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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine Perle.

Ich bin auf dem Wege hierher dem Beichtvater Euers Fräuleins begegnet,
sagte er, und habe ihm --

Doch nicht auch schon wieder alles ausgeschwatzt? ^.W! Ich sagte ja,
Ihr seid wie ein leckes Faß. Geht! Was braucht Ihr da noch Rat von mir
zu holen!

Ihr habt Recht, sagte Beppo, denn im Grunde wußte ich schon, was ich
zu thun hatte.

Er griff nach seinem Hut.

Es klingelte von neuem.

Wir treiben's beide wie die Kinder! rief sie, und nahm ihm seinen Hut
ans der Hand; und vor allem Ihr, Signor Beppo. Kann ich in solchem Zu¬
stande mich vor meinem Fräulein sehen lassen? Fühlt einmal her, wie mein
Herz pocht! Mich mit einer solchen Nachricht wie ein Platzregen zu überfalle":
und mich dann allein zu lassen, Signor Beppo! Habt Jhr's gefühlt? Und
da greift Ihr nach Euerm Hute, als wäre ich ein Brückenheiliger von Stein,
was weiß ich!

Madonna Eufemia, sagte der Padncmer, nachdem er sich von dem heftigen
Pochen ihres Herzens in bescheidner Weise überzeugt hatte, wenn ich gesagt
habe, ich wisse schon, was mir zu thun obliege, so verübelt mir das nicht; ich
wollte mich damit keineswegs überheben. Höret jetzt in Ruhe zu. So steht
die Sache. Zunächst: mag ich schwatzhaft sein oder nicht -- die Nachricht, daß
Signor Giuseppe lebe, und zwar, wie es auf einem der Lederstreifen hieß, in
der Gefangenschaft des Herzogs lebe, ist wie ein Lauffeuer allerorten hin-
getragen; daß ich anch mit dem ehrwürdigen Pater Vigilio davon sprach, hatte
also durchaus nichts auf sich. Betrachten wir nun meine Lage. Auf Euer
Betreiben, oder gut: aus eigner Schwatzhaftigkeit habe ich dem Signor Prima-
ticcio und hernach auch noch dem herzoglichen Gericht verraten, daß mein Herr
ein Verschwörer ist. Kann ich jetzt etwasSchicklicheres thun, als zu verschwinden?

Aus Mantua?

Nur aus Mantua. Versteht sich. Vom Erdboden zu verschwinden, ist
noch nicht meine Absicht.

Aber Euer armer Signor Giuseppe!

Kann ich dafür, daß er nicht auf meine Abmahnungen hörte? Erinnert
Euch, wie glatt alles in Verona ablief! Da hatte er mir die Zügel in die
Hemd gegeben. Hier in Mantua dagegen meinte er plötzlich mit dem Kopfe
die Wand einrennen zu können. Hat er Euch uicht mit dem blanken Degen in
der Hand gezwungen, ihn zu Eltern Fräulein, ich weiß nicht, wie viele hundert
Stufen, treppauf voranzuleuchten?

Mir beben noch die Kniee, bestätigte Eufemia.

Aber davon abgesehen, fuhr Beppo fort, was kauu ich für ihn thun? Wo
halten sie ihn versteckt? Kein Mensch weiß es. Gelänge mir's aber anch, seinen


Um eine Perle.

Ich bin auf dem Wege hierher dem Beichtvater Euers Fräuleins begegnet,
sagte er, und habe ihm —

Doch nicht auch schon wieder alles ausgeschwatzt? ^.W! Ich sagte ja,
Ihr seid wie ein leckes Faß. Geht! Was braucht Ihr da noch Rat von mir
zu holen!

Ihr habt Recht, sagte Beppo, denn im Grunde wußte ich schon, was ich
zu thun hatte.

Er griff nach seinem Hut.

Es klingelte von neuem.

Wir treiben's beide wie die Kinder! rief sie, und nahm ihm seinen Hut
ans der Hand; und vor allem Ihr, Signor Beppo. Kann ich in solchem Zu¬
stande mich vor meinem Fräulein sehen lassen? Fühlt einmal her, wie mein
Herz pocht! Mich mit einer solchen Nachricht wie ein Platzregen zu überfalle«:
und mich dann allein zu lassen, Signor Beppo! Habt Jhr's gefühlt? Und
da greift Ihr nach Euerm Hute, als wäre ich ein Brückenheiliger von Stein,
was weiß ich!

