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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine perle.

Ich kann weder sitzen noch liegen, antwortete Beppo, indem er Gesichter
schnitt; jetzt heißt es, soll die grüne Kammer für immer zugesperrt sein; ich sei
darin der letzte Gast gewesen. Ein geringer Trost. Ich hätte jedem andern
diese Auszeichnung gegönnt.

Erinnert mich beim Weggehen, daß ich Euch eine Büchse voll Valsmnsalbe
mitgebe, sagte Enfemia in teilnehmenden Tone; aber jetzt nur endlich heraus
mit Eltern Neuigkeiten! Ich bin sonst nicht neugierig; meine Gnädige konnte
alle Taschen voll Liebesbriefe haben, es käme mir nie in den Sinn, hinein¬
zugucken, selbst wenn ich geschriebene Schrift lesen könnte. Aber wir verschwatzen
hier die Zeit und ich kann jeden Augenblick abgeklingelt werden. Also Ihr
kamt, um mir etwas mitzuteilen? Nun, was war es? Ich schweige ja. Redet.
In der grünen Kammer hat doch hoffentlich nicht auch Eure Zunge Schaden
genommen, ^ni! Da klingelts schon! Nun, xer l'^ror al I)in>, was gabs
denn neues? rief sie und sprang von ihrem Sitze auf.

Beppo zog einen der braunen Tapetenstrcifen aus der Vrusttasche: Mein
Herr ist noch am Leben, sagte er.

Die Friaulerin riß die Augen weit auf: Signor Giuseppe?

Signor Giuseppe Gonzaga!

Unmöglich! Er war ja tot, mausetot! rief sie.

Hier hat es gestanden, sagte Beppo, und überließ ihr das Beweisstück,
jetzt ist's verwischt. Wäre ich nicht Paduancr, so hätte ich so wenig wie die
meisten andern ans die Tauben Acht gegeben, die mit diesen Fetzen ängstlich
umherflatterten. Nun, Ihr als Friaulerin habt wohl auch einmal von dem
Paduancr Taubeufest reden hören. Wir feiern es zur Erinnerung an die Tauben,
welche dem berühmten Francesco Novello, als er mit seiner braven Friauler
Mannschaft die feste Stadt Padua belagerte, auf einem solchen Lederstreifen die
Nachricht brachte, eine der Thorwachen sei bereit, ihn nachts in die Festung
einzulassen, er möge nur getrost die Brenta durchschwimmen. Das hat er ja
dann auch gethan, und dadurch ist Padua bekanntlich die verhaßten Viscontis
losgeworden.

Die Friaulerin hatte den Tapetenstreifen wortlos angestarrt.

Mein Gott, mein Gott! rief sie, aber da beginnt ja alles wieder von
vorn!

Freilich, sagte Beppo, und um Eure Meinung über die Sache zu hören,
kam ich hierher.

Ich hätte eher für möglich gehalten, daß der Mincio rückwärts flösse!

Wie mir erst zumute ist, könnt Ihr denken.

Weil Ihr so Schmähliches über Euern Herrn aussagtet! O Signor Beppo,
jetzt werdet Ihr selbst mir wohl Recht geben.

Der Padnaner hütete sich, von neuem gegen den Gedankenwirrwarr Eu-
femias zu Felde zu ziehen.


Um eine perle.

Ich kann weder sitzen noch liegen, antwortete Beppo, indem er Gesichter
schnitt; jetzt heißt es, soll die grüne Kammer für immer zugesperrt sein; ich sei
darin der letzte Gast gewesen. Ein geringer Trost. Ich hätte jedem andern
diese Auszeichnung gegönnt.

Erinnert mich beim Weggehen, daß ich Euch eine Büchse voll Valsmnsalbe
mitgebe, sagte Enfemia in teilnehmenden Tone; aber jetzt nur endlich heraus
mit Eltern Neuigkeiten! Ich bin sonst nicht neugierig; meine Gnädige konnte
alle Taschen voll Liebesbriefe haben, es käme mir nie in den Sinn, hinein¬
zugucken, selbst wenn ich geschriebene Schrift lesen könnte. Aber wir verschwatzen
hier die Zeit und ich kann jeden Augenblick abgeklingelt werden. Also Ihr
kamt, um mir etwas mitzuteilen? Nun, was war es? Ich schweige ja. Redet.
In der grünen Kammer hat doch hoffentlich nicht auch Eure Zunge Schaden
genommen, ^ni! Da klingelts schon! Nun, xer l'^ror al I)in>, was gabs
denn neues? rief sie und sprang von ihrem Sitze auf.

Beppo zog einen der braunen Tapetenstrcifen aus der Vrusttasche: Mein
Herr ist noch am Leben, sagte er.

Die Friaulerin riß die Augen weit auf: Signor Giuseppe?

Signor Giuseppe Gonzaga!

Unmöglich! Er war ja tot, mausetot! rief sie.

