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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentristen.

andre Bedürfnisse für den südlicheren Teil des Marsches nach Rooo-Alexandrowsk
bringen sollten, blieben aus, weil der Kaspisee zugefroren war, Als man den
Posten an der Euba erreichte, hatte man infolge der schrecklichen Kälte bereits
fast den achten Teil der Mannschaften und den fünften der Lasttiere verloren.
Dennoch zog Perowski am 12, Januar weiter, indem er auf Besserung des
Wetters hoffte. Dasselbe änderte sich aber nicht, und als man nach achtzehn
ferneren Tagen voll unsäglicher Leiden und Strapazen nach dem inzwischen
von den Chiwesen angegriffnen Akbulak gelangte, mußte Halt gemacht werden,
und am 13. Februar erging der Befehl zur Umkehr nach Orenbnrg. Als der
General hier am 8. Juni eintraf, brachte er von seinem Heer nur etwa
2600 Mann gesund wieder, die übrigen lagen teils erfroren in der Steppe,
teils gingen sie als Schwerkranke in die Lazarete, teils befanden sie sich als
Gefangne in deu Händen der Feinde.

Die Engländer hatten, als sie von der Kriegserklärung Rußlands gehört
hatten, gefürchtet, Perowski werde von Chiwa im Vereine mit kirgisischen, us¬
bekischen und turkmenischen Horden weiterziehen und Vates und Herat zu er¬
obern versuchen. Infolgedessen schickte Major Todd, der britische Resident bei
Kamran Schah in Herat, den Kapitän Abbot im Dezember an Allah Kuli,
deu Fürsten von Chiwa, um ihn zu bewegen, sich unter englische Hoheit zu
stelle". Abbot aber scheiterte, ungeschickt und ohne Kenntnis der betreffenden
Personen und Verhältnisse, wie er war, mit seiner Mission vollständig und
mußte froh sein, als es ihm gelang, sich von Chiwa auf russisches Gebiet zu
retten. Dagegen hatte Shakespeare, ein andrer britischer Agent, bessern Erfolg;
er vermittelte einen Vertrag zwischen dem Chan und dem Zaren, kraft dessen
die gefangnen Russen freikamen und Allah Kuli Abschaffung des Sklavenhandels
versprach. Ähnliche Einmischung Englands in die zentralasiatischen Händel
fand schon damals auch in Buchara und Kokand statt. Rußlands Ansehen in
diesen Chauaten aber war durch das Mißlingen der Pervwskischen Expedition
für geraume Zeit schwer geschädigt. Die Kirgisen erhoben sich und wurden
erst 1846, nachdem sie ihren Führer Kasimow ermordet, wieder zum Gehorsam
gebracht und dann dnrch Erbauung von Forts am Jrgis und Tnrgai und
durch Belegung von Akbulak und Embinsk, dem Posten an der Euba, mit
stehender Garnison in Botmäßigkeit erhalten. 1846 begaben sich anch die Kir¬
gisen der großen Horde nnter russische Oberherrschaft, die durch Anlegung des
Postens Kopai, südöstlich vom Balkaschsee, gesichert wurde. Zugleich erbaute
man gegen die räuberischen Nomaden im Westen an iber Mündung des Shr
Darja in den Aralsee das Fort Ncnmskoje, das jedoch, da man seine Lage als
unvorteilhaft erkannte, bald aufgegeben wurde. Dafür entstand weiter im Osten
das Fort Ur. 1, jetzt Kasala genannt. Von hier drangen die Russen am Syr
Darja flußaufwärts vor, bemächtigten sich des zu Kokand gehörigen Käses
Kurgan und errichteten hier das Fort Ur. 2. Mit diesen Erwerbungen war


Die Russen in Zentristen.

andre Bedürfnisse für den südlicheren Teil des Marsches nach Rooo-Alexandrowsk
bringen sollten, blieben aus, weil der Kaspisee zugefroren war, Als man den
Posten an der Euba erreichte, hatte man infolge der schrecklichen Kälte bereits
fast den achten Teil der Mannschaften und den fünften der Lasttiere verloren.
Dennoch zog Perowski am 12, Januar weiter, indem er auf Besserung des
Wetters hoffte. Dasselbe änderte sich aber nicht, und als man nach achtzehn
ferneren Tagen voll unsäglicher Leiden und Strapazen nach dem inzwischen
von den Chiwesen angegriffnen Akbulak gelangte, mußte Halt gemacht werden,
und am 13. Februar erging der Befehl zur Umkehr nach Orenbnrg. Als der
General hier am 8. Juni eintraf, brachte er von seinem Heer nur etwa
2600 Mann gesund wieder, die übrigen lagen teils erfroren in der Steppe,
teils gingen sie als Schwerkranke in die Lazarete, teils befanden sie sich als
Gefangne in deu Händen der Feinde.

