Um eine perle. Roman von Robert Waldmüller (Ld. Duboc). (Fortsetzung.)
le ersten Vogelstimmen begrüßten das heraufziehende Morgenrot. Schwächer wurde das Licht des Morgensterns. Nvsenfarbig be¬ gannen die weißlichen Wölkchen sich zu umsäumen, die nach der Wetterschlacht dieser Nacht gleich verlassenen Zelten über den Himmel verstreut waren. Auf dem die Stadt zu einer Insel machenden Mincio begannen die bunten Farben des Tages, bunt wie die Farben auf der Palette eines Malers, sich mit den grauen Tönen des verschwindenden Nachtdunkels zu mischen. Dann plötzlich zitterte ein Strahl der Sonne vom Osten herüber, und Floridas Wimpern senkten sich.
Sie hatte alle diese Tage soviel gebetet, daß es ihr oft zumute gewesen war, als sei der Brunnen ausgeschöpft. Auch jetzt war es ihr nicht anders. Abgethan dünkte ihr die Zeit des siechen Sichanklammerns an wunderthätige Schickungen, an Botschaften überirdischer Art. Die Stunde war gekommen, wo es zu rechnen galt mit dem, was die Stunde bot. Ich bin eine Buona- colsi, sagte sie; wozu die Sklavin vergangener Tage sein! Der heutige Rück- fall sei der letzte gewesen. Mich soll nichts mehr zu Boden werfen.
Ihre Miene war fast hart und streng geworden. Sie blickte nach dem Vater hinüber. Ein Sonnenstrahl umspielte seine Stirn, wie um ihn wach zu küssen.
Warum ihn schon jetzt wecken? sagte Florida, wir kommen früh genug zum Aussprechen. Und sie zog den Vorhang des Fensters zu.
Aber der Greis hatte genug geschlafen. Er schlug die Augen ans und blickte sich befriedigt im Zimmer um. Dann, als er sein Gesicht nach den: Fenster wandte, gewahrte er seine Tochter.
Sie senkte die Augenlider.
Um eine perle. Roman von Robert Waldmüller (Ld. Duboc). (Fortsetzung.)
le ersten Vogelstimmen begrüßten das heraufziehende Morgenrot. Schwächer wurde das Licht des Morgensterns. Nvsenfarbig be¬ gannen die weißlichen Wölkchen sich zu umsäumen, die nach der Wetterschlacht dieser Nacht gleich verlassenen Zelten über den Himmel verstreut waren. Auf dem die Stadt zu einer Insel machenden Mincio begannen die bunten Farben des Tages, bunt wie die Farben auf der Palette eines Malers, sich mit den grauen Tönen des verschwindenden Nachtdunkels zu mischen. Dann plötzlich zitterte ein Strahl der Sonne vom Osten herüber, und Floridas Wimpern senkten sich.
Sie hatte alle diese Tage soviel gebetet, daß es ihr oft zumute gewesen war, als sei der Brunnen ausgeschöpft. Auch jetzt war es ihr nicht anders. Abgethan dünkte ihr die Zeit des siechen Sichanklammerns an wunderthätige Schickungen, an Botschaften überirdischer Art. Die Stunde war gekommen, wo es zu rechnen galt mit dem, was die Stunde bot. Ich bin eine Buona- colsi, sagte sie; wozu die Sklavin vergangener Tage sein! Der heutige Rück- fall sei der letzte gewesen. Mich soll nichts mehr zu Boden werfen.
Ihre Miene war fast hart und streng geworden. Sie blickte nach dem Vater hinüber. Ein Sonnenstrahl umspielte seine Stirn, wie um ihn wach zu küssen.
Warum ihn schon jetzt wecken? sagte Florida, wir kommen früh genug zum Aussprechen. Und sie zog den Vorhang des Fensters zu.
Aber der Greis hatte genug geschlafen. Er schlug die Augen ans und blickte sich befriedigt im Zimmer um. Dann, als er sein Gesicht nach den: Fenster wandte, gewahrte er seine Tochter.
Sie senkte die Augenlider.
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Um eine perle.
Roman von Robert Waldmüller (Ld. Duboc). (Fortsetzung.)
le ersten Vogelstimmen begrüßten das heraufziehende Morgenrot.
Schwächer wurde das Licht des Morgensterns. Nvsenfarbig be¬
gannen die weißlichen Wölkchen sich zu umsäumen, die nach der
Wetterschlacht dieser Nacht gleich verlassenen Zelten über den
Himmel verstreut waren. Auf dem die Stadt zu einer Insel
machenden Mincio begannen die bunten Farben des Tages, bunt wie die Farben
auf der Palette eines Malers, sich mit den grauen Tönen des verschwindenden
Nachtdunkels zu mischen. Dann plötzlich zitterte ein Strahl der Sonne vom
Osten herüber, und Floridas Wimpern senkten sich.
Sie hatte alle diese Tage soviel gebetet, daß es ihr oft zumute gewesen
war, als sei der Brunnen ausgeschöpft. Auch jetzt war es ihr nicht anders.
Abgethan dünkte ihr die Zeit des siechen Sichanklammerns an wunderthätige
Schickungen, an Botschaften überirdischer Art. Die Stunde war gekommen,
wo es zu rechnen galt mit dem, was die Stunde bot. Ich bin eine Buona-
colsi, sagte sie; wozu die Sklavin vergangener Tage sein! Der heutige Rück-
fall sei der letzte gewesen. Mich soll nichts mehr zu Boden werfen.
Ihre Miene war fast hart und streng geworden. Sie blickte nach dem
Vater hinüber. Ein Sonnenstrahl umspielte seine Stirn, wie um ihn wach
zu küssen.
Warum ihn schon jetzt wecken? sagte Florida, wir kommen früh genug zum
Aussprechen. Und sie zog den Vorhang des Fensters zu.
Aber der Greis hatte genug geschlafen. Er schlug die Augen ans und
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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/239>, abgerufen am 21.01.2025.
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