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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentralasien.

bunten. Das Fort Petroalcxandrowsk, welches als eine Art Zwing-Uri der
Turkmenen dienen sollte, wurde auf dem rechten Ufer des Ann zwischen Charta
und Schurachaua erbaut und mit zwölf Festungsgeschützen armirt und bekam
eine Garnison von neun Kompagnien Infanterie, vier Sotnien Kosaken und
einer Batterie Feldartillcrie. Diese Truppen, welche unter den Befehl des
Obersten Jwanow gestellt wurden, fanden bald zu thun, indem die Turkmenen
sofort nach dem Abzüge des russischen Hauptheeres einen Aufstand versuchten,
der aber schon im Februar 1874 unterdrückt war. Um ähnlichen Versuchen
auch vom Westen her rasch begegnen zu können, wurde im März der "Trans¬
kaspische Militärdistrikt" organisirt, der nicht in Turkestan, sondern in Kaukcisien
seine Oberbchörde hat. Er umfaßt ein Areal von fast 6000 Quadrntmeilen,
das nördlich bis zur Mertwyibucht des Kaspisees, westlich bis an das Ufer des
letzter", südlich bis zum Atrekflusse und östlich bis an das Chanat Chiwa reicht,
sodaß dieses jetzt allenthalben von russischem Gebiet eingeschlossen ist.

Während hier nunmehr alles nach den Interesse" Rußlands geordnet war,
machte im Sommer 1875 Kvkand demselben wieder zu schaffen. Nachdem der
Chan Allen Kul bei Taschkend gefallen, war von den Nüssen Chudojar zu
dessen Nachfolger ernannt worden, der sich der Politik des Gcneralgonvernenrs
Kaufmain? in jeder Beziehung fügte. Er erlaubte sich aber die schwerste Be¬
drückung und Mißhandlung seiner Unterthanen, und infolgedessen brach im Juli
des letztgenannten Jahres ein Aufstand gegen ihn aus, der ihn zur Flucht auf
russisches Gebiet nötigte. An die Spitze der Insurgenten trat der energische
und hochstrebeude Abdurrachman Autobatschi, ein Kiptschakenhänptling, der den
Sohn des entflohenen Chans, Prinz Naßr Eddin, zum Herrscher Kokands aus¬
rufen ließ und denselben zu feindseliger Haltung gegen die Nassen zwang. Er
dachte an nichts geringeres als an eine Vereinigung aller Mnslime Zeutral-
asienS zum heiligen Kriege gegen die Gjaurs aus Moskof, und in der That
sammelten sich, von Mullahs und Derwischen fanatisirt, große Massen von Ko-
kanzen um seine Fahne. In der ersten Augnstwoche überschritten dieselben in
drei Haufen die russische Grenze: einer, von Abdurrachman selbst geführt, mar-
schirte gegen die Stadt Chodschend, ein zweiter zog vom Norden des Chcmats
aus nach Amur Ala, ein dritter drang in das Thal von Angrcn ein. Es
galt in Taschkend rasch zu handeln, wenn die Empörung nicht auch die erst
zehn Jahre dem Zar unterwvrfnen Nachbargegenden ergreifen sollte, und so
säumten die Russen nicht, gegen die eingedrungnen Kokanzen mit den Streit¬
kräften vorzugehen, die in der Eile zur Verfügung standen. Am 8. August
marschirte Geueral Golowatschew mit denselben nach Tcljau am Angrcnflusse.
wo er am 10. die Feinde zersprengte und am folgenden Tage das ganze Thal
von ihnen säuberte. Die gegen Anim Ala vorgerückte Abteilung der Kokauzcn
kehrte darauf nach dem Chcmate zurück. Dagegen blieb die Garnison von
Chodschend, die mittlerweile von den Schaaren Abdurrachinans umzingelt worden


Die Russen in Zentralasien.

bunten. Das Fort Petroalcxandrowsk, welches als eine Art Zwing-Uri der
Turkmenen dienen sollte, wurde auf dem rechten Ufer des Ann zwischen Charta
und Schurachaua erbaut und mit zwölf Festungsgeschützen armirt und bekam
eine Garnison von neun Kompagnien Infanterie, vier Sotnien Kosaken und
einer Batterie Feldartillcrie. Diese Truppen, welche unter den Befehl des
Obersten Jwanow gestellt wurden, fanden bald zu thun, indem die Turkmenen
sofort nach dem Abzüge des russischen Hauptheeres einen Aufstand versuchten,
der aber schon im Februar 1874 unterdrückt war. Um ähnlichen Versuchen
auch vom Westen her rasch begegnen zu können, wurde im März der „Trans¬
kaspische Militärdistrikt" organisirt, der nicht in Turkestan, sondern in Kaukcisien
seine Oberbchörde hat. Er umfaßt ein Areal von fast 6000 Quadrntmeilen,
das nördlich bis zur Mertwyibucht des Kaspisees, westlich bis an das Ufer des
letzter», südlich bis zum Atrekflusse und östlich bis an das Chanat Chiwa reicht,
sodaß dieses jetzt allenthalben von russischem Gebiet eingeschlossen ist.

Während hier nunmehr alles nach den Interesse» Rußlands geordnet war,
machte im Sommer 1875 Kvkand demselben wieder zu schaffen. Nachdem der
Chan Allen Kul bei Taschkend gefallen, war von den Nüssen Chudojar zu
dessen Nachfolger ernannt worden, der sich der Politik des Gcneralgonvernenrs
Kaufmain? in jeder Beziehung fügte. Er erlaubte sich aber die schwerste Be¬
drückung und Mißhandlung seiner Unterthanen, und infolgedessen brach im Juli
des letztgenannten Jahres ein Aufstand gegen ihn aus, der ihn zur Flucht auf
russisches Gebiet nötigte. An die Spitze der Insurgenten trat der energische
und hochstrebeude Abdurrachman Autobatschi, ein Kiptschakenhänptling, der den
Sohn des entflohenen Chans, Prinz Naßr Eddin, zum Herrscher Kokands aus¬
rufen ließ und denselben zu feindseliger Haltung gegen die Nassen zwang. Er
dachte an nichts geringeres als an eine Vereinigung aller Mnslime Zeutral-
asienS zum heiligen Kriege gegen die Gjaurs aus Moskof, und in der That
sammelten sich, von Mullahs und Derwischen fanatisirt, große Massen von Ko-
kanzen um seine Fahne. In der ersten Augnstwoche überschritten dieselben in
drei Haufen die russische Grenze: einer, von Abdurrachman selbst geführt, mar-
schirte gegen die Stadt Chodschend, ein zweiter zog vom Norden des Chcmats
aus nach Amur Ala, ein dritter drang in das Thal von Angrcn ein. Es
galt in Taschkend rasch zu handeln, wenn die Empörung nicht auch die erst
zehn Jahre dem Zar unterwvrfnen Nachbargegenden ergreifen sollte, und so
säumten die Russen nicht, gegen die eingedrungnen Kokanzen mit den Streit¬
kräften vorzugehen, die in der Eile zur Verfügung standen. Am 8. August
marschirte Geueral Golowatschew mit denselben nach Tcljau am Angrcnflusse.
wo er am 10. die Feinde zersprengte und am folgenden Tage das ganze Thal
von ihnen säuberte. Die gegen Anim Ala vorgerückte Abteilung der Kokauzcn
kehrte darauf nach dem Chcmate zurück. Dagegen blieb die Garnison von
Chodschend, die mittlerweile von den Schaaren Abdurrachinans umzingelt worden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/332>, abgerufen am 24.11.2024.