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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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l!in eine perle.

Stand zu halten pflegten, als es lediglich ungefährlich sei, und als die Ans¬
icht auf reiche Beute nicht durch allzu zähen Widerstand des Feindes getrübt
erscheine.

Ob die beiden um Florida bemüht gewesenen Doktoren beim Vernehmen
der unheimlichen Pestglocke, nachdem sie sich eiligst empfohlen hatten, sich nach
der Kapelle des heiligen Rochus begaben, oder ob sie vorzogen, außerhalb
Mantnas sich von ihrer Bestürzung erst zu erholen, darüber fehlen zuverlässige
Aufzeichnungen.

Jedenfalls war Florida wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte, als der alte
Pater Vigilio im obern Stock anlangte.

Auf der Treppe hatte er von den ihm begegnenden beiden Ärzten zu seiner
großen Betrübnis vernommen, die Pcstglocke werde draußen gelautet, und er
hatte mit ihnen umkehren wollen, um im Kloster der Teatincr die Ausrüstung
der Prozessionen beschleunigen zu helfen.

Aber baun erinnerte er sich, daß der Prior sich in seine Veranstaltungen
nicht gern hineinreden lasse, und da er ja doch anch im Besitz einer für sein
Beichtkind hochwichtigen und keinen Aufschub gestaltenden Kunde war, so hielt
er sich verpflichtet, ihr diese zunächst zu überbringen.

Er fand Florida im Bibliothekzimmer zu Füßen ihres Vaters sitzen, der,
bequem in seinem ledergepolsterten Lehnstuhl ruhend und sich der so lauge ent¬
behrten Gesellschaft seiner Folianten freuend, mit behutsam alles Traurige um¬
gehenden Worten ihr mitteilte, was gestern zwischen dem ehrlichen Primaticcio
und dem Herzog vorgegangen war.

Sie hörte aufmerksam zu und in ihren Augen war ein sanfter Freuden¬
schimmer, hatte der Herzog ihre" Vater also doch begnadigt, ohne daß jener
mit so schwerem Herzen von ihr geleistete Widerruf den Grund der Begna¬
digung abgab; war der Widerruf doch durch den Anwalt vernichtet worden;
durfte sie doch uicht mehr unter dem zermalmenden Drucke der Sorge atmen,
ihr werde die Ungeheuerlichkeit zugemutet werdeu, die in der bloßen Vorstellung
ihr heute Morgen die Besinnung geraubt hatte.

Beim Eintritt des Paters, dessen betrübte Miene an die Bedeutung des
hier oben nnr zu wohl vernehmbaren Glvckenläutens mahnte, erhob sich Flo¬
rida von ihrem niedrigen Schemel und eilte dem gebrechlichen Alten entgegen,
um ihm die Hand zu küssen.

Marcello blieb auf den Wink des Paters in seinem Sessel, und dieser be¬
glückwünschte zunächst Marcello zu der glimpfliche" Wendung, welche dessen
Prozeß genommen habe.

Es folgte ein langes Durchsprechen der ans Florenz, so scheine es, nach
Mantua eingeschleppten Seuche, dann der im Zusammenhang mit Abbvndios
Tod erfolgten llmstimmnng des Herzogs, der Gründe sür Marcellos Begna¬
digung, der Entlassung des verhaßten Vitaliano, der Freudenbezeigungen, wie


l!in eine perle.

Stand zu halten pflegten, als es lediglich ungefährlich sei, und als die Ans¬
icht auf reiche Beute nicht durch allzu zähen Widerstand des Feindes getrübt
erscheine.

Ob die beiden um Florida bemüht gewesenen Doktoren beim Vernehmen
der unheimlichen Pestglocke, nachdem sie sich eiligst empfohlen hatten, sich nach
der Kapelle des heiligen Rochus begaben, oder ob sie vorzogen, außerhalb
Mantnas sich von ihrer Bestürzung erst zu erholen, darüber fehlen zuverlässige
Aufzeichnungen.

Jedenfalls war Florida wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte, als der alte
Pater Vigilio im obern Stock anlangte.

Auf der Treppe hatte er von den ihm begegnenden beiden Ärzten zu seiner
großen Betrübnis vernommen, die Pcstglocke werde draußen gelautet, und er
hatte mit ihnen umkehren wollen, um im Kloster der Teatincr die Ausrüstung
der Prozessionen beschleunigen zu helfen.

Aber baun erinnerte er sich, daß der Prior sich in seine Veranstaltungen
nicht gern hineinreden lasse, und da er ja doch anch im Besitz einer für sein
Beichtkind hochwichtigen und keinen Aufschub gestaltenden Kunde war, so hielt
er sich verpflichtet, ihr diese zunächst zu überbringen.

Er fand Florida im Bibliothekzimmer zu Füßen ihres Vaters sitzen, der,
bequem in seinem ledergepolsterten Lehnstuhl ruhend und sich der so lauge ent¬
behrten Gesellschaft seiner Folianten freuend, mit behutsam alles Traurige um¬
gehenden Worten ihr mitteilte, was gestern zwischen dem ehrlichen Primaticcio
und dem Herzog vorgegangen war.

Sie hörte aufmerksam zu und in ihren Augen war ein sanfter Freuden¬
schimmer, hatte der Herzog ihre» Vater also doch begnadigt, ohne daß jener
mit so schwerem Herzen von ihr geleistete Widerruf den Grund der Begna¬
digung abgab; war der Widerruf doch durch den Anwalt vernichtet worden;
durfte sie doch uicht mehr unter dem zermalmenden Drucke der Sorge atmen,
ihr werde die Ungeheuerlichkeit zugemutet werdeu, die in der bloßen Vorstellung
ihr heute Morgen die Besinnung geraubt hatte.

Beim Eintritt des Paters, dessen betrübte Miene an die Bedeutung des
hier oben nnr zu wohl vernehmbaren Glvckenläutens mahnte, erhob sich Flo¬
rida von ihrem niedrigen Schemel und eilte dem gebrechlichen Alten entgegen,
um ihm die Hand zu küssen.

Marcello blieb auf den Wink des Paters in seinem Sessel, und dieser be¬
glückwünschte zunächst Marcello zu der glimpfliche» Wendung, welche dessen
Prozeß genommen habe.

Es folgte ein langes Durchsprechen der ans Florenz, so scheine es, nach
Mantua eingeschleppten Seuche, dann der im Zusammenhang mit Abbvndios
Tod erfolgten llmstimmnng des Herzogs, der Gründe sür Marcellos Begna¬
digung, der Entlassung des verhaßten Vitaliano, der Freudenbezeigungen, wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/285>, abgerufen am 22.11.2024.