Die Engländer hatten, als sie von der Kriegserklärung Rußlands gehört
hatten, gefürchtet, Perowski werde von Chiwa im Vereine mit kirgisischen, us¬
bekischen und turkmenischen Horden weiterziehen und Vates und Herat zu er¬
obern versuchen. Infolgedessen schickte Major Todd, der britische Resident bei
Kamran Schah in Herat, den Kapitän Abbot im Dezember an Allah Kuli,
deu Fürsten von Chiwa, um ihn zu bewegen, sich unter englische Hoheit zu
stelle«. Abbot aber scheiterte, ungeschickt und ohne Kenntnis der betreffenden
Personen und Verhältnisse, wie er war, mit seiner Mission vollständig und
mußte froh sein, als es ihm gelang, sich von Chiwa auf russisches Gebiet zu
retten. Dagegen hatte Shakespeare, ein andrer britischer Agent, bessern Erfolg;
er vermittelte einen Vertrag zwischen dem Chan und dem Zaren, kraft dessen
die gefangnen Russen freikamen und Allah Kuli Abschaffung des Sklavenhandels
versprach. Ähnliche Einmischung Englands in die zentralasiatischen Händel
fand schon damals auch in Buchara und Kokand statt. Rußlands Ansehen in
diesen Chauaten aber war durch das Mißlingen der Pervwskischen Expedition
für geraume Zeit schwer geschädigt. Die Kirgisen erhoben sich und wurden
erst 1846, nachdem sie ihren Führer Kasimow ermordet, wieder zum Gehorsam
gebracht und dann dnrch Erbauung von Forts am Jrgis und Tnrgai und
durch Belegung von Akbulak und Embinsk, dem Posten an der Euba, mit
stehender Garnison in Botmäßigkeit erhalten. 1846 begaben sich anch die Kir¬
gisen der großen Horde nnter russische Oberherrschaft, die durch Anlegung des
Postens Kopai, südöstlich vom Balkaschsee, gesichert wurde. Zugleich erbaute
man gegen die räuberischen Nomaden im Westen an iber Mündung des Shr
Darja in den Aralsee das Fort Ncnmskoje, das jedoch, da man seine Lage als
unvorteilhaft erkannte, bald aufgegeben wurde. Dafür entstand weiter im Osten
das Fort Ur. 1, jetzt Kasala genannt. Von hier drangen die Russen am Syr
Darja flußaufwärts vor, bemächtigten sich des zu Kokand gehörigen Käses
Kurgan und errichteten hier das Fort Ur. 2. Mit diesen Erwerbungen war


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[0205] Die Russen in Zentristen. andre Bedürfnisse für den südlicheren Teil des Marsches nach Rooo-Alexandrowsk bringen sollten, blieben aus, weil der Kaspisee zugefroren war, Als man den Posten an der Euba erreichte, hatte man infolge der schrecklichen Kälte bereits fast den achten Teil der Mannschaften und den fünften der Lasttiere verloren. Dennoch zog Perowski am 12, Januar weiter, indem er auf Besserung des Wetters hoffte. Dasselbe änderte sich aber nicht, und als man nach achtzehn ferneren Tagen voll unsäglicher Leiden und Strapazen nach dem inzwischen von den Chiwesen angegriffnen Akbulak gelangte, mußte Halt gemacht werden, und am 13. Februar erging der Befehl zur Umkehr nach Orenbnrg. Als der General hier am 8. Juni eintraf, brachte er von seinem Heer nur etwa 2600 Mann gesund wieder, die übrigen lagen teils erfroren in der Steppe, teils gingen sie als Schwerkranke in die Lazarete, teils befanden sie sich als Gefangne in deu Händen der Feinde. Die Engländer hatten, als sie von der Kriegserklärung Rußlands gehört hatten, gefürchtet, Perowski werde von Chiwa im Vereine mit kirgisischen, us¬ bekischen und turkmenischen Horden weiterziehen und Vates und Herat zu er¬ obern versuchen. Infolgedessen schickte Major Todd, der britische Resident bei Kamran Schah in Herat, den Kapitän Abbot im Dezember an Allah Kuli, deu Fürsten von Chiwa, um ihn zu bewegen, sich unter englische Hoheit zu stelle«. Abbot aber scheiterte, ungeschickt und ohne Kenntnis der betreffenden Personen und Verhältnisse, wie er war, mit seiner Mission vollständig und mußte froh sein, als es ihm gelang, sich von Chiwa auf russisches Gebiet zu retten. Dagegen hatte Shakespeare, ein andrer britischer Agent, bessern Erfolg; er vermittelte einen Vertrag zwischen dem Chan und dem Zaren, kraft dessen die gefangnen Russen freikamen und Allah Kuli Abschaffung des Sklavenhandels versprach. Ähnliche Einmischung Englands in die zentralasiatischen Händel fand schon damals auch in Buchara und Kokand statt. Rußlands Ansehen in diesen Chauaten aber war durch das Mißlingen der Pervwskischen Expedition für geraume Zeit schwer geschädigt. Die Kirgisen erhoben sich und wurden erst 1846, nachdem sie ihren Führer Kasimow ermordet, wieder zum Gehorsam gebracht und dann dnrch Erbauung von Forts am Jrgis und Tnrgai und durch Belegung von Akbulak und Embinsk, dem Posten an der Euba, mit stehender Garnison in Botmäßigkeit erhalten. 1846 begaben sich anch die Kir¬ gisen der großen Horde nnter russische Oberherrschaft, die durch Anlegung des Postens Kopai, südöstlich vom Balkaschsee, gesichert wurde. Zugleich erbaute man gegen die räuberischen Nomaden im Westen an iber Mündung des Shr Darja in den Aralsee das Fort Ncnmskoje, das jedoch, da man seine Lage als unvorteilhaft erkannte, bald aufgegeben wurde. Dafür entstand weiter im Osten das Fort Ur. 1, jetzt Kasala genannt. Von hier drangen die Russen am Syr Darja flußaufwärts vor, bemächtigten sich des zu Kokand gehörigen Käses Kurgan und errichteten hier das Fort Ur. 2. Mit diesen Erwerbungen war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/205>, abgerufen am 25.11.2024.