Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Russen in ZonUalasicn.

von Samcirkand zu umgehen, den Umweg über Dscham ein, der andre zog über
den Karatjubinschen Paß nach der Oase von Schachri^jabs, die, nachdem man
am 7. August in Samarkand eingetroffen war, schon acht Tage später sich in
den Händen Nbwmows befand. Der Kampf war jedoch heiß und blutig ge¬
wesen, und die Rassen hatten beim Sturm auf die Festung Kitab mehr Verlust
an Toten und Verwundeten erlitten, als in allen von ihnen zuvor in Zcntral-
asien gelieferten Treffen.

Schachrisjabs wurde dem Emir zurückgegeben, das Land am Sariawschan
aber verblieb den Russen und wurde dem Generalgouvernement Turkestan ein¬
verleibt. Kaum zwei Jahrzehnte waren seit Erbauung des ersten russischen
Forts am Syr Darja verflossen, als sich infolge der berichteten Eroberungen
das russische Mittelasien wie ein riesiger Keil, 16 000 Quadratmeilen groß,
zwischen die Charade Buchara und Kokaud hineingeschoben hatte. Jene 10000
Quadratmeilen wurden von einer Grenzlinie umschlossen, die im Osten im Quell-
gebiete des Sariawschan begann und in nördlicher Richtung nach dem Syr
Darja lief, denselben östlich von Chvdschend überschritt, um nun dein Kamme
des Tschotkal Urtschaltan bis zum Naryn zu folgen. Nachdem sie diesen ge¬
schnitten, wendete sie sich östlich, ging längs des Tjcmschcm bis zum Chantenyri-
Gebirge hin und nahm hier eine nördliche Richtung, in der sie im Westen von
Kuldscha den Ili überschritt, im Osten von Kopai dem Alatanrückcn folgte nud
westlich von der dschungarischen Stadt Dschngutschak laufend nördlich derselben
auf die Südgrenze Sibiriens traf. Im Norden folgte diese Grenze des General¬
gouvernements Turkestan dem Kamme des Tarbotaiski bis Sergiopol, strebte
in nordwestlichen Laufe dem Balchaschsce zu, durchschnitt dessen Fläche, wendete
sich dem obern Laufe des Tschu zu, dein sie bis zu seiner Mündung folgte,
worauf sie eine nordwestliche Richtung bis zum Ausflüsse des Jrgis einschlug,
von dem sie nach dem nördlichen Ufer des Aralsees ging. Im Westen endlich
bildete eine Linie die Grenze, welche von der Mündung des Syr Darja aus
in südöstlichen Laufe die Wüste Kisilknm durchschnitt nud westlich von Kally
Kurgan den Sariawschan überschritt.

Bereits im Jahre 1870 erfuhr dieses gewaltige Territorium im Osten eine
Erweiterung um fast 1300 Quadratmeilen, indem ein Streit mit dem Chan
von .Kuldscha zu einem Kriege führte, der diesen zu Landabtretnngen zwang.

Der Generalgouvemeur Kaufmann war nicht mir ein tüchtiger Militär,
sondern auch ein umsichtiger Organisator und Administrator in Zivilangelegen¬
heiten. Vieles wurde uuter seiner Leitung in den neuen Provinzen besser als
bisher geordnet, und die Wohlfahrt derselben nahm einen sichtlichen Aufschwung.
Allerlei Reformen wurden eingeführt, namentlich aber richtete der General sein
Augenmerk auf die Besserung der kommerziellen Zustände. Dazu bedürfte es
selbstverständlich der Herstellung freundschaftlicher Verhältnisse gegenüber den
Nachbarstaaten, mit denen Verträge abgeschlossen wurden, welche die Dauer


Gvmzbotcn III. I3SS. 2g
Die Russen in ZonUalasicn.

von Samcirkand zu umgehen, den Umweg über Dscham ein, der andre zog über
den Karatjubinschen Paß nach der Oase von Schachri^jabs, die, nachdem man
am 7. August in Samarkand eingetroffen war, schon acht Tage später sich in
den Händen Nbwmows befand. Der Kampf war jedoch heiß und blutig ge¬
wesen, und die Rassen hatten beim Sturm auf die Festung Kitab mehr Verlust
an Toten und Verwundeten erlitten, als in allen von ihnen zuvor in Zcntral-
asien gelieferten Treffen.

