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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Italienische Roiselincfe vom Jahre 1(832.

wieder unten. Das Wetter war wundervoll geworden, und Stadt und Land übten
wieder den alten Zauber.

Wir benutzten das gute Wetter zu einer Fahrt nach Pompeji. In dein kleinen
Museum, das sich gleich am Eingange findet, war seit meinem früheren Besuche
manches Interessante hinzugekommen; namentlich einige Abgüsse von Formen erstickter
Menschen und Tiere, welche durch die (später zerfallenen) Körper selbst in der
Asche gebildet sind. Mehrere dieser Menschen haben, wie man sieht, einen schweren
Todeskampf gehabt; ein Alter, den ich noch nicht gesehen hatte, ist ruhig gestorben. Sein
Gesicht ist vollkommen deutlich abgedrückt -- ein Typus, dem man noch jetzt hier
häufig begegnet. Alle sind von zarten Gliedern und nicht großer Statur. Den
Abgüssen von Menschen hat sich seit 1876 ein solcher von einem Hunde hinzu-
gesellt, der wohl feiner Treue zum Opfer gefallen ist, falls er nicht angekettet war.
Er trägt noch das Halsband mit zwei Bronzemünzen. Das Tier hat sich im Tode
sehr gekrümmt und gewunden. Diese stillen. Gestalten, welche den Moment der
Verschüttung so unmittelbar wiedergeben, sind höchst ergreifend. Da jetzt sehr vor¬
sichtig gegraben wird, darf mau hoffen, noch mehr dergleichen zu finden, namentlich
auf der Stabinner Straße, da die Flucht zum Stabiauer Thore hinausging.
'

Man gräbt jetzt zwischen Forum und Theater an der Straße dell Abun-
dcmza. Hier war mitten im ausgegrabenen Terrain ein bedecktes Quadrat liegen
geblieben, und dies wird nun erst erledigt. Der Fortschritt in der Bloßlegnug
ist doch ein sehr langsamer. Man arbeitet zwar mit etwa hundert Menschen, aber
es sind das meistens Jungen, die immer angespornt werden müssen. Ueber ein
Drittel der Stadt ist doch noch kaum freigelegt, und wenn man in dem gegenwärtigen
Tempo fortfährt, wird man noch hundert Jahre brauchen, ehe alles ausgegraben ist.

Ich besuchte das Hans, wo das Urteil des Salomo gefunden wurde; es ist klein
und unansehnlich. Daneben ist eines, wo ein sehr hübsch erhaltenes kleines Haus-
kapellchen gefunden wurde.

Auf einem kleinen Untersatze von halber Manneshöhe ein tempelartiger Bal¬
dachin mit gemalten Marmorsäulcheu (genan wie man in der Rokvkozeit Marmor
imitirte) und feinen Stuckgesimsen. Im Fond ein (leider zugedecktes) Gemälde,
welches ein Opfer darstellen soll. Unter dem Baldachin standen sieben Bronze-
statuettchen, Figuren von Götterbildern. An der Vorderseite des Unterbaues find zwei
Schlangen gemalt, welche Eier von einem Altar nehmen. Die alte Haus-, Erd- und
Schutzschlauge, welche das Opfer der Menschen gnädig annimmt. Sie findet sich in
Pompeji sehr oft gemalt.

An dem Hause, welches jetzt freigelegt wurde, zeigte sich eine bisher noch
nicht gesehene Bemalung des äußern Sockels an der Straße: senkrecht herabgehende
Streifen in wechselnden graulichen, bläulichen, gelblichen Farben.

Ich empfing diesmal in verstärktem Maße den Eindruck, daß die Meuscheu
jener Zeit so lebten und webten wie ihre Nachfolger von heute; ist doch auch
im wesentlichen der Haushalt derselbe, nur daß man -- wenigstens in der Gro߬
stadt Neapel -- mehr in die Höhe hat gehen müssen. Dieselben einräumigen Woh-
nungen für das kleine Volk, in welchen sich ihr alles beschließt und welche Küche,
Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitsstätte und Laden zugleich sind; dieselben kleinen
Läden für Flüssigkeiten aller Art mit den Marmorladentischen und den sonderbar
engen Sitzen für die Verkäufer; dieselbe Häufigkeit dieser Läden. Nur die Fu߬
boden waren in den damaligen reichern Häusern eleganter und kostbarer als jetzt:


Italienische Roiselincfe vom Jahre 1(832.

wieder unten. Das Wetter war wundervoll geworden, und Stadt und Land übten
wieder den alten Zauber.

