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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Reisebriofe ans Italien vom Jahre 1.332.

gebraucht; von kleinen Klingeln eine große Anzahl, Lampen und Lampenträger
in Massen.

Hierauf machte ich noch den Marmorskulpturen einen Besuch, um über einige
bemalte Figuren, die vor nicht lauger Zeit zum Vorschein gekommen, Notizen zu
mache". Diese Exemplare geben von der Bemalung des Marmors in jenen letzten
Zeiten einen nicht eben erfreulichen Begriff. Die Farbe ist nämlich uicht trans-
parent, sondern sitzt ziemlich dick und trocken auf, sodciß das Material verleugnet
sein würde, wenn es uicht an einigen Stellen unbemalt zum Vorschein käme. Dies
scheint in der That beim Fleische der Fall gewesen zu sein. In den Gewändern
waltet gelb, rosarot nud hellblau vor.

Nachmittags ging ich zum Museum in San Martino hinauf. San Martino,
unmittelbar unter der Festung San Elmo gelegen, war eine Certosa, und es
wohnten dort, als ich zum erstenmale hier war, noch einige Mönche. Auch wurde
nur die Kirche und der Klosterhof gezeigt. Jetzt hat sich in den Klosterräumen
ein Nu8vo eivieo gebildet: eine Sammlung von Dingen, welche auf die Geschichte
der Stadt und des Landes Bezug haben, z. B. der Hut des Kardinals Ruffo,
die Zivilgarden-Uniform des Bruders von Pio IX., die Trachten der Munizipal-
beamten, die in Wachs bossirte Figur des Dominikaners Rocco, eines berühmten
Predigers :e.; dann Majoliken, Gläser n. s. w.

Von ganz überraschendem Eindruck war mir eine moderne Schöpfung, das
Werk des Neapolitaners Michele Cncinello (1879). Es ist dies ein etwa fünf
Schritt langes, plastisch aus allen mögliche" Stoffen, Thon, Holz, Metall, Zeug:c.
aufgebautes farbiges Tableau, und stellt das Präsepe dar. Der Zuschauer befindet
sich im Dunkeln, das Tableau ist von oben beleuchtet. Was nun hier aus dein
einfachen Stoffe geworden ist! I" der Mitte ein malerischer Berg, oben darauf
imposante Neste eines korinthisirenden römischen Bauwerkes. Davor sitzt die Ma¬
donna mit dem Kinde, Joseph, die Wirtsleute u. s. w. Die Figuren, ans Thon
modellirt und bemalt, sind etwa zwei Hände hoch. Die Könige, mit äußerster
Pracht angethan, huldigen. Unterdessen werden ihre Pferde und Kameele nach
Vorn den Berg heruutergeführt vor die Gebnrtsgrotte und hier entladen. Alles
mögliche an Gold und Silber kommt da zum Vorschein, und man kann alle die
Pracht uicht mit einem Blicke fassen.

Der Berg ist nur links durch eine malerische steile Schlucht begrenzt, in
welcher täuschend nachgebildetes Wasser hinabstürzt. Eine Brücke führt hinüber
auf das jenseitige Terrain. Da sind Häuser, in denen allerhand Handwerker ihr
Wesen haben. Sie haben von dem Ereignis auf dem Berge gehört und horchen
hinüber, wie auch die Hirte" vo" deu Berge" herabkommen. Jedes Gerät, das
sie brauche", ist mit vollendetster Treue nachgebildet. Auf der andern Seite des
Berges ein neues Bild. Da sind einige Neapolitaner Hänser aufgebaut und mit
einer unglaubliche" Fülle von Detail ausgestattet, wie mau es hier in den Vor¬
städten oder in Portici sieht. Fleischerladen, Bäckerladen n. s. w. Vor der Ta¬
verne hat sich eine lustige Gesellschaft an einer laugen Tafel etablirt und feiert das
neue Ereignis ganz weihnachtsmäßig mit unendlichem Essen und Trinken; der dicke
Wirt trägt schnaufend immer neue Vorräte herzu. Der Priester inmitten der Tafel
"ut einer Serviette bis zum Halse, tüchtig schmausend. Einige sind schon gesättigt
und tnuzeu die Tarantella, von einer vollständigen Musik begleitet.

U"d über all diesen Szenen eine Fülle von Engeln, welche an Drähten in
der Luft schwanken. Welch eine Naivität, welch eine überquellende Fülle von Phan¬
tasie! Einige Kinder, die mit mir das Werk besahen, schrieen laut auf vor Ent-


Reisebriofe ans Italien vom Jahre 1.332.

gebraucht; von kleinen Klingeln eine große Anzahl, Lampen und Lampenträger
in Massen.

