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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Deutsches Künstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.

Geschäftsreisen, auf denen sie ihre vorrätigen Bilder zu verkaufen suchten. Als
Dürer 1506 uach Venedig ging, hatte er sechs kleine Bilder zum Verkaufe
mitgenommen und konnte bald nach seiner Ankunft melden, daß er sie sämtlich
bis auf eins verkauft habe; ebenso führte er einen ansehnlichen Vorrat von
Kunstsachen auf der niederländischen Reise bei sich. Und wie sehr auch sonst
Geschäftsreisen Sitte waren, geht klar aus der Bestallungsurkunde Holbeins
vom Jahre 1538 hervor, in der ihm der Basler Rat die Erlaubnis erteilt,
daß er die in der Heimat angefertigten Kunstwerke im Jahre ein-, zwei- oder
dreimal "in Frankreich, England, Mailand und Niederland" fremden Herren
zuführen und verkaufen möge.

Zu diesen Einnahmen ans Bildern kam dann im sechzehnten Jahrhundert
noch der reiche Erlös aus Holzschnitt- und Kupferstichblättern. Als die Buch¬
druckerkunst, die ursprünglich nur den Bedürfnissen des niedern Volkes gedient
hatte, allmählich auch in den vornehmem Kreisen Eingang fand, konnten natur¬
gemäß die rohen Holzschnitte der Briefdrncker nicht mehr genügen. Die Maler
wurden als die gellbtern Zeichner von den Buchdruckern herangezogen, um die
Illustrationen zu liefern. So kam allmählich sowohl der Holzschnitt wie der
.Kupferstich ausschließlich in die Hände der Künstler und wurde für sie zu einem
nicht zu unterschätzenden Erwerbszweige. Da die zahllosen Bücher, welche da¬
mals erschienen, fast sämtlich mit Holzschnitten geschmückt wurden, waren ver-
schiedne Künstler, wie Erhard Schön und Hans Spriuginklee in Nürnberg oder
Sebald Besann in Frankfurt, imstande, ausschließlich von dem zu leben, was
sie als Illustratoren im Dienste der Buchdrucker einnahmen. Bei größern
Holzschnitt- und Kupferftichwerken übernahmen die Maler selbst Druck und
Verlag, wie es z. B. Dürer und Cranach thaten. Da muß Dürers Mutter
auf dem Heiligtumsfeste in Nürnberg feilhalten, während Frau Agnes gleich¬
zeitig die Werke ihres Mannes auf der Frankfurter Messe zu verkaufen
sucht. In den benachbarten Städten läßt er seine Holzschnitte durch Kolpor¬
teure vertreiben, ja sogar reisende Kaufleute nehmen sie gegen einen gewissen
Nutzanteil ins Ausland mit. Je geringer die Preise waren, umso größer war
der Absatz. Dürer verkaufte in den Niederlanden feine Hauptwerke, sowohl die
kleine Passion wie die drei großen Bücher Marienleben, Passion und Apoka¬
lypse um -'/^ Gulden, die Kupferstichpassion um ^ Gulden. Die andern ein¬
zelnen Kupferstiche bewertete er nach dem Formate des Papierblattes, auf das
sie gedruckt waren, gab von den ganzen Bogen wie Adam und Eva, Hiero-
nhmns, Melancholie 8, von den halben Bogen 20, von den Viertelbogen 46
zu 1 Gulden. Und in welchen Massen er sie verkaufte, ersieht man zur Ge¬
nüge aus seinem Tagebuche, "Sebaldt Fischer hat mir abgekauft 16 kleiner
Passion um 4 si. Mehr 32 großer Bücher um 8 si. Mehr 6 gestochene Passion
um 3 si. Was unter andern der Franzos genommen hat, ist geWest 36 größer
bücher thut 9 si. Mehr 20 halb Bogen aller Gattung für 3 si. Mehr für 5 si


Deutsches Künstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.

Geschäftsreisen, auf denen sie ihre vorrätigen Bilder zu verkaufen suchten. Als
Dürer 1506 uach Venedig ging, hatte er sechs kleine Bilder zum Verkaufe
mitgenommen und konnte bald nach seiner Ankunft melden, daß er sie sämtlich
bis auf eins verkauft habe; ebenso führte er einen ansehnlichen Vorrat von
Kunstsachen auf der niederländischen Reise bei sich. Und wie sehr auch sonst
Geschäftsreisen Sitte waren, geht klar aus der Bestallungsurkunde Holbeins
vom Jahre 1538 hervor, in der ihm der Basler Rat die Erlaubnis erteilt,
daß er die in der Heimat angefertigten Kunstwerke im Jahre ein-, zwei- oder
dreimal „in Frankreich, England, Mailand und Niederland" fremden Herren
zuführen und verkaufen möge.