Schachrisjabs wurde dem Emir zurückgegeben, das Land am Sariawschan
aber verblieb den Russen und wurde dem Generalgouvernement Turkestan ein¬
verleibt. Kaum zwei Jahrzehnte waren seit Erbauung des ersten russischen
Forts am Syr Darja verflossen, als sich infolge der berichteten Eroberungen
das russische Mittelasien wie ein riesiger Keil, 16 000 Quadratmeilen groß,
zwischen die Charade Buchara und Kokaud hineingeschoben hatte. Jene 10000
Quadratmeilen wurden von einer Grenzlinie umschlossen, die im Osten im Quell-
gebiete des Sariawschan begann und in nördlicher Richtung nach dem Syr
Darja lief, denselben östlich von Chvdschend überschritt, um nun dein Kamme
des Tschotkal Urtschaltan bis zum Naryn zu folgen. Nachdem sie diesen ge¬
schnitten, wendete sie sich östlich, ging längs des Tjcmschcm bis zum Chantenyri-
Gebirge hin und nahm hier eine nördliche Richtung, in der sie im Westen von
Kuldscha den Ili überschritt, im Osten von Kopai dem Alatanrückcn folgte nud
westlich von der dschungarischen Stadt Dschngutschak laufend nördlich derselben
auf die Südgrenze Sibiriens traf. Im Norden folgte diese Grenze des General¬
gouvernements Turkestan dem Kamme des Tarbotaiski bis Sergiopol, strebte
in nordwestlichen Laufe dem Balchaschsce zu, durchschnitt dessen Fläche, wendete
sich dem obern Laufe des Tschu zu, dein sie bis zu seiner Mündung folgte,
worauf sie eine nordwestliche Richtung bis zum Ausflüsse des Jrgis einschlug,
von dem sie nach dem nördlichen Ufer des Aralsees ging. Im Westen endlich
bildete eine Linie die Grenze, welche von der Mündung des Syr Darja aus
in südöstlichen Laufe die Wüste Kisilknm durchschnitt nud westlich von Kally
Kurgan den Sariawschan überschritt.

Bereits im Jahre 1870 erfuhr dieses gewaltige Territorium im Osten eine
Erweiterung um fast 1300 Quadratmeilen, indem ein Streit mit dem Chan
von .Kuldscha zu einem Kriege führte, der diesen zu Landabtretnngen zwang.

Der Generalgouvemeur Kaufmann war nicht mir ein tüchtiger Militär,
sondern auch ein umsichtiger Organisator und Administrator in Zivilangelegen¬
heiten. Vieles wurde uuter seiner Leitung in den neuen Provinzen besser als
bisher geordnet, und die Wohlfahrt derselben nahm einen sichtlichen Aufschwung.
Allerlei Reformen wurden eingeführt, namentlich aber richtete der General sein
Augenmerk auf die Besserung der kommerziellen Zustände. Dazu bedürfte es
selbstverständlich der Herstellung freundschaftlicher Verhältnisse gegenüber den
Nachbarstaaten, mit denen Verträge abgeschlossen wurden, welche die Dauer