Hierauf machte ich noch den Marmorskulpturen einen Besuch, um über einige
bemalte Figuren, die vor nicht lauger Zeit zum Vorschein gekommen, Notizen zu
mache». Diese Exemplare geben von der Bemalung des Marmors in jenen letzten
Zeiten einen nicht eben erfreulichen Begriff. Die Farbe ist nämlich uicht trans-
parent, sondern sitzt ziemlich dick und trocken auf, sodciß das Material verleugnet
sein würde, wenn es uicht an einigen Stellen unbemalt zum Vorschein käme. Dies
scheint in der That beim Fleische der Fall gewesen zu sein. In den Gewändern
waltet gelb, rosarot nud hellblau vor.

Nachmittags ging ich zum Museum in San Martino hinauf. San Martino,
unmittelbar unter der Festung San Elmo gelegen, war eine Certosa, und es
wohnten dort, als ich zum erstenmale hier war, noch einige Mönche. Auch wurde
nur die Kirche und der Klosterhof gezeigt. Jetzt hat sich in den Klosterräumen
ein Nu8vo eivieo gebildet: eine Sammlung von Dingen, welche auf die Geschichte
der Stadt und des Landes Bezug haben, z. B. der Hut des Kardinals Ruffo,
die Zivilgarden-Uniform des Bruders von Pio IX., die Trachten der Munizipal-
beamten, die in Wachs bossirte Figur des Dominikaners Rocco, eines berühmten
Predigers :e.; dann Majoliken, Gläser n. s. w.

Von ganz überraschendem Eindruck war mir eine moderne Schöpfung, das
Werk des Neapolitaners Michele Cncinello (1879). Es ist dies ein etwa fünf
Schritt langes, plastisch aus allen mögliche» Stoffen, Thon, Holz, Metall, Zeug:c.
aufgebautes farbiges Tableau, und stellt das Präsepe dar. Der Zuschauer befindet
sich im Dunkeln, das Tableau ist von oben beleuchtet. Was nun hier aus dein
einfachen Stoffe geworden ist! I» der Mitte ein malerischer Berg, oben darauf
imposante Neste eines korinthisirenden römischen Bauwerkes. Davor sitzt die Ma¬
donna mit dem Kinde, Joseph, die Wirtsleute u. s. w. Die Figuren, ans Thon
modellirt und bemalt, sind etwa zwei Hände hoch. Die Könige, mit äußerster
Pracht angethan, huldigen. Unterdessen werden ihre Pferde und Kameele nach
Vorn den Berg heruutergeführt vor die Gebnrtsgrotte und hier entladen. Alles
mögliche an Gold und Silber kommt da zum Vorschein, und man kann alle die
Pracht uicht mit einem Blicke fassen.

Der Berg ist nur links durch eine malerische steile Schlucht begrenzt, in
welcher täuschend nachgebildetes Wasser hinabstürzt. Eine Brücke führt hinüber
auf das jenseitige Terrain. Da sind Häuser, in denen allerhand Handwerker ihr
Wesen haben. Sie haben von dem Ereignis auf dem Berge gehört und horchen
hinüber, wie auch die Hirte» vo» deu Berge» herabkommen. Jedes Gerät, das
sie brauche», ist mit vollendetster Treue nachgebildet. Auf der andern Seite des
Berges ein neues Bild. Da sind einige Neapolitaner Hänser aufgebaut und mit
einer unglaubliche» Fülle von Detail ausgestattet, wie mau es hier in den Vor¬
städten oder in Portici sieht. Fleischerladen, Bäckerladen n. s. w. Vor der Ta¬
verne hat sich eine lustige Gesellschaft an einer laugen Tafel etablirt und feiert das
neue Ereignis ganz weihnachtsmäßig mit unendlichem Essen und Trinken; der dicke
Wirt trägt schnaufend immer neue Vorräte herzu. Der Priester inmitten der Tafel
»ut einer Serviette bis zum Halse, tüchtig schmausend. Einige sind schon gesättigt
und tnuzeu die Tarantella, von einer vollständigen Musik begleitet.

