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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentralasien,

wurde aber dann verräterisch von ihnen ermordet, und von seinem Heere kehrten
nur kleine Trümmer zurück, um dem Zaren das Mißlingen auch dieser Expe¬
dition zu melden. Der einzige Erfolg derselben war, daß die Kirgisen zwischen
Wolga und Ural durch sie zu Unterthanen der russischen Krone wurden. Im.
Jahre 1725 gehörte der letzter" in Zeutralasieu noch nichts, die russische Greuze
lief vielmehr hier an den Missen Ural und Mjaß hin nach Kurgau und Omsk,
von da am Jrtiysch und den Ausläufern des Altai hiu zwischen Biisk und dem
Tclezkischen See hindurch und dann an den Quelle" des Adular vorbei nach
der heutigen Grenze zwischen Sibirien und China, Aber schon 1732 wurde sie
wesentlich erweitert, indem die Chane der kleinen und mittleren Kirgisenhorde
sich freiwillig, um Schutz gegen ihre eignen Unterthanen zu erlangen, der Kaiserin
Anna unterwarfen, wodurch dieselbe in den Besitz eines Gebietes kam, welches
sich südlich von der bisherigen Grenze vom Uralflusse bis zum Valkaschsee und das
Land der großen Kirgisenhorde ausdehnte. Doch waren die von ihr jetzt ein¬
geschlossenen Kirgisen mir nominell unterworfen, und der um das Jahr 1820
unternommene Versuch Speranskis, des damaligen Generalgouvernenrs von
Sibirien, sie durch Anlegung einer Kette befestigter Posten in den Gebieten der
mittleren und kleinen Horde wirklich botmäßig zu machen, führte nicht zum
Ziele. Es erfolgten immer neue Unordnungen und Aufstände, denen von Chiwa
her Vorschub geleistet wurde, und so sah man sich schließlich genötigt, sich gegen
dieses zu wenden, zumal da es auch die von den dortigen Steppenräubern weg¬
geschleppten russischen Unterthanen zu rächen und zu befreien galt.

Nach mehrjährigen Untersuchungen zur Auffindung der besten Marschroute,
die dahin führten, daß man sich für den Weg zwischen dem Kaspi- und dem
Aralsee entschied, und nach sorgfältigen Vorbereitungen, welche hauptsächlich be¬
zweckten, die Verpflegung durch Magazine zu sichern, wurde im Oktober 1839
am Uralflusse ein Expeditionskorps gegen Chiwa zusammengezogen, das von dem
Nachfolger Speranskis, General Perowsli, geführt werden sollte. Es hatte eine
Stärke von nur 4400 Kombattauteu, aber einen Train von über 2000 Pferden
und 10400 Kameelen, da man viel Lebensmittel für Menschen und Tiere,
namentlich auch Trinkwasser, mitzunelunen gezwungen war. Am 29. November
wurde der Vormarsch nach Chiwa angetreten, welches man nach fünfzig Tagen
zu erreichen hoffte. Das nächste Ziel waren der Posten und die Magazine,
die man an der Euba, 400 Kilometer südlich von Orenburg, das übernächste
das Fort Akbulak, 160 Kilometer weiter nach Süden hin auf dem Plateau
von Usturt errichtet hatte. Man hatte klug zu verfahren geglaubt, als man den
Feldzug in den Winter verlegte; der Schnee der Steppen, die zu durchziehen
waren, sollte das hier fehlende Wasser ersetzen. Aber gerade diese Verechnnng
ließ die Expedition vollständig scheitern. Furchtbare Stürme, verbunden mit
Schneefällen, stellten sich den Truppen entgegen, und die Kälte stieg bisweilen
bis auf 32 Grad. Die Transportschiffe, welche von Astrachan Proviant und


Die Russen in Zentralasien,

wurde aber dann verräterisch von ihnen ermordet, und von seinem Heere kehrten
nur kleine Trümmer zurück, um dem Zaren das Mißlingen auch dieser Expe¬
dition zu melden. Der einzige Erfolg derselben war, daß die Kirgisen zwischen
Wolga und Ural durch sie zu Unterthanen der russischen Krone wurden. Im.
Jahre 1725 gehörte der letzter» in Zeutralasieu noch nichts, die russische Greuze
lief vielmehr hier an den Missen Ural und Mjaß hin nach Kurgau und Omsk,
von da am Jrtiysch und den Ausläufern des Altai hiu zwischen Biisk und dem
Tclezkischen See hindurch und dann an den Quelle» des Adular vorbei nach
der heutigen Grenze zwischen Sibirien und China, Aber schon 1732 wurde sie
wesentlich erweitert, indem die Chane der kleinen und mittleren Kirgisenhorde
sich freiwillig, um Schutz gegen ihre eignen Unterthanen zu erlangen, der Kaiserin
Anna unterwarfen, wodurch dieselbe in den Besitz eines Gebietes kam, welches
sich südlich von der bisherigen Grenze vom Uralflusse bis zum Valkaschsee und das
Land der großen Kirgisenhorde ausdehnte. Doch waren die von ihr jetzt ein¬
geschlossenen Kirgisen mir nominell unterworfen, und der um das Jahr 1820
unternommene Versuch Speranskis, des damaligen Generalgouvernenrs von
Sibirien, sie durch Anlegung einer Kette befestigter Posten in den Gebieten der
mittleren und kleinen Horde wirklich botmäßig zu machen, führte nicht zum
Ziele. Es erfolgten immer neue Unordnungen und Aufstände, denen von Chiwa
her Vorschub geleistet wurde, und so sah man sich schließlich genötigt, sich gegen
dieses zu wenden, zumal da es auch die von den dortigen Steppenräubern weg¬
geschleppten russischen Unterthanen zu rächen und zu befreien galt.

