Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Deutsches Rünstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Jahren auch als Kupferstecher und Zeichner für den Formschnitt thätig zu Unter diesen Umständen waren die Vermögensverhältnisse der Künstler In einem Handwerker, der obendrein in so gedrückten Verhältnissen lebte, Deutsches Rünstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Jahren auch als Kupferstecher und Zeichner für den Formschnitt thätig zu Unter diesen Umständen waren die Vermögensverhältnisse der Künstler In einem Handwerker, der obendrein in so gedrückten Verhältnissen lebte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196128"/> <fw type="header" place="top"> Deutsches Rünstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.</fw><lb/> <p xml:id="ID_68" prev="#ID_67"> Jahren auch als Kupferstecher und Zeichner für den Formschnitt thätig zu<lb/> sein. Da jedoch sowohl die gedruckten Bilderbücher wie die Heiligendarstellnngen,<lb/> Spielkarten, Neujahrswünsche, Ablaßbriefe und Kalender damals nur in den<lb/> niedern Volkskreisen Absatz fanden, denen die Art der Ausführung gleichgültig<lb/> war, so vermochten sie nur schwer den Goldschmieden und Briefdruckern Kon¬<lb/> kurrenz zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_69"> Unter diesen Umständen waren die Vermögensverhältnisse der Künstler<lb/> jener Zeit nichts weniger als glänzend, und der Klageruf, den im Jahre 1431<lb/> der alte Maler Lukas Moser ausstieß, als er sein Altarbild für das Kloster<lb/> Tiefenbronn vollendet hatte — Schrie Kunst schrie und klag dich ser, Din be-<lb/> gert jecz Riemen mer, — ist für die ganze Periode bezeichnend. Das fünf¬<lb/> zehnte Jahrhundert war in Deutschland eine Zeit politischer und religiöser<lb/> Gährung, eine Zeit, in der Hungersnöte wüteten und das Volk von allem<lb/> denkbaren Unglück heimgesucht wurde. Kein Wunder, daß der Absatz der<lb/> Bilder so gering und die Bezahlung so schlecht war, daß gar oft Nahrungs-<lb/> sorgen an den Künstler herantraten. Selbst ein so geschäftiger Geist wie<lb/> Wohlgemuth konnte im fünfzehnten Jahrhundert keine großen Ersparnisse<lb/> machen und ging in den spätern Jahren in seinen Vermögensverhältnissen zurück.<lb/> Ein Maler Ulrich Altdorfer in Regensburg war so arm, daß er im Jahre 1499,<lb/> als er die Erlaubnis erhielt, von Regensburg abzuziehen und auf sein Bürger¬<lb/> recht zu verzichten, nicht die Gebühr von zehn Pfennigen zu zahlen vermochte,<lb/> was er eidlich bekräftigen mußte. Und das traurigste Bild eines solchen stets<lb/> mit Nahrungssorgen kämpfenden Künstlers bietet der alte Holbein, der gerade<lb/> in den Jahren, als er sein Hauptwerk, den Sebastiansaltar, vollendet hatte,<lb/> jämmerlich zugrunde ging. Diese Nahrungssorgen waren umso schlimmer, als<lb/> sie auch nicht mit dem Flitter äußrer Ehren verdeckt werden konnten. Der<lb/> Künstler lebte ganz innerhalb seiner Zunft; hatte er es unter seinen Genossen<lb/> zu besondern Ansehen gebracht, so konnte er, wie Stephan Lochner in Köln<lb/> oder Hans Schülein in Ulm, zum Zunftmeister gewählt werden; das war aber<lb/> auch die höchste Ehre, die er zu erwarten hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_70" next="#ID_71"> In einem Handwerker, der obendrein in so gedrückten Verhältnissen lebte,<lb/> konnte sich naturgemäß noch kein künstlerisches Selbstbewußtsein entwickeln. Er<lb/> war zufrieden, wenn er das Nötige verdiente, um leben zu können, und dachte<lb/> noch nicht an den Ruhm und die Ehre seiner Kunst. „Wo aber die Tafel an<lb/> einem oder mehreren Orten ungestillt würde," heißt es in dem mit Wohlgemuth<lb/> wegen des Schwabacher Altars abgeschlossenen Vertrage, „da soll er solange<lb/> ändern und bessern, bis sie nach der beständigen Besichtigung, von beiden Teilen<lb/> dazu verordnet, Wohlgestalt erkannt würde; wo aber die Tafel dermaßen großen<lb/> Ungestillt gewinne, der nicht zu ändern wäre, da soll er solche Tafel selbst be¬<lb/> halten und das gegebene Geld ohne Abgang und Schaden wiedergeben." Auch<lb/> diese Stelle ist für das Wesen der deutschen Kunst bezeichnend. Während in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
Deutsches Rünstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.