Gvmzbotcn III. I3SS. 2g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196309"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Russen in ZonUalasicn.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_800" prev="#ID_799"> von Samcirkand zu umgehen, den Umweg über Dscham ein, der andre zog über<lb/>
den Karatjubinschen Paß nach der Oase von Schachri^jabs, die, nachdem man<lb/>
am 7. August in Samarkand eingetroffen war, schon acht Tage später sich in<lb/>
den Händen Nbwmows befand. Der Kampf war jedoch heiß und blutig ge¬<lb/>
wesen, und die Rassen hatten beim Sturm auf die Festung Kitab mehr Verlust<lb/>
an Toten und Verwundeten erlitten, als in allen von ihnen zuvor in Zcntral-<lb/>
asien gelieferten Treffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_801"> Schachrisjabs wurde dem Emir zurückgegeben, das Land am Sariawschan<lb/>
aber verblieb den Russen und wurde dem Generalgouvernement Turkestan ein¬<lb/>
verleibt. Kaum zwei Jahrzehnte waren seit Erbauung des ersten russischen<lb/>
Forts am Syr Darja verflossen, als sich infolge der berichteten Eroberungen<lb/>
das russische Mittelasien wie ein riesiger Keil, 16 000 Quadratmeilen groß,<lb/>
zwischen die Charade Buchara und Kokaud hineingeschoben hatte. Jene 10000<lb/>
Quadratmeilen wurden von einer Grenzlinie umschlossen, die im Osten im Quell-<lb/>
gebiete des Sariawschan begann und in nördlicher Richtung nach dem Syr<lb/>
Darja lief, denselben östlich von Chvdschend überschritt, um nun dein Kamme<lb/>
des Tschotkal Urtschaltan bis zum Naryn zu folgen. Nachdem sie diesen ge¬<lb/>
schnitten, wendete sie sich östlich, ging längs des Tjcmschcm bis zum Chantenyri-<lb/>
Gebirge hin und nahm hier eine nördliche Richtung, in der sie im Westen von<lb/>
Kuldscha den Ili überschritt, im Osten von Kopai dem Alatanrückcn folgte nud<lb/>
westlich von der dschungarischen Stadt Dschngutschak laufend nördlich derselben<lb/>
auf die Südgrenze Sibiriens traf. Im Norden folgte diese Grenze des General¬<lb/>
gouvernements Turkestan dem Kamme des Tarbotaiski bis Sergiopol, strebte<lb/>
in nordwestlichen Laufe dem Balchaschsce zu, durchschnitt dessen Fläche, wendete<lb/>
sich dem obern Laufe des Tschu zu, dein sie bis zu seiner Mündung folgte,<lb/>
worauf sie eine nordwestliche Richtung bis zum Ausflüsse des Jrgis einschlug,<lb/>
von dem sie nach dem nördlichen Ufer des Aralsees ging. Im Westen endlich<lb/>
bildete eine Linie die Grenze, welche von der Mündung des Syr Darja aus<lb/>
in südöstlichen Laufe die Wüste Kisilknm durchschnitt nud westlich von Kally<lb/>
Kurgan den Sariawschan überschritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_802"> Bereits im Jahre 1870 erfuhr dieses gewaltige Territorium im Osten eine<lb/>
Erweiterung um fast 1300 Quadratmeilen, indem ein Streit mit dem Chan<lb/>
von .Kuldscha zu einem Kriege führte, der diesen zu Landabtretnngen zwang.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_803" next="#ID_804"> Der Generalgouvemeur Kaufmann war nicht mir ein tüchtiger Militär,<lb/>
sondern auch ein umsichtiger Organisator und Administrator in Zivilangelegen¬<lb/>
heiten. Vieles wurde uuter seiner Leitung in den neuen Provinzen besser als<lb/>
bisher geordnet, und die Wohlfahrt derselben nahm einen sichtlichen Aufschwung.<lb/>
Allerlei Reformen wurden eingeführt, namentlich aber richtete der General sein<lb/>
Augenmerk auf die Besserung der kommerziellen Zustände. Dazu bedürfte es<lb/>
selbstverständlich der Herstellung freundschaftlicher Verhältnisse gegenüber den<lb/>
Nachbarstaaten, mit denen Verträge abgeschlossen wurden, welche die Dauer</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Gvmzbotcn III. I3SS. 2g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0209] Die Russen in ZonUalasicn. von Samcirkand zu umgehen, den Umweg über Dscham ein, der andre zog über den Karatjubinschen Paß nach der Oase von Schachri^jabs, die, nachdem man am 7. August in Samarkand eingetroffen war, schon acht Tage später sich in den Händen Nbwmows befand. Der Kampf war jedoch heiß und blutig ge¬ wesen, und die Rassen hatten beim Sturm auf die Festung Kitab mehr Verlust an Toten und Verwundeten erlitten, als in allen von ihnen zuvor in Zcntral- asien gelieferten Treffen. Schachrisjabs wurde dem Emir zurückgegeben, das Land am Sariawschan aber verblieb den Russen und wurde dem Generalgouvernement Turkestan ein¬ verleibt. Kaum zwei Jahrzehnte waren seit Erbauung des ersten russischen Forts am Syr Darja verflossen, als sich infolge der berichteten Eroberungen das russische Mittelasien wie ein riesiger Keil, 16 000 Quadratmeilen groß, zwischen die Charade Buchara und Kokaud hineingeschoben hatte. Jene 10000 Quadratmeilen wurden von einer Grenzlinie umschlossen, die im Osten im Quell- gebiete des Sariawschan begann und in nördlicher Richtung nach dem Syr Darja lief, denselben östlich von Chvdschend überschritt, um nun dein Kamme des Tschotkal Urtschaltan bis zum Naryn zu folgen. Nachdem sie diesen ge¬ schnitten, wendete sie sich östlich, ging längs des Tjcmschcm bis zum Chantenyri- Gebirge hin und nahm hier eine nördliche Richtung, in der sie im Westen von Kuldscha den Ili überschritt, im Osten von Kopai dem Alatanrückcn folgte nud westlich von der dschungarischen Stadt Dschngutschak laufend nördlich derselben auf die Südgrenze Sibiriens traf. Im Norden folgte diese Grenze des General¬ gouvernements Turkestan dem Kamme des Tarbotaiski bis Sergiopol, strebte in nordwestlichen Laufe dem Balchaschsce zu, durchschnitt dessen Fläche, wendete sich dem obern Laufe des Tschu zu, dein sie bis zu seiner Mündung folgte, worauf sie eine nordwestliche Richtung bis zum Ausflüsse des Jrgis einschlug, von dem sie nach dem nördlichen Ufer des Aralsees ging. Im Westen endlich bildete eine Linie die Grenze, welche von der Mündung des Syr Darja aus in südöstlichen Laufe die Wüste Kisilknm durchschnitt nud westlich von Kally Kurgan den Sariawschan überschritt. Bereits im Jahre 1870 erfuhr dieses gewaltige Territorium im Osten eine Erweiterung um fast 1300 Quadratmeilen, indem ein Streit mit dem Chan von .Kuldscha zu einem Kriege führte, der diesen zu Landabtretnngen zwang. Der Generalgouvemeur Kaufmann war nicht mir ein tüchtiger Militär, sondern auch ein umsichtiger Organisator und Administrator in Zivilangelegen¬ heiten. Vieles wurde uuter seiner Leitung in den neuen Provinzen besser als bisher geordnet, und die Wohlfahrt derselben nahm einen sichtlichen Aufschwung. Allerlei Reformen wurden eingeführt, namentlich aber richtete der General sein Augenmerk auf die Besserung der kommerziellen Zustände. Dazu bedürfte es selbstverständlich der Herstellung freundschaftlicher Verhältnisse gegenüber den Nachbarstaaten, mit denen Verträge abgeschlossen wurden, welche die Dauer Gvmzbotcn III. I3SS. 2g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/209
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/209>, abgerufen am 25.11.2024.