Zu diesen Einnahmen ans Bildern kam dann im sechzehnten Jahrhundert
noch der reiche Erlös aus Holzschnitt- und Kupferstichblättern. Als die Buch¬
druckerkunst, die ursprünglich nur den Bedürfnissen des niedern Volkes gedient
hatte, allmählich auch in den vornehmem Kreisen Eingang fand, konnten natur¬
gemäß die rohen Holzschnitte der Briefdrncker nicht mehr genügen. Die Maler
wurden als die gellbtern Zeichner von den Buchdruckern herangezogen, um die
Illustrationen zu liefern. So kam allmählich sowohl der Holzschnitt wie der
.Kupferstich ausschließlich in die Hände der Künstler und wurde für sie zu einem
nicht zu unterschätzenden Erwerbszweige. Da die zahllosen Bücher, welche da¬
mals erschienen, fast sämtlich mit Holzschnitten geschmückt wurden, waren ver-
schiedne Künstler, wie Erhard Schön und Hans Spriuginklee in Nürnberg oder
Sebald Besann in Frankfurt, imstande, ausschließlich von dem zu leben, was
sie als Illustratoren im Dienste der Buchdrucker einnahmen. Bei größern
Holzschnitt- und Kupferftichwerken übernahmen die Maler selbst Druck und
Verlag, wie es z. B. Dürer und Cranach thaten. Da muß Dürers Mutter
auf dem Heiligtumsfeste in Nürnberg feilhalten, während Frau Agnes gleich¬
zeitig die Werke ihres Mannes auf der Frankfurter Messe zu verkaufen
sucht. In den benachbarten Städten läßt er seine Holzschnitte durch Kolpor¬
teure vertreiben, ja sogar reisende Kaufleute nehmen sie gegen einen gewissen
Nutzanteil ins Ausland mit. Je geringer die Preise waren, umso größer war
der Absatz. Dürer verkaufte in den Niederlanden feine Hauptwerke, sowohl die
kleine Passion wie die drei großen Bücher Marienleben, Passion und Apoka¬
lypse um -'/^ Gulden, die Kupferstichpassion um ^ Gulden. Die andern ein¬
zelnen Kupferstiche bewertete er nach dem Formate des Papierblattes, auf das
sie gedruckt waren, gab von den ganzen Bogen wie Adam und Eva, Hiero-
nhmns, Melancholie 8, von den halben Bogen 20, von den Viertelbogen 46
zu 1 Gulden. Und in welchen Massen er sie verkaufte, ersieht man zur Ge¬
nüge aus seinem Tagebuche, „Sebaldt Fischer hat mir abgekauft 16 kleiner
Passion um 4 si. Mehr 32 großer Bücher um 8 si. Mehr 6 gestochene Passion
um 3 si. Was unter andern der Franzos genommen hat, ist geWest 36 größer
bücher thut 9 si. Mehr 20 halb Bogen aller Gattung für 3 si. Mehr für 5 si


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[0031] Deutsches Künstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Geschäftsreisen, auf denen sie ihre vorrätigen Bilder zu verkaufen suchten. Als Dürer 1506 uach Venedig ging, hatte er sechs kleine Bilder zum Verkaufe mitgenommen und konnte bald nach seiner Ankunft melden, daß er sie sämtlich bis auf eins verkauft habe; ebenso führte er einen ansehnlichen Vorrat von Kunstsachen auf der niederländischen Reise bei sich. Und wie sehr auch sonst Geschäftsreisen Sitte waren, geht klar aus der Bestallungsurkunde Holbeins vom Jahre 1538 hervor, in der ihm der Basler Rat die Erlaubnis erteilt, daß er die in der Heimat angefertigten Kunstwerke im Jahre ein-, zwei- oder dreimal „in Frankreich, England, Mailand und Niederland" fremden Herren zuführen und verkaufen möge. Zu diesen Einnahmen ans Bildern kam dann im sechzehnten Jahrhundert noch der reiche Erlös aus Holzschnitt- und Kupferstichblättern. Als die Buch¬ druckerkunst, die ursprünglich nur den Bedürfnissen des niedern Volkes gedient hatte, allmählich auch in den vornehmem Kreisen Eingang fand, konnten natur¬ gemäß die rohen Holzschnitte der Briefdrncker nicht mehr genügen. Die Maler wurden als die gellbtern Zeichner von den Buchdruckern herangezogen, um die Illustrationen zu liefern. So kam allmählich sowohl der Holzschnitt wie der .Kupferstich ausschließlich in die Hände der Künstler und wurde für sie zu einem nicht zu unterschätzenden Erwerbszweige. Da die zahllosen Bücher, welche da¬ mals erschienen, fast sämtlich mit Holzschnitten geschmückt wurden, waren ver- schiedne Künstler, wie Erhard Schön und Hans Spriuginklee in Nürnberg oder Sebald Besann in Frankfurt, imstande, ausschließlich von dem zu leben, was sie als Illustratoren im Dienste der Buchdrucker einnahmen. Bei größern Holzschnitt- und Kupferftichwerken übernahmen die Maler selbst Druck und Verlag, wie es z. B. Dürer und Cranach thaten. Da muß Dürers Mutter auf dem Heiligtumsfeste in Nürnberg feilhalten, während Frau Agnes gleich¬ zeitig die Werke ihres Mannes auf der Frankfurter Messe zu verkaufen sucht. In den benachbarten Städten läßt er seine Holzschnitte durch Kolpor¬ teure vertreiben, ja sogar reisende Kaufleute nehmen sie gegen einen gewissen Nutzanteil ins Ausland mit. Je geringer die Preise waren, umso größer war der Absatz. Dürer verkaufte in den Niederlanden feine Hauptwerke, sowohl die kleine Passion wie die drei großen Bücher Marienleben, Passion und Apoka¬ lypse um -'/^ Gulden, die Kupferstichpassion um ^ Gulden. Die andern ein¬ zelnen Kupferstiche bewertete er nach dem Formate des Papierblattes, auf das sie gedruckt waren, gab von den ganzen Bogen wie Adam und Eva, Hiero- nhmns, Melancholie 8, von den halben Bogen 20, von den Viertelbogen 46 zu 1 Gulden. Und in welchen Massen er sie verkaufte, ersieht man zur Ge¬ nüge aus seinem Tagebuche, „Sebaldt Fischer hat mir abgekauft 16 kleiner Passion um 4 si. Mehr 32 großer Bücher um 8 si. Mehr 6 gestochene Passion um 3 si. Was unter andern der Franzos genommen hat, ist geWest 36 größer bücher thut 9 si. Mehr 20 halb Bogen aller Gattung für 3 si. Mehr für 5 si

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/31>, abgerufen am 24.11.2024.