U»d über all diesen Szenen eine Fülle von Engeln, welche an Drähten in
der Luft schwanken. Welch eine Naivität, welch eine überquellende Fülle von Phan¬
tasie! Einige Kinder, die mit mir das Werk besahen, schrieen laut auf vor Ent-


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[0236] Reisebriofe ans Italien vom Jahre 1.332. gebraucht; von kleinen Klingeln eine große Anzahl, Lampen und Lampenträger in Massen. Hierauf machte ich noch den Marmorskulpturen einen Besuch, um über einige bemalte Figuren, die vor nicht lauger Zeit zum Vorschein gekommen, Notizen zu mache». Diese Exemplare geben von der Bemalung des Marmors in jenen letzten Zeiten einen nicht eben erfreulichen Begriff. Die Farbe ist nämlich uicht trans- parent, sondern sitzt ziemlich dick und trocken auf, sodciß das Material verleugnet sein würde, wenn es uicht an einigen Stellen unbemalt zum Vorschein käme. Dies scheint in der That beim Fleische der Fall gewesen zu sein. In den Gewändern waltet gelb, rosarot nud hellblau vor. Nachmittags ging ich zum Museum in San Martino hinauf. San Martino, unmittelbar unter der Festung San Elmo gelegen, war eine Certosa, und es wohnten dort, als ich zum erstenmale hier war, noch einige Mönche. Auch wurde nur die Kirche und der Klosterhof gezeigt. Jetzt hat sich in den Klosterräumen ein Nu8vo eivieo gebildet: eine Sammlung von Dingen, welche auf die Geschichte der Stadt und des Landes Bezug haben, z. B. der Hut des Kardinals Ruffo, die Zivilgarden-Uniform des Bruders von Pio IX., die Trachten der Munizipal- beamten, die in Wachs bossirte Figur des Dominikaners Rocco, eines berühmten Predigers :e.; dann Majoliken, Gläser n. s. w. Von ganz überraschendem Eindruck war mir eine moderne Schöpfung, das Werk des Neapolitaners Michele Cncinello (1879). Es ist dies ein etwa fünf Schritt langes, plastisch aus allen mögliche» Stoffen, Thon, Holz, Metall, Zeug:c. aufgebautes farbiges Tableau, und stellt das Präsepe dar. Der Zuschauer befindet sich im Dunkeln, das Tableau ist von oben beleuchtet. Was nun hier aus dein einfachen Stoffe geworden ist! I» der Mitte ein malerischer Berg, oben darauf imposante Neste eines korinthisirenden römischen Bauwerkes. Davor sitzt die Ma¬ donna mit dem Kinde, Joseph, die Wirtsleute u. s. w. Die Figuren, ans Thon modellirt und bemalt, sind etwa zwei Hände hoch. Die Könige, mit äußerster Pracht angethan, huldigen. Unterdessen werden ihre Pferde und Kameele nach Vorn den Berg heruutergeführt vor die Gebnrtsgrotte und hier entladen. Alles mögliche an Gold und Silber kommt da zum Vorschein, und man kann alle die Pracht uicht mit einem Blicke fassen. Der Berg ist nur links durch eine malerische steile Schlucht begrenzt, in welcher täuschend nachgebildetes Wasser hinabstürzt. Eine Brücke führt hinüber auf das jenseitige Terrain. Da sind Häuser, in denen allerhand Handwerker ihr Wesen haben. Sie haben von dem Ereignis auf dem Berge gehört und horchen hinüber, wie auch die Hirte» vo» deu Berge» herabkommen. Jedes Gerät, das sie brauche», ist mit vollendetster Treue nachgebildet. Auf der andern Seite des Berges ein neues Bild. Da sind einige Neapolitaner Hänser aufgebaut und mit einer unglaubliche» Fülle von Detail ausgestattet, wie mau es hier in den Vor¬ städten oder in Portici sieht. Fleischerladen, Bäckerladen n. s. w. Vor der Ta¬ verne hat sich eine lustige Gesellschaft an einer laugen Tafel etablirt und feiert das neue Ereignis ganz weihnachtsmäßig mit unendlichem Essen und Trinken; der dicke Wirt trägt schnaufend immer neue Vorräte herzu. Der Priester inmitten der Tafel »ut einer Serviette bis zum Halse, tüchtig schmausend. Einige sind schon gesättigt und tnuzeu die Tarantella, von einer vollständigen Musik begleitet. U»d über all diesen Szenen eine Fülle von Engeln, welche an Drähten in der Luft schwanken. Welch eine Naivität, welch eine überquellende Fülle von Phan¬ tasie! Einige Kinder, die mit mir das Werk besahen, schrieen laut auf vor Ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/236>, abgerufen am 25.11.2024.