Madonna Eufemia, sagte der Padncmer, nachdem er sich von dem heftigen
Pochen ihres Herzens in bescheidner Weise überzeugt hatte, wenn ich gesagt
habe, ich wisse schon, was mir zu thun obliege, so verübelt mir das nicht; ich
wollte mich damit keineswegs überheben. Höret jetzt in Ruhe zu. So steht
die Sache. Zunächst: mag ich schwatzhaft sein oder nicht — die Nachricht, daß
Signor Giuseppe lebe, und zwar, wie es auf einem der Lederstreifen hieß, in
der Gefangenschaft des Herzogs lebe, ist wie ein Lauffeuer allerorten hin-
getragen; daß ich anch mit dem ehrwürdigen Pater Vigilio davon sprach, hatte
also durchaus nichts auf sich. Betrachten wir nun meine Lage. Auf Euer
Betreiben, oder gut: aus eigner Schwatzhaftigkeit habe ich dem Signor Prima-
ticcio und hernach auch noch dem herzoglichen Gericht verraten, daß mein Herr
ein Verschwörer ist. Kann ich jetzt etwasSchicklicheres thun, als zu verschwinden?

Aus Mantua?

Nur aus Mantua. Versteht sich. Vom Erdboden zu verschwinden, ist
noch nicht meine Absicht.

Aber Euer armer Signor Giuseppe!

Kann ich dafür, daß er nicht auf meine Abmahnungen hörte? Erinnert
Euch, wie glatt alles in Verona ablief! Da hatte er mir die Zügel in die
Hemd gegeben. Hier in Mantua dagegen meinte er plötzlich mit dem Kopfe
die Wand einrennen zu können. Hat er Euch uicht mit dem blanken Degen in
der Hand gezwungen, ihn zu Eltern Fräulein, ich weiß nicht, wie viele hundert
Stufen, treppauf voranzuleuchten?

Mir beben noch die Kniee, bestätigte Eufemia.

Aber davon abgesehen, fuhr Beppo fort, was kauu ich für ihn thun? Wo
halten sie ihn versteckt? Kein Mensch weiß es. Gelänge mir's aber anch, seinen


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[0245] Um eine Perle. Ich bin auf dem Wege hierher dem Beichtvater Euers Fräuleins begegnet, sagte er, und habe ihm — Doch nicht auch schon wieder alles ausgeschwatzt? ^.W! Ich sagte ja, Ihr seid wie ein leckes Faß. Geht! Was braucht Ihr da noch Rat von mir zu holen! Ihr habt Recht, sagte Beppo, denn im Grunde wußte ich schon, was ich zu thun hatte. Er griff nach seinem Hut. Es klingelte von neuem. Wir treiben's beide wie die Kinder! rief sie, und nahm ihm seinen Hut ans der Hand; und vor allem Ihr, Signor Beppo. Kann ich in solchem Zu¬ stande mich vor meinem Fräulein sehen lassen? Fühlt einmal her, wie mein Herz pocht! Mich mit einer solchen Nachricht wie ein Platzregen zu überfalle«: und mich dann allein zu lassen, Signor Beppo! Habt Jhr's gefühlt? Und da greift Ihr nach Euerm Hute, als wäre ich ein Brückenheiliger von Stein, was weiß ich! Madonna Eufemia, sagte der Padncmer, nachdem er sich von dem heftigen Pochen ihres Herzens in bescheidner Weise überzeugt hatte, wenn ich gesagt habe, ich wisse schon, was mir zu thun obliege, so verübelt mir das nicht; ich wollte mich damit keineswegs überheben. Höret jetzt in Ruhe zu. So steht die Sache. Zunächst: mag ich schwatzhaft sein oder nicht — die Nachricht, daß Signor Giuseppe lebe, und zwar, wie es auf einem der Lederstreifen hieß, in der Gefangenschaft des Herzogs lebe, ist wie ein Lauffeuer allerorten hin- getragen; daß ich anch mit dem ehrwürdigen Pater Vigilio davon sprach, hatte also durchaus nichts auf sich. Betrachten wir nun meine Lage. Auf Euer Betreiben, oder gut: aus eigner Schwatzhaftigkeit habe ich dem Signor Prima- ticcio und hernach auch noch dem herzoglichen Gericht verraten, daß mein Herr ein Verschwörer ist. Kann ich jetzt etwasSchicklicheres thun, als zu verschwinden? Aus Mantua? Nur aus Mantua. Versteht sich. Vom Erdboden zu verschwinden, ist noch nicht meine Absicht. Aber Euer armer Signor Giuseppe! Kann ich dafür, daß er nicht auf meine Abmahnungen hörte? Erinnert Euch, wie glatt alles in Verona ablief! Da hatte er mir die Zügel in die Hemd gegeben. Hier in Mantua dagegen meinte er plötzlich mit dem Kopfe die Wand einrennen zu können. Hat er Euch uicht mit dem blanken Degen in der Hand gezwungen, ihn zu Eltern Fräulein, ich weiß nicht, wie viele hundert Stufen, treppauf voranzuleuchten? Mir beben noch die Kniee, bestätigte Eufemia. Aber davon abgesehen, fuhr Beppo fort, was kauu ich für ihn thun? Wo halten sie ihn versteckt? Kein Mensch weiß es. Gelänge mir's aber anch, seinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/245>, abgerufen am 28.07.2024.