Wir benutzten das gute Wetter zu einer Fahrt nach Pompeji. In dein kleinen
Museum, das sich gleich am Eingange findet, war seit meinem früheren Besuche
manches Interessante hinzugekommen; namentlich einige Abgüsse von Formen erstickter
Menschen und Tiere, welche durch die (später zerfallenen) Körper selbst in der
Asche gebildet sind. Mehrere dieser Menschen haben, wie man sieht, einen schweren
Todeskampf gehabt; ein Alter, den ich noch nicht gesehen hatte, ist ruhig gestorben. Sein
Gesicht ist vollkommen deutlich abgedrückt — ein Typus, dem man noch jetzt hier
häufig begegnet. Alle sind von zarten Gliedern und nicht großer Statur. Den
Abgüssen von Menschen hat sich seit 1876 ein solcher von einem Hunde hinzu-
gesellt, der wohl feiner Treue zum Opfer gefallen ist, falls er nicht angekettet war.
Er trägt noch das Halsband mit zwei Bronzemünzen. Das Tier hat sich im Tode
sehr gekrümmt und gewunden. Diese stillen. Gestalten, welche den Moment der
Verschüttung so unmittelbar wiedergeben, sind höchst ergreifend. Da jetzt sehr vor¬
sichtig gegraben wird, darf mau hoffen, noch mehr dergleichen zu finden, namentlich
auf der Stabinner Straße, da die Flucht zum Stabiauer Thore hinausging.
'

Man gräbt jetzt zwischen Forum und Theater an der Straße dell Abun-
dcmza. Hier war mitten im ausgegrabenen Terrain ein bedecktes Quadrat liegen
geblieben, und dies wird nun erst erledigt. Der Fortschritt in der Bloßlegnug
ist doch ein sehr langsamer. Man arbeitet zwar mit etwa hundert Menschen, aber
es sind das meistens Jungen, die immer angespornt werden müssen. Ueber ein
Drittel der Stadt ist doch noch kaum freigelegt, und wenn man in dem gegenwärtigen
Tempo fortfährt, wird man noch hundert Jahre brauchen, ehe alles ausgegraben ist.

Ich besuchte das Hans, wo das Urteil des Salomo gefunden wurde; es ist klein
und unansehnlich. Daneben ist eines, wo ein sehr hübsch erhaltenes kleines Haus-
kapellchen gefunden wurde.

Auf einem kleinen Untersatze von halber Manneshöhe ein tempelartiger Bal¬
dachin mit gemalten Marmorsäulcheu (genan wie man in der Rokvkozeit Marmor
imitirte) und feinen Stuckgesimsen. Im Fond ein (leider zugedecktes) Gemälde,
welches ein Opfer darstellen soll. Unter dem Baldachin standen sieben Bronze-
statuettchen, Figuren von Götterbildern. An der Vorderseite des Unterbaues find zwei
Schlangen gemalt, welche Eier von einem Altar nehmen. Die alte Haus-, Erd- und
Schutzschlauge, welche das Opfer der Menschen gnädig annimmt. Sie findet sich in
Pompeji sehr oft gemalt.

An dem Hause, welches jetzt freigelegt wurde, zeigte sich eine bisher noch
nicht gesehene Bemalung des äußern Sockels an der Straße: senkrecht herabgehende
Streifen in wechselnden graulichen, bläulichen, gelblichen Farben.

Ich empfing diesmal in verstärktem Maße den Eindruck, daß die Meuscheu
jener Zeit so lebten und webten wie ihre Nachfolger von heute; ist doch auch
im wesentlichen der Haushalt derselbe, nur daß man — wenigstens in der Gro߬
stadt Neapel — mehr in die Höhe hat gehen müssen. Dieselben einräumigen Woh-
nungen für das kleine Volk, in welchen sich ihr alles beschließt und welche Küche,
Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitsstätte und Laden zugleich sind; dieselben kleinen
Läden für Flüssigkeiten aller Art mit den Marmorladentischen und den sonderbar
engen Sitzen für die Verkäufer; dieselbe Häufigkeit dieser Läden. Nur die Fu߬
boden waren in den damaligen reichern Häusern eleganter und kostbarer als jetzt:


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[0234] Italienische Roiselincfe vom Jahre 1(832. wieder unten. Das Wetter war wundervoll geworden, und Stadt und Land übten wieder den alten Zauber. Wir benutzten das gute Wetter zu einer Fahrt nach Pompeji. In dein kleinen Museum, das sich gleich am Eingange findet, war seit meinem früheren Besuche manches Interessante hinzugekommen; namentlich einige Abgüsse von Formen erstickter Menschen und Tiere, welche durch die (später zerfallenen) Körper selbst in der Asche gebildet sind. Mehrere dieser Menschen haben, wie man sieht, einen schweren Todeskampf gehabt; ein Alter, den ich noch nicht gesehen hatte, ist ruhig gestorben. Sein Gesicht ist vollkommen deutlich abgedrückt — ein Typus, dem man noch jetzt hier häufig begegnet. Alle sind von zarten Gliedern und nicht großer Statur. Den Abgüssen von Menschen hat sich seit 1876 ein solcher von einem Hunde hinzu- gesellt, der wohl feiner Treue zum Opfer gefallen ist, falls er nicht angekettet war. Er trägt noch das Halsband mit zwei Bronzemünzen. Das Tier hat sich im Tode sehr gekrümmt und gewunden. Diese stillen. Gestalten, welche den Moment der Verschüttung so unmittelbar wiedergeben, sind höchst ergreifend. Da jetzt sehr vor¬ sichtig gegraben wird, darf mau hoffen, noch mehr dergleichen zu finden, namentlich auf der Stabinner Straße, da die Flucht zum Stabiauer Thore hinausging. ' Man gräbt jetzt zwischen Forum und Theater an der Straße dell Abun- dcmza. Hier war mitten im ausgegrabenen Terrain ein bedecktes Quadrat liegen geblieben, und dies wird nun erst erledigt. Der Fortschritt in der Bloßlegnug ist doch ein sehr langsamer. Man arbeitet zwar mit etwa hundert Menschen, aber es sind das meistens Jungen, die immer angespornt werden müssen. Ueber ein Drittel der Stadt ist doch noch kaum freigelegt, und wenn man in dem gegenwärtigen Tempo fortfährt, wird man noch hundert Jahre brauchen, ehe alles ausgegraben ist. Ich besuchte das Hans, wo das Urteil des Salomo gefunden wurde; es ist klein und unansehnlich. Daneben ist eines, wo ein sehr hübsch erhaltenes kleines Haus- kapellchen gefunden wurde. Auf einem kleinen Untersatze von halber Manneshöhe ein tempelartiger Bal¬ dachin mit gemalten Marmorsäulcheu (genan wie man in der Rokvkozeit Marmor imitirte) und feinen Stuckgesimsen. Im Fond ein (leider zugedecktes) Gemälde, welches ein Opfer darstellen soll. Unter dem Baldachin standen sieben Bronze- statuettchen, Figuren von Götterbildern. An der Vorderseite des Unterbaues find zwei Schlangen gemalt, welche Eier von einem Altar nehmen. Die alte Haus-, Erd- und Schutzschlauge, welche das Opfer der Menschen gnädig annimmt. Sie findet sich in Pompeji sehr oft gemalt. An dem Hause, welches jetzt freigelegt wurde, zeigte sich eine bisher noch nicht gesehene Bemalung des äußern Sockels an der Straße: senkrecht herabgehende Streifen in wechselnden graulichen, bläulichen, gelblichen Farben. Ich empfing diesmal in verstärktem Maße den Eindruck, daß die Meuscheu jener Zeit so lebten und webten wie ihre Nachfolger von heute; ist doch auch im wesentlichen der Haushalt derselbe, nur daß man — wenigstens in der Gro߬ stadt Neapel — mehr in die Höhe hat gehen müssen. Dieselben einräumigen Woh- nungen für das kleine Volk, in welchen sich ihr alles beschließt und welche Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitsstätte und Laden zugleich sind; dieselben kleinen Läden für Flüssigkeiten aller Art mit den Marmorladentischen und den sonderbar engen Sitzen für die Verkäufer; dieselbe Häufigkeit dieser Läden. Nur die Fu߬ boden waren in den damaligen reichern Häusern eleganter und kostbarer als jetzt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/234>, abgerufen am 25.11.2024.