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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Deutsches Künstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.

besondre Venedig und die Lombardei zu sehen war das Ziel der Wünsche bei
jedem Künstler des sechzehnten Jahrhunderts.

Zurückgekehrt, trat er sodann wie früher, wenn er Meister werden wollte,
in die Zunft ein, wurde Bürger und heiratete. Wir finden sowohl Dürer wie Hol¬
bein mit dreiundzwanzig Jahren verheiratet und dürfen uns nicht wundern, wenn
dabei mancher Konflikt zwischen alter und neuer Zeit sich geltend machte. Die
alten Schriftsteller wissen wiederholt von unglücklichen Eheverhältnissen der da¬
maligen Künstler zu erzählen, melden sowohl von Dürer wie von Holbein und
Grünewald, daß sie "übel verheiratet" waren. Und diesen alten Berichten liegt
bei aller Übertreibung doch sicher eine^ allgemeine Wahrheit zugrunde. Ein
junger Künstler des sechzehnten Jahrhunderts, dessen Brust von Plänen voll
war, konnte sich unmöglich als Jüngling in den engen Schranken des kleinbürger¬
lichen Lebens wohl fühlen.

Allerdings war er jetzt weit eher imstande, Weib und Kind zu ernähren, als
im fünfzehnten Jahrhundert, da er auf viel zahlreichere Aufträge rechnen konnte.
Auch jetzt war es für ihn keine Schande, als Handwerker thätig zu sein; die
Archive belehren uns zur Genüge, wieviel rein handwerksmäßige Aufträge die
großen Meister des Reformationszeitalters zu übernehmen hatten. Aber auch
die künstlerischen Aufträge wurden häufiger. In den deutschen Fürsten, einem
Maximilian dem Ersten, Friedrich dem Weisen, Albrecht von Brandenburg, Wil¬
helm von Baiern begann sich das Verständnis für Kunst zu regen, die Städte
legten mehr Gewicht auf die Ausschmückung ihrer öffentlichen Bauten, und
auch die reichen Patrizier in Augsburg, Frankfurt und Nürnberg setzten all¬
mählich ihren Stolz darein, nicht nur kirchliche Stiftungen zu machen, sondern
auch das Innere ihrer Wohnungen künstlerisch auszustatten.

Die Preise waren allerdings noch ebenso niedrig wie früher. Dürer hat
für das Rosenkranzfest 100, für die "Marter der Zehntausend" 280, für den
Hellerschen Altar 200, für die Entwürfe zu den Bildern des Nürnberger Rat¬
haussaales und die Vier Apostel 100 Gulden erhalten. Nicht viel lohnender
scheint die Porträtmalerei gewesen zu sein, da Sandrart besonders hervorhebt,
daß Amberger 1530 für das Bildnis Karls des Fünften die "hohe Summe"
von 12 Thalern erhalten habe. Dazu kam allerdings wie im fünfzehnten
Jahrhundert noch das Trinkgeld, woran noch jetzt selbst die größten Künstler
keinen Anstoß nahmen. In einem Briefe an Jakob Heller 1509 bittet Dürer
ausdrücklich, derselbe möge seiner Frau ein Trinkgeld geben; und noch im
Jahre 1626 erhält Frau Agnes 10 Gulden, als ihr Mann dem Rate von
Nürnberg seine Vier Apostel verehrt hatte.

Aber die Thätigkeit der Künstler beschränkte sich jetzt nicht mehr wie früher
auf ihre Vaterstadt oder ihren engern Heimatkreis, sondern sie erhielten ans
den fernsten Gegenden von Fürsten und Privatleuten Aufträge. Sie begnügten
sich auch nicht mehr, auf Bestellung zu arbeiten, sondern unternahmen größere


Deutsches Künstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.

besondre Venedig und die Lombardei zu sehen war das Ziel der Wünsche bei
jedem Künstler des sechzehnten Jahrhunderts.

Zurückgekehrt, trat er sodann wie früher, wenn er Meister werden wollte,
in die Zunft ein, wurde Bürger und heiratete. Wir finden sowohl Dürer wie Hol¬
bein mit dreiundzwanzig Jahren verheiratet und dürfen uns nicht wundern, wenn
dabei mancher Konflikt zwischen alter und neuer Zeit sich geltend machte. Die
alten Schriftsteller wissen wiederholt von unglücklichen Eheverhältnissen der da¬
maligen Künstler zu erzählen, melden sowohl von Dürer wie von Holbein und
Grünewald, daß sie „übel verheiratet" waren. Und diesen alten Berichten liegt
bei aller Übertreibung doch sicher eine^ allgemeine Wahrheit zugrunde. Ein
junger Künstler des sechzehnten Jahrhunderts, dessen Brust von Plänen voll
war, konnte sich unmöglich als Jüngling in den engen Schranken des kleinbürger¬
lichen Lebens wohl fühlen.

Allerdings war er jetzt weit eher imstande, Weib und Kind zu ernähren, als
im fünfzehnten Jahrhundert, da er auf viel zahlreichere Aufträge rechnen konnte.
Auch jetzt war es für ihn keine Schande, als Handwerker thätig zu sein; die
Archive belehren uns zur Genüge, wieviel rein handwerksmäßige Aufträge die
großen Meister des Reformationszeitalters zu übernehmen hatten. Aber auch
die künstlerischen Aufträge wurden häufiger. In den deutschen Fürsten, einem
Maximilian dem Ersten, Friedrich dem Weisen, Albrecht von Brandenburg, Wil¬
helm von Baiern begann sich das Verständnis für Kunst zu regen, die Städte
legten mehr Gewicht auf die Ausschmückung ihrer öffentlichen Bauten, und
auch die reichen Patrizier in Augsburg, Frankfurt und Nürnberg setzten all¬
mählich ihren Stolz darein, nicht nur kirchliche Stiftungen zu machen, sondern
auch das Innere ihrer Wohnungen künstlerisch auszustatten.

Die Preise waren allerdings noch ebenso niedrig wie früher. Dürer hat
für das Rosenkranzfest 100, für die „Marter der Zehntausend" 280, für den
Hellerschen Altar 200, für die Entwürfe zu den Bildern des Nürnberger Rat¬
haussaales und die Vier Apostel 100 Gulden erhalten. Nicht viel lohnender
scheint die Porträtmalerei gewesen zu sein, da Sandrart besonders hervorhebt,
daß Amberger 1530 für das Bildnis Karls des Fünften die „hohe Summe"
von 12 Thalern erhalten habe. Dazu kam allerdings wie im fünfzehnten
Jahrhundert noch das Trinkgeld, woran noch jetzt selbst die größten Künstler
keinen Anstoß nahmen. In einem Briefe an Jakob Heller 1509 bittet Dürer
ausdrücklich, derselbe möge seiner Frau ein Trinkgeld geben; und noch im
Jahre 1626 erhält Frau Agnes 10 Gulden, als ihr Mann dem Rate von
Nürnberg seine Vier Apostel verehrt hatte.

Aber die Thätigkeit der Künstler beschränkte sich jetzt nicht mehr wie früher
auf ihre Vaterstadt oder ihren engern Heimatkreis, sondern sie erhielten ans
den fernsten Gegenden von Fürsten und Privatleuten Aufträge. Sie begnügten
sich auch nicht mehr, auf Bestellung zu arbeiten, sondern unternahmen größere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/30>, abgerufen am 28.07.2024.