Nach mehrjährigen Untersuchungen zur Auffindung der besten Marschroute,
die dahin führten, daß man sich für den Weg zwischen dem Kaspi- und dem
Aralsee entschied, und nach sorgfältigen Vorbereitungen, welche hauptsächlich be¬
zweckten, die Verpflegung durch Magazine zu sichern, wurde im Oktober 1839
am Uralflusse ein Expeditionskorps gegen Chiwa zusammengezogen, das von dem
Nachfolger Speranskis, General Perowsli, geführt werden sollte. Es hatte eine
Stärke von nur 4400 Kombattauteu, aber einen Train von über 2000 Pferden
und 10400 Kameelen, da man viel Lebensmittel für Menschen und Tiere,
namentlich auch Trinkwasser, mitzunelunen gezwungen war. Am 29. November
wurde der Vormarsch nach Chiwa angetreten, welches man nach fünfzig Tagen
zu erreichen hoffte. Das nächste Ziel waren der Posten und die Magazine,
die man an der Euba, 400 Kilometer südlich von Orenburg, das übernächste
das Fort Akbulak, 160 Kilometer weiter nach Süden hin auf dem Plateau
von Usturt errichtet hatte. Man hatte klug zu verfahren geglaubt, als man den
Feldzug in den Winter verlegte; der Schnee der Steppen, die zu durchziehen
waren, sollte das hier fehlende Wasser ersetzen. Aber gerade diese Verechnnng
ließ die Expedition vollständig scheitern. Furchtbare Stürme, verbunden mit
Schneefällen, stellten sich den Truppen entgegen, und die Kälte stieg bisweilen
bis auf 32 Grad. Die Transportschiffe, welche von Astrachan Proviant und


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[0204] Die Russen in Zentralasien, wurde aber dann verräterisch von ihnen ermordet, und von seinem Heere kehrten nur kleine Trümmer zurück, um dem Zaren das Mißlingen auch dieser Expe¬ dition zu melden. Der einzige Erfolg derselben war, daß die Kirgisen zwischen Wolga und Ural durch sie zu Unterthanen der russischen Krone wurden. Im. Jahre 1725 gehörte der letzter» in Zeutralasieu noch nichts, die russische Greuze lief vielmehr hier an den Missen Ural und Mjaß hin nach Kurgau und Omsk, von da am Jrtiysch und den Ausläufern des Altai hiu zwischen Biisk und dem Tclezkischen See hindurch und dann an den Quelle» des Adular vorbei nach der heutigen Grenze zwischen Sibirien und China, Aber schon 1732 wurde sie wesentlich erweitert, indem die Chane der kleinen und mittleren Kirgisenhorde sich freiwillig, um Schutz gegen ihre eignen Unterthanen zu erlangen, der Kaiserin Anna unterwarfen, wodurch dieselbe in den Besitz eines Gebietes kam, welches sich südlich von der bisherigen Grenze vom Uralflusse bis zum Valkaschsee und das Land der großen Kirgisenhorde ausdehnte. Doch waren die von ihr jetzt ein¬ geschlossenen Kirgisen mir nominell unterworfen, und der um das Jahr 1820 unternommene Versuch Speranskis, des damaligen Generalgouvernenrs von Sibirien, sie durch Anlegung einer Kette befestigter Posten in den Gebieten der mittleren und kleinen Horde wirklich botmäßig zu machen, führte nicht zum Ziele. Es erfolgten immer neue Unordnungen und Aufstände, denen von Chiwa her Vorschub geleistet wurde, und so sah man sich schließlich genötigt, sich gegen dieses zu wenden, zumal da es auch die von den dortigen Steppenräubern weg¬ geschleppten russischen Unterthanen zu rächen und zu befreien galt. Nach mehrjährigen Untersuchungen zur Auffindung der besten Marschroute, die dahin führten, daß man sich für den Weg zwischen dem Kaspi- und dem Aralsee entschied, und nach sorgfältigen Vorbereitungen, welche hauptsächlich be¬ zweckten, die Verpflegung durch Magazine zu sichern, wurde im Oktober 1839 am Uralflusse ein Expeditionskorps gegen Chiwa zusammengezogen, das von dem Nachfolger Speranskis, General Perowsli, geführt werden sollte. Es hatte eine Stärke von nur 4400 Kombattauteu, aber einen Train von über 2000 Pferden und 10400 Kameelen, da man viel Lebensmittel für Menschen und Tiere, namentlich auch Trinkwasser, mitzunelunen gezwungen war. Am 29. November wurde der Vormarsch nach Chiwa angetreten, welches man nach fünfzig Tagen zu erreichen hoffte. Das nächste Ziel waren der Posten und die Magazine, die man an der Euba, 400 Kilometer südlich von Orenburg, das übernächste das Fort Akbulak, 160 Kilometer weiter nach Süden hin auf dem Plateau von Usturt errichtet hatte. Man hatte klug zu verfahren geglaubt, als man den Feldzug in den Winter verlegte; der Schnee der Steppen, die zu durchziehen waren, sollte das hier fehlende Wasser ersetzen. Aber gerade diese Verechnnng ließ die Expedition vollständig scheitern. Furchtbare Stürme, verbunden mit Schneefällen, stellten sich den Truppen entgegen, und die Kälte stieg bisweilen bis auf 32 Grad. Die Transportschiffe, welche von Astrachan Proviant und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/204>, abgerufen am 25.11.2024.