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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Tod des Mcchdi.

zerfallen werden, mit wohlgeführten ägyptischen und türkischen Truppen aus¬
richten läßt. Hicks Pascha und Baker Pascha haben als Führer ägyptischer
Heere schmachvolle Niederlagen erlitten, nach denen die öffentliche Meinung
schloß, mit solchen Truppen sei überhaupt nichts anzusaugen. Indes dürfen
jene Niederlagen doch nicht über die Zeit vor ihnen verblenden: wir dürfen die
Thatsache nicht vergessen, daß ägyptische Soldaten Jahrzehnte hindurch in diesen
selben Gegenden arabische Horden und Stämme, ja selbst Reiche wie Darfur
und Kordofan besiegten und den Namen des Chedive bis über den Äquator
hinaus gefürchtet machten. In der That, es waren Ägypter, welche den Sudan
unterwarfen und ihm Ordnung " aufzwangen, und nur das Gebot Englands
-- ein sehr unüberlegtes Gebot Gladstones --- war, wie wir wissen, schuld,
daß diese gewaltige Eroberung aufgegeben wurde. Daß die eingeborne Armee
Ägyptens also im Sudan gute Dienste leisten würde, namentlich wenn sie einen
Beisatz tüchtiger türkischer Mannschaften erhalten hätte und von guten türkischen
Offizieren befehligt wäre, leidet kaum einen ernstlichen Zweifel, und es kann
sich nur fragen, wie weit man mit der Wiedereroberung des Sudan zu gehen
ein Interesse und die Kraft hätte.

Diese Frage gehört jedoch der Zukunft an. Für jetzt war nur zu kon-
statiren, daß der Aufstand der Sudanesen mit dem Hingange des Mahdi auf¬
gehört hat eine dringende Gefahr zu sein. Auch die manchen Engländern sehr
am Herzen liegende Rettung des Landes vor der Gefahr, wieder ein Schauplatz
des Sklavenhandels und der Sklavenjagden zu werden, gehört der Zukunft an.
Bei der Lösung dieser Frage wird weniger Ägypten als der Herrscher des neuen
Kongostaates die Hauptrolle zu übernehmen haben, wobei freilich vorausgesetzt
wird, daß der Kongostaat soviel wert ist, als man behauptet hat, und so gut
gedeihen wird, daß seine Aufrechterhaltung sich lohnt, woran neuerdings vielfach
gezweifelt worden ist. Einer der Gründe, ans denen die öffentliche Meinung
in England -- wir unterscheiden immer zwischen dieser und dem englischen
Volke -- dem Ministerium Gladstone seine zaubernde und schwankende Politik
in Ägypten bis zu einem gewissen Maße verzieh, lag in den außerordentlichen
Schwierigkeiten, die aus der englischen Verantwortlichkeit sür den Sudan er¬
wuchsen. Sollte man, so fragten sich viele, englisches Blut und englisches Geld
darauf verwenden, daß in Oasen der tropischen Wüste wieder Ordnung und
Gesetz Geltung erlangten? Wenn Lord Salisbury sich dagegen jetzt das
Bündnis und die Beihilfe des Sultans in der Angelegenheit sichert, so kann
er mit einer und derselben Politik dem britischen Interesse, der Pforte, dem
Chedive und seinen Ägyptern dankenswerte Dienste leisten -- wenn englische
Blätter hinzufügen, auch der Sache der Menschlichkeit, der Zivilisation, so
lehnen wir dies, wie oft schon, als eine mindestens halb heuchlerische und nach¬
gerade verbrauchte Redensart ab. Noch mehr aber würde man sich dagegen
verwahren müssen, wenn das Organ der englischen Oberbehörde, die L^xtian


Der Tod des Mcchdi.

zerfallen werden, mit wohlgeführten ägyptischen und türkischen Truppen aus¬
richten läßt. Hicks Pascha und Baker Pascha haben als Führer ägyptischer
Heere schmachvolle Niederlagen erlitten, nach denen die öffentliche Meinung
schloß, mit solchen Truppen sei überhaupt nichts anzusaugen. Indes dürfen
jene Niederlagen doch nicht über die Zeit vor ihnen verblenden: wir dürfen die
Thatsache nicht vergessen, daß ägyptische Soldaten Jahrzehnte hindurch in diesen
selben Gegenden arabische Horden und Stämme, ja selbst Reiche wie Darfur
und Kordofan besiegten und den Namen des Chedive bis über den Äquator
hinaus gefürchtet machten. In der That, es waren Ägypter, welche den Sudan
unterwarfen und ihm Ordnung " aufzwangen, und nur das Gebot Englands
— ein sehr unüberlegtes Gebot Gladstones -— war, wie wir wissen, schuld,
daß diese gewaltige Eroberung aufgegeben wurde. Daß die eingeborne Armee
Ägyptens also im Sudan gute Dienste leisten würde, namentlich wenn sie einen
Beisatz tüchtiger türkischer Mannschaften erhalten hätte und von guten türkischen
Offizieren befehligt wäre, leidet kaum einen ernstlichen Zweifel, und es kann
sich nur fragen, wie weit man mit der Wiedereroberung des Sudan zu gehen
ein Interesse und die Kraft hätte.

