 20000 Manu stark, bei Balyktschi anschickte, den Naryn zu überschreiten.
Dann wandte er sich einem Befehle des Generalgvuverncurs zufolge in der
letzten Woche des Dezember 1875, nachdem er Namangau wieder besetzt, gegen
die Winterlager der nomadischen Kiptschaken in der Ebne zwischen dem Naryn
und dem Kam Darjci, um diesen, die stets die Hauptrolle in den letzten Kämpfen
gespielt und das stärkste Kontingent zu den Jnsurgentenhecren gestellt hatten,
durch eine gründliche Niederlage für die Zukunft dieses Treiben zu verleiden.
Wieder war Abdurrachmcm Antobatschi deren Führer und Auditschan ihr
Zentrum. Am ersten Weihnachtsfeiertage begann Skobelew mit 2800 Mann
den Marsch gegen sie, und am 2. Januar war das rechte Ufer des Kara Darja
vom Feinde geräumt, und die Nüssen setzten "ach dem andern über, wo An-
ditschan am 7. mit schwerem Geschütz bombardirt und am 8. erstürmt wurde.
Abdurrachman zog sich wieder nach Asfake zurück, und erst als er hier von
Skobelew ereilt und nochmals aufs Haupt geschlagen worden war, ergab er sich
am 24. Januar mit sechsundzwanzig andern Führern der Insurgenten dem
russischen General auf Gnade und Ungnade. Bald nachher geriet auch Putat
Bey nach Einnahme der Festung Atfeh Kurgan in Gefangenschaft, und Naßr
Eddin kehrte auf den Thron von Kokcmd zurück. Er war aber in dieser Stellung
keine Gewähr dafür, daß die Ruhe und das gute Einvernehmen mit Rußland
erhalten bleiben würde. Man erfuhr vielmehr i" Taschkend) sehr bald, daß er mit
den Nussenfeinden kouspirire, und daß er sich denselben sogar schriftlich verpflichtet
habe, den Krieg sobald als sich Gelegenheit zeigen würde, wieder zu beginnen.
Infolgedessen ließ Kaufmann die Stadt Koland besetzen, und am 19. Februar
1876 wurde der Nest des Chauats dem Zarenreiche als "Provinz Fergana"
einverleibt. Ein kaiserlicher Ukas vom 5. März übertrug dem Geueralgouverueur
von Turkestan die Verwaltung des neuen Gebiets, welches, ungefähr 1300 Quad¬
ratmeilen groß, das Areal Turkestans bis zu 20 500 Quadratmeilen vergrößerte.

Das war in der That ein ungeheures Territorium, wenn man aber in
Petersburg nicht andre, weitere Ziele dabei im Auge gehabt hätte, so wäre der
Gewinn der darauf verwendeten Mittel und Anstrengungen kaum wert gewesen.
Allerdings besaß Turkestan sehr fruchtbare Landstriche, die sich bei geordneter
Verwaltung zu großer Blüte entwickeln ließen, aber die bei weitem größere
Hälfte des Landes bestand aus Steppen, Wüsten und Sümpfen, und die Be¬
völkerung war verhältnismäßig schwach um Zahl und mir in ihrer Minderheit
seßhaft. Das Übergewicht in ihr hatten die kirgisischen und turkmenischen
Nomadenstämme, die schwer zu regieren und noch schwerer dahin zu bringen
waren, das gewohnte freie Hirtenleben aufzugeben und sich als Ackerbauer und
festangesiedelte Viehzüchter in die staatliche Ordnung einzufügen, den Gesetzen


General aber führte inzwischen, während ein Teil seiner Truppen Streifzttgc
gegen die bei Machram ausgetretnen Jnsurgentenbandcn unternahmen, einen
großen Schlag gegen das Hauptheer der aufständischen Kokauzen aus, welches
sich, 20000 Manu stark, bei Balyktschi anschickte, den Naryn zu überschreiten.
Dann wandte er sich einem Befehle des Generalgvuverncurs zufolge in der
letzten Woche des Dezember 1875, nachdem er Namangau wieder besetzt, gegen
die Winterlager der nomadischen Kiptschaken in der Ebne zwischen dem Naryn
und dem Kam Darjci, um diesen, die stets die Hauptrolle in den letzten Kämpfen
gespielt und das stärkste Kontingent zu den Jnsurgentenhecren gestellt hatten,
durch eine gründliche Niederlage für die Zukunft dieses Treiben zu verleiden.
Wieder war Abdurrachmcm Antobatschi deren Führer und Auditschan ihr
Zentrum. Am ersten Weihnachtsfeiertage begann Skobelew mit 2800 Mann
den Marsch gegen sie, und am 2. Januar war das rechte Ufer des Kara Darja
vom Feinde geräumt, und die Nüssen setzten »ach dem andern über, wo An-
ditschan am 7. mit schwerem Geschütz bombardirt und am 8. erstürmt wurde.
Abdurrachman zog sich wieder nach Asfake zurück, und erst als er hier von
Skobelew ereilt und nochmals aufs Haupt geschlagen worden war, ergab er sich
am 24. Januar mit sechsundzwanzig andern Führern der Insurgenten dem
russischen General auf Gnade und Ungnade. Bald nachher geriet auch Putat
Bey nach Einnahme der Festung Atfeh Kurgan in Gefangenschaft, und Naßr
Eddin kehrte auf den Thron von Kokcmd zurück. Er war aber in dieser Stellung
keine Gewähr dafür, daß die Ruhe und das gute Einvernehmen mit Rußland
erhalten bleiben würde. Man erfuhr vielmehr i» Taschkend) sehr bald, daß er mit
den Nussenfeinden kouspirire, und daß er sich denselben sogar schriftlich verpflichtet
habe, den Krieg sobald als sich Gelegenheit zeigen würde, wieder zu beginnen.
Infolgedessen ließ Kaufmann die Stadt Koland besetzen, und am 19. Februar
1876 wurde der Nest des Chauats dem Zarenreiche als „Provinz Fergana"
einverleibt. Ein kaiserlicher Ukas vom 5. März übertrug dem Geueralgouverueur
von Turkestan die Verwaltung des neuen Gebiets, welches, ungefähr 1300 Quad¬
ratmeilen groß, das Areal Turkestans bis zu 20 500 Quadratmeilen vergrößerte.

Das war in der That ein ungeheures Territorium, wenn man aber in
Petersburg nicht andre, weitere Ziele dabei im Auge gehabt hätte, so wäre der
Gewinn der darauf verwendeten Mittel und Anstrengungen kaum wert gewesen.
Allerdings besaß Turkestan sehr fruchtbare Landstriche, die sich bei geordneter
Verwaltung zu großer Blüte entwickeln ließen, aber die bei weitem größere
Hälfte des Landes bestand aus Steppen, Wüsten und Sümpfen, und die Be¬
völkerung war verhältnismäßig schwach um Zahl und mir in ihrer Minderheit
seßhaft. Das Übergewicht in ihr hatten die kirgisischen und turkmenischen
Nomadenstämme, die schwer zu regieren und noch schwerer dahin zu bringen
waren, das gewohnte freie Hirtenleben aufzugeben und sich als Ackerbauer und
festangesiedelte Viehzüchter in die staatliche Ordnung einzufügen, den Gesetzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/334>, abgerufen am 28.07.2024.