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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der nordamerikanische Farmer und der denische Landwirt.

diesen Stimmen gelobt worden, so hätte man an ihrem Werte sehr zweifelhaft
werden müssen; doch liefert die kürzlich abgegebene Erklärung des landwirt-
schaftlichen Ministers der Vereinigten Staaten, daß nach einer summarischen
Schätzung 169 Millionen Bushel Weizen in den westlichen Farmer unverkauft
lägen, den weitern Beleg dafür, daß sie bereits in unserm Interesse zu wirken
begonnen hat. Jene großenteils nnter spekulativem Hochdruck erzeugten 169
Millionen Bushel waren mit dazu bestimmt, den Preis unsers Weizens noch
weiter zu drücken und unsern Landmann um den Lohn seiner Arbeit zu
bringen; sie siud ferngehalten worden.

Es liegt auf der Hand, daß die Zollerhvhnng, so segensreich sie ohne
Zweifel für den Augenblick wirken wird, trotzdem nnr eine vorübergehende Ma߬
regel sein darf und Wohl auch sein wird. Die Ursachen, welche die andauernde
Krisis in der Landwirtschaft hervorgerufen haben, liegen eben tiefer. Palliativ¬
mittel sind hier notwendig, um deu Übergang weniger gewaltsam und zerstörend
zu machen, aber diese Mittel sind eines zweischneidig, und sie liefern der Oppo¬
sition ihre Waffen.

Es ist unbestreitbar, daß die Lebensmittel der armem Klasse dnrch unsre
Zollgesetzgebung verteuert werden, und es sollte das schlechterdings auch von
niemand geleugnet werden; einmal, weil es an der Aufrichtigkeit dessen zweifeln
läßt, der es leugnet, und zweitens, weil es niemand befremden soll, daß er
dem Allgemeinwohl Opfer zu bringen hat. Unsre ganze Opposition denkt fort¬
während nnr an die Rechte, niemals an die Pflichten ihrer Klienten. Unsre
Arbeiter sind vollends viel zu sehr bearbeitet, viel zu sehr voreingenommen und
verstockt, als daß sie sich der hundert Vergünstigungen bewußt wären, die sie
ans der Gesundheit und der Ordnung ihres Gemeinwesens genießen; warum
soll man sie nicht daran erinnern, daß sie dazu beizutragen haben, einem Brnder-
stande über eine Krisis zu helfen, einem Stande, ans dessen Prosperität sie wieder
indirekt unberechenbare Vorteile ziehen? Ist diese Krisis überwunden, haben sie
geholfen, so mögen sie dann auch für sich das Recht der Unterstützung in An¬
spruch nehmen. Das Kapital hat naturgemäß die Tendenz, sich zu allem, was
es schon besitzt, anch noch des Bodens zu bemächtigen, um ihn, wenn man es
gewähren läßt, wie in Amerika so anch bei uns zu einer Großsabrik einzurichten,
wo der Mensch nur als gelegentlicher Handlanger bei der Maschine fungirt.
Soll dem gegenüber der Grundsatz aufgestellt werden, daß der Boden seinem
Vebancr bleibe, sollen alle die ländlichen Arbeiter, die bei uns noch auf dem
Lande leben, nicht nach der Stadt geworfen werden, um das Angebot noch zu
häufen und die Löhne immer noch tiefer herabzudrücken, so mag der städtische
Fabrikarbeiter jetzt den Mund halten, wenn die Regierung sich zu der Ansicht
bekennt, daß ganze Stände nicht ohne weiteres vom Erdboden weggefegt werden
dürfen, sondern, wenn sie gute und thätige Bürger stellen, dem Staate erhalten
bleiben sollen auch dnrch die Opfer der andern. Heute mir, morgen dir!


Der nordamerikanische Farmer und der denische Landwirt.

diesen Stimmen gelobt worden, so hätte man an ihrem Werte sehr zweifelhaft
werden müssen; doch liefert die kürzlich abgegebene Erklärung des landwirt-
schaftlichen Ministers der Vereinigten Staaten, daß nach einer summarischen
Schätzung 169 Millionen Bushel Weizen in den westlichen Farmer unverkauft
lägen, den weitern Beleg dafür, daß sie bereits in unserm Interesse zu wirken
begonnen hat. Jene großenteils nnter spekulativem Hochdruck erzeugten 169
Millionen Bushel waren mit dazu bestimmt, den Preis unsers Weizens noch
weiter zu drücken und unsern Landmann um den Lohn seiner Arbeit zu
bringen; sie siud ferngehalten worden.

Es liegt auf der Hand, daß die Zollerhvhnng, so segensreich sie ohne
Zweifel für den Augenblick wirken wird, trotzdem nnr eine vorübergehende Ma߬
regel sein darf und Wohl auch sein wird. Die Ursachen, welche die andauernde
Krisis in der Landwirtschaft hervorgerufen haben, liegen eben tiefer. Palliativ¬
mittel sind hier notwendig, um deu Übergang weniger gewaltsam und zerstörend
zu machen, aber diese Mittel sind eines zweischneidig, und sie liefern der Oppo¬
sition ihre Waffen.