Hier hat es gestanden, sagte Beppo, und überließ ihr das Beweisstück,
jetzt ist's verwischt. Wäre ich nicht Paduancr, so hätte ich so wenig wie die
meisten andern ans die Tauben Acht gegeben, die mit diesen Fetzen ängstlich
umherflatterten. Nun, Ihr als Friaulerin habt wohl auch einmal von dem
Paduancr Taubeufest reden hören. Wir feiern es zur Erinnerung an die Tauben,
welche dem berühmten Francesco Novello, als er mit seiner braven Friauler
Mannschaft die feste Stadt Padua belagerte, auf einem solchen Lederstreifen die
Nachricht brachte, eine der Thorwachen sei bereit, ihn nachts in die Festung
einzulassen, er möge nur getrost die Brenta durchschwimmen. Das hat er ja
dann auch gethan, und dadurch ist Padua bekanntlich die verhaßten Viscontis
losgeworden.

Die Friaulerin hatte den Tapetenstreifen wortlos angestarrt.

Mein Gott, mein Gott! rief sie, aber da beginnt ja alles wieder von
vorn!

Freilich, sagte Beppo, und um Eure Meinung über die Sache zu hören,
kam ich hierher.

Ich hätte eher für möglich gehalten, daß der Mincio rückwärts flösse!

Wie mir erst zumute ist, könnt Ihr denken.

Weil Ihr so Schmähliches über Euern Herrn aussagtet! O Signor Beppo,
jetzt werdet Ihr selbst mir wohl Recht geben.

Der Padnaner hütete sich, von neuem gegen den Gedankenwirrwarr Eu-
femias zu Felde zu ziehen.


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[0244] Um eine perle. Ich kann weder sitzen noch liegen, antwortete Beppo, indem er Gesichter schnitt; jetzt heißt es, soll die grüne Kammer für immer zugesperrt sein; ich sei darin der letzte Gast gewesen. Ein geringer Trost. Ich hätte jedem andern diese Auszeichnung gegönnt. Erinnert mich beim Weggehen, daß ich Euch eine Büchse voll Valsmnsalbe mitgebe, sagte Enfemia in teilnehmenden Tone; aber jetzt nur endlich heraus mit Eltern Neuigkeiten! Ich bin sonst nicht neugierig; meine Gnädige konnte alle Taschen voll Liebesbriefe haben, es käme mir nie in den Sinn, hinein¬ zugucken, selbst wenn ich geschriebene Schrift lesen könnte. Aber wir verschwatzen hier die Zeit und ich kann jeden Augenblick abgeklingelt werden. Also Ihr kamt, um mir etwas mitzuteilen? Nun, was war es? Ich schweige ja. Redet. In der grünen Kammer hat doch hoffentlich nicht auch Eure Zunge Schaden genommen, ^ni! Da klingelts schon! Nun, xer l'^ror al I)in>, was gabs denn neues? rief sie und sprang von ihrem Sitze auf. Beppo zog einen der braunen Tapetenstrcifen aus der Vrusttasche: Mein Herr ist noch am Leben, sagte er. Die Friaulerin riß die Augen weit auf: Signor Giuseppe? Signor Giuseppe Gonzaga! Unmöglich! Er war ja tot, mausetot! rief sie. Hier hat es gestanden, sagte Beppo, und überließ ihr das Beweisstück, jetzt ist's verwischt. Wäre ich nicht Paduancr, so hätte ich so wenig wie die meisten andern ans die Tauben Acht gegeben, die mit diesen Fetzen ängstlich umherflatterten. Nun, Ihr als Friaulerin habt wohl auch einmal von dem Paduancr Taubeufest reden hören. Wir feiern es zur Erinnerung an die Tauben, welche dem berühmten Francesco Novello, als er mit seiner braven Friauler Mannschaft die feste Stadt Padua belagerte, auf einem solchen Lederstreifen die Nachricht brachte, eine der Thorwachen sei bereit, ihn nachts in die Festung einzulassen, er möge nur getrost die Brenta durchschwimmen. Das hat er ja dann auch gethan, und dadurch ist Padua bekanntlich die verhaßten Viscontis losgeworden. Die Friaulerin hatte den Tapetenstreifen wortlos angestarrt. Mein Gott, mein Gott! rief sie, aber da beginnt ja alles wieder von vorn! Freilich, sagte Beppo, und um Eure Meinung über die Sache zu hören, kam ich hierher. Ich hätte eher für möglich gehalten, daß der Mincio rückwärts flösse! Wie mir erst zumute ist, könnt Ihr denken. Weil Ihr so Schmähliches über Euern Herrn aussagtet! O Signor Beppo, jetzt werdet Ihr selbst mir wohl Recht geben. Der Padnaner hütete sich, von neuem gegen den Gedankenwirrwarr Eu- femias zu Felde zu ziehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/244>, abgerufen am 25.11.2024.