Diese Frage gehört jedoch der Zukunft an. Für jetzt war nur zu kon-
statiren, daß der Aufstand der Sudanesen mit dem Hingange des Mahdi auf¬
gehört hat eine dringende Gefahr zu sein. Auch die manchen Engländern sehr
am Herzen liegende Rettung des Landes vor der Gefahr, wieder ein Schauplatz
des Sklavenhandels und der Sklavenjagden zu werden, gehört der Zukunft an.
Bei der Lösung dieser Frage wird weniger Ägypten als der Herrscher des neuen
Kongostaates die Hauptrolle zu übernehmen haben, wobei freilich vorausgesetzt
wird, daß der Kongostaat soviel wert ist, als man behauptet hat, und so gut
gedeihen wird, daß seine Aufrechterhaltung sich lohnt, woran neuerdings vielfach
gezweifelt worden ist. Einer der Gründe, ans denen die öffentliche Meinung
in England — wir unterscheiden immer zwischen dieser und dem englischen
Volke — dem Ministerium Gladstone seine zaubernde und schwankende Politik
in Ägypten bis zu einem gewissen Maße verzieh, lag in den außerordentlichen
Schwierigkeiten, die aus der englischen Verantwortlichkeit sür den Sudan er¬
wuchsen. Sollte man, so fragten sich viele, englisches Blut und englisches Geld
darauf verwenden, daß in Oasen der tropischen Wüste wieder Ordnung und
Gesetz Geltung erlangten? Wenn Lord Salisbury sich dagegen jetzt das
Bündnis und die Beihilfe des Sultans in der Angelegenheit sichert, so kann
er mit einer und derselben Politik dem britischen Interesse, der Pforte, dem
Chedive und seinen Ägyptern dankenswerte Dienste leisten — wenn englische
Blätter hinzufügen, auch der Sache der Menschlichkeit, der Zivilisation, so
lehnen wir dies, wie oft schon, als eine mindestens halb heuchlerische und nach¬
gerade verbrauchte Redensart ab. Noch mehr aber würde man sich dagegen
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[0301] Der Tod des Mcchdi. zerfallen werden, mit wohlgeführten ägyptischen und türkischen Truppen aus¬ richten läßt. Hicks Pascha und Baker Pascha haben als Führer ägyptischer Heere schmachvolle Niederlagen erlitten, nach denen die öffentliche Meinung schloß, mit solchen Truppen sei überhaupt nichts anzusaugen. Indes dürfen jene Niederlagen doch nicht über die Zeit vor ihnen verblenden: wir dürfen die Thatsache nicht vergessen, daß ägyptische Soldaten Jahrzehnte hindurch in diesen selben Gegenden arabische Horden und Stämme, ja selbst Reiche wie Darfur und Kordofan besiegten und den Namen des Chedive bis über den Äquator hinaus gefürchtet machten. In der That, es waren Ägypter, welche den Sudan unterwarfen und ihm Ordnung " aufzwangen, und nur das Gebot Englands — ein sehr unüberlegtes Gebot Gladstones -— war, wie wir wissen, schuld, daß diese gewaltige Eroberung aufgegeben wurde. Daß die eingeborne Armee Ägyptens also im Sudan gute Dienste leisten würde, namentlich wenn sie einen Beisatz tüchtiger türkischer Mannschaften erhalten hätte und von guten türkischen Offizieren befehligt wäre, leidet kaum einen ernstlichen Zweifel, und es kann sich nur fragen, wie weit man mit der Wiedereroberung des Sudan zu gehen ein Interesse und die Kraft hätte. Diese Frage gehört jedoch der Zukunft an. Für jetzt war nur zu kon- statiren, daß der Aufstand der Sudanesen mit dem Hingange des Mahdi auf¬ gehört hat eine dringende Gefahr zu sein. Auch die manchen Engländern sehr am Herzen liegende Rettung des Landes vor der Gefahr, wieder ein Schauplatz des Sklavenhandels und der Sklavenjagden zu werden, gehört der Zukunft an. Bei der Lösung dieser Frage wird weniger Ägypten als der Herrscher des neuen Kongostaates die Hauptrolle zu übernehmen haben, wobei freilich vorausgesetzt wird, daß der Kongostaat soviel wert ist, als man behauptet hat, und so gut gedeihen wird, daß seine Aufrechterhaltung sich lohnt, woran neuerdings vielfach gezweifelt worden ist. Einer der Gründe, ans denen die öffentliche Meinung in England — wir unterscheiden immer zwischen dieser und dem englischen Volke — dem Ministerium Gladstone seine zaubernde und schwankende Politik in Ägypten bis zu einem gewissen Maße verzieh, lag in den außerordentlichen Schwierigkeiten, die aus der englischen Verantwortlichkeit sür den Sudan er¬ wuchsen. Sollte man, so fragten sich viele, englisches Blut und englisches Geld darauf verwenden, daß in Oasen der tropischen Wüste wieder Ordnung und Gesetz Geltung erlangten? Wenn Lord Salisbury sich dagegen jetzt das Bündnis und die Beihilfe des Sultans in der Angelegenheit sichert, so kann er mit einer und derselben Politik dem britischen Interesse, der Pforte, dem Chedive und seinen Ägyptern dankenswerte Dienste leisten — wenn englische Blätter hinzufügen, auch der Sache der Menschlichkeit, der Zivilisation, so lehnen wir dies, wie oft schon, als eine mindestens halb heuchlerische und nach¬ gerade verbrauchte Redensart ab. Noch mehr aber würde man sich dagegen verwahren müssen, wenn das Organ der englischen Oberbehörde, die L^xtian

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/301>, abgerufen am 28.11.2024.