Jahren auch als Kupferstecher und Zeichner für den Formschnitt thätig zu
sein. Da jedoch sowohl die gedruckten Bilderbücher wie die Heiligendarstellnngen,
Spielkarten, Neujahrswünsche, Ablaßbriefe und Kalender damals nur in den
niedern Volkskreisen Absatz fanden, denen die Art der Ausführung gleichgültig
war, so vermochten sie nur schwer den Goldschmieden und Briefdruckern Kon¬
kurrenz zu machen.
Unter diesen Umständen waren die Vermögensverhältnisse der Künstler
jener Zeit nichts weniger als glänzend, und der Klageruf, den im Jahre 1431
der alte Maler Lukas Moser ausstieß, als er sein Altarbild für das Kloster
Tiefenbronn vollendet hatte — Schrie Kunst schrie und klag dich ser, Din be-
gert jecz Riemen mer, — ist für die ganze Periode bezeichnend. Das fünf¬
zehnte Jahrhundert war in Deutschland eine Zeit politischer und religiöser
Gährung, eine Zeit, in der Hungersnöte wüteten und das Volk von allem
denkbaren Unglück heimgesucht wurde. Kein Wunder, daß der Absatz der
Bilder so gering und die Bezahlung so schlecht war, daß gar oft Nahrungs-
sorgen an den Künstler herantraten. Selbst ein so geschäftiger Geist wie
Wohlgemuth konnte im fünfzehnten Jahrhundert keine großen Ersparnisse
machen und ging in den spätern Jahren in seinen Vermögensverhältnissen zurück.
Ein Maler Ulrich Altdorfer in Regensburg war so arm, daß er im Jahre 1499,
als er die Erlaubnis erhielt, von Regensburg abzuziehen und auf sein Bürger¬
recht zu verzichten, nicht die Gebühr von zehn Pfennigen zu zahlen vermochte,
was er eidlich bekräftigen mußte. Und das traurigste Bild eines solchen stets
mit Nahrungssorgen kämpfenden Künstlers bietet der alte Holbein, der gerade
in den Jahren, als er sein Hauptwerk, den Sebastiansaltar, vollendet hatte,
jämmerlich zugrunde ging. Diese Nahrungssorgen waren umso schlimmer, als
sie auch nicht mit dem Flitter äußrer Ehren verdeckt werden konnten. Der
Künstler lebte ganz innerhalb seiner Zunft; hatte er es unter seinen Genossen
zu besondern Ansehen gebracht, so konnte er, wie Stephan Lochner in Köln
oder Hans Schülein in Ulm, zum Zunftmeister gewählt werden; das war aber
auch die höchste Ehre, die er zu erwarten hatte.
In einem Handwerker, der obendrein in so gedrückten Verhältnissen lebte,
konnte sich naturgemäß noch kein künstlerisches Selbstbewußtsein entwickeln. Er
war zufrieden, wenn er das Nötige verdiente, um leben zu können, und dachte
noch nicht an den Ruhm und die Ehre seiner Kunst. „Wo aber die Tafel an
einem oder mehreren Orten ungestillt würde," heißt es in dem mit Wohlgemuth
wegen des Schwabacher Altars abgeschlossenen Vertrage, „da soll er solange
ändern und bessern, bis sie nach der beständigen Besichtigung, von beiden Teilen
dazu verordnet, Wohlgestalt erkannt würde; wo aber die Tafel dermaßen großen
Ungestillt gewinne, der nicht zu ändern wäre, da soll er solche Tafel selbst be¬
halten und das gegebene Geld ohne Abgang und Schaden wiedergeben." Auch
diese Stelle ist für das Wesen der deutschen Kunst bezeichnend. Während in
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