Es ist unbestreitbar, daß die Lebensmittel der armem Klasse dnrch unsre
Zollgesetzgebung verteuert werden, und es sollte das schlechterdings auch von
niemand geleugnet werden; einmal, weil es an der Aufrichtigkeit dessen zweifeln
läßt, der es leugnet, und zweitens, weil es niemand befremden soll, daß er
dem Allgemeinwohl Opfer zu bringen hat. Unsre ganze Opposition denkt fort¬
während nnr an die Rechte, niemals an die Pflichten ihrer Klienten. Unsre
Arbeiter sind vollends viel zu sehr bearbeitet, viel zu sehr voreingenommen und
verstockt, als daß sie sich der hundert Vergünstigungen bewußt wären, die sie
ans der Gesundheit und der Ordnung ihres Gemeinwesens genießen; warum
soll man sie nicht daran erinnern, daß sie dazu beizutragen haben, einem Brnder-
stande über eine Krisis zu helfen, einem Stande, ans dessen Prosperität sie wieder
indirekt unberechenbare Vorteile ziehen? Ist diese Krisis überwunden, haben sie
geholfen, so mögen sie dann auch für sich das Recht der Unterstützung in An¬
spruch nehmen. Das Kapital hat naturgemäß die Tendenz, sich zu allem, was
es schon besitzt, anch noch des Bodens zu bemächtigen, um ihn, wenn man es
gewähren läßt, wie in Amerika so anch bei uns zu einer Großsabrik einzurichten,
wo der Mensch nur als gelegentlicher Handlanger bei der Maschine fungirt.
Soll dem gegenüber der Grundsatz aufgestellt werden, daß der Boden seinem
Vebancr bleibe, sollen alle die ländlichen Arbeiter, die bei uns noch auf dem
Lande leben, nicht nach der Stadt geworfen werden, um das Angebot noch zu
häufen und die Löhne immer noch tiefer herabzudrücken, so mag der städtische
Fabrikarbeiter jetzt den Mund halten, wenn die Regierung sich zu der Ansicht
bekennt, daß ganze Stände nicht ohne weiteres vom Erdboden weggefegt werden
dürfen, sondern, wenn sie gute und thätige Bürger stellen, dem Staate erhalten
bleiben sollen auch dnrch die Opfer der andern. Heute mir, morgen dir!


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[0263] Der nordamerikanische Farmer und der denische Landwirt. diesen Stimmen gelobt worden, so hätte man an ihrem Werte sehr zweifelhaft werden müssen; doch liefert die kürzlich abgegebene Erklärung des landwirt- schaftlichen Ministers der Vereinigten Staaten, daß nach einer summarischen Schätzung 169 Millionen Bushel Weizen in den westlichen Farmer unverkauft lägen, den weitern Beleg dafür, daß sie bereits in unserm Interesse zu wirken begonnen hat. Jene großenteils nnter spekulativem Hochdruck erzeugten 169 Millionen Bushel waren mit dazu bestimmt, den Preis unsers Weizens noch weiter zu drücken und unsern Landmann um den Lohn seiner Arbeit zu bringen; sie siud ferngehalten worden. Es liegt auf der Hand, daß die Zollerhvhnng, so segensreich sie ohne Zweifel für den Augenblick wirken wird, trotzdem nnr eine vorübergehende Ma߬ regel sein darf und Wohl auch sein wird. Die Ursachen, welche die andauernde Krisis in der Landwirtschaft hervorgerufen haben, liegen eben tiefer. Palliativ¬ mittel sind hier notwendig, um deu Übergang weniger gewaltsam und zerstörend zu machen, aber diese Mittel sind eines zweischneidig, und sie liefern der Oppo¬ sition ihre Waffen. Es ist unbestreitbar, daß die Lebensmittel der armem Klasse dnrch unsre Zollgesetzgebung verteuert werden, und es sollte das schlechterdings auch von niemand geleugnet werden; einmal, weil es an der Aufrichtigkeit dessen zweifeln läßt, der es leugnet, und zweitens, weil es niemand befremden soll, daß er dem Allgemeinwohl Opfer zu bringen hat. Unsre ganze Opposition denkt fort¬ während nnr an die Rechte, niemals an die Pflichten ihrer Klienten. Unsre Arbeiter sind vollends viel zu sehr bearbeitet, viel zu sehr voreingenommen und verstockt, als daß sie sich der hundert Vergünstigungen bewußt wären, die sie ans der Gesundheit und der Ordnung ihres Gemeinwesens genießen; warum soll man sie nicht daran erinnern, daß sie dazu beizutragen haben, einem Brnder- stande über eine Krisis zu helfen, einem Stande, ans dessen Prosperität sie wieder indirekt unberechenbare Vorteile ziehen? Ist diese Krisis überwunden, haben sie geholfen, so mögen sie dann auch für sich das Recht der Unterstützung in An¬ spruch nehmen. Das Kapital hat naturgemäß die Tendenz, sich zu allem, was es schon besitzt, anch noch des Bodens zu bemächtigen, um ihn, wenn man es gewähren läßt, wie in Amerika so anch bei uns zu einer Großsabrik einzurichten, wo der Mensch nur als gelegentlicher Handlanger bei der Maschine fungirt. Soll dem gegenüber der Grundsatz aufgestellt werden, daß der Boden seinem Vebancr bleibe, sollen alle die ländlichen Arbeiter, die bei uns noch auf dem Lande leben, nicht nach der Stadt geworfen werden, um das Angebot noch zu häufen und die Löhne immer noch tiefer herabzudrücken, so mag der städtische Fabrikarbeiter jetzt den Mund halten, wenn die Regierung sich zu der Ansicht bekennt, daß ganze Stände nicht ohne weiteres vom Erdboden weggefegt werden dürfen, sondern, wenn sie gute und thätige Bürger stellen, dem Staate erhalten bleiben sollen auch dnrch die Opfer der andern. Heute mir, morgen dir!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/263>, abgerufen